Solidarität mit Ex-Direktor des Jüdischen Museums

Wissenschaftler sorgen sich um Meinungsfreiheit

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Ein Mann in seinen Fünfzigern steht vor abstrakter Architektur und blickt freundlich in die Kamera.
In einem Brief bekundeten zahlreiche internationale jüdische Gelehrte Solidarität mit dem zurückgetretenen Museumsdirektor Peter Schäfer. © Wolfgang Kumm / dpa
Tim Aßmann im Gespräch mit Gabi Wuttke · 19.06.2019
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Nach dem Rücktritt von Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, äußern internationale jüdische Wissenschaftler ihre Bestürzung und sind in Sorge um die freie Meinung. Auslöser für den Rücktritt war ein Tweet zur israelkritischen BDS-Bewegung.
Nach dem Rücktritt des Direktors des Jüdischen Museums in Berlin, Peter Schäfer, haben jüdische Gelehrte aus Israel, Europa und den USA in einem gemeinsamen Brief ihre Unterstützung für den international renommierten Judaisten bekundet. Schäfer war Mitte Juni zurückgetreten, weil seine Arbeit, zuletzt speziell ein Tweet des Museums zur israelkritischen BDS-Bewegung kritisiert worden war.
Der Twitter-Beitrag verwies auf einen Artikel, der sich mit der Kritik von 240 jüdischen und israelischen Wissenschaftlern an jenem Bundestagsbeschluss auseinandersetzt, der die BDS-Bewegung als antisemitisch verurteilt. Der BDS will Israel boykottieren, Investments abziehen und Sanktionen verhängen.

Schäfer wird international geschätzt

Für den Journalisten und Israel-Korrespondenten Tim Aßmann ist das Solidaritätsschreiben für Schäfer ein klarer Beleg für die internationale Wertschätzung, die der Wissenschaftler genießt.
Dahinter stecke aber vor allem auch große Sorge um die Meinungsfreiheit. Denn zur Vorgeschichte des aktuellen Konfliktes gehöre die wiederholte Kritik der Regierung Netanjahu an der Arbeit des Museums und deren Forderung, diese zu ändern, sagt Aßmann: Statt das jüdische Leben in Deutschland zu thematisieren, rückten die Ausstellungen zu sehr den israelisch-palästinensischen Konflikt in den Mittelpunkt, laute ein Kritikpunkt der israelischen Regierung.
In dem gemeinsamen Brief schreiben die Unterzeichner, es sei "schockierend", Schäfer vorzuwerfen, er setze sich nicht für den Kampf gegen den Antisemitismus ein. "Das ist ja eine Debatte, die sehr alt ist: Dass man sagt, hier wird Israelkritik vermischt mit Antisemitismus", sagt Aßmann.

Der BDS ist sehr heterogen

Er hält die BDS-Resolution des Bundestages für problematisch, denn die Bewegung sei extrem heterogen. Es sei deshalb kaum möglich, sie pauschal als antisemitisch zu bezeichnen:
"Es ist letztlich ein sehr loser Verbund verschiedener Organisationen quer um den Globus, die keine Vereinssatzung haben und die inhaltlich sehr schwer einheitlich zu definieren sind. Und wie der Bundestag dann zu dem Schluss kam, dass diese ganze Bewegung für sich antisemitisch ist – das ist eine Schlussfolgerung, die ich bislang so für mich nicht treffen konnte, das hat mich dann doch ein bisschen überrascht."
Auch prominente und renommierte Intellektuelle und Künstler wie Judith Butler, Roger Waters oder Jean-Luc Godard haben sich der BDS-Bewegung angeschlossen. Diese habe in einigen Ländern wie etwa den USA sehr großen Einfluss und starke Netzwerke gebildet.
In Deutschland jedoch sei sie seiner Beobachtung nach keine "wirklich wirkmächtige Bewegung", sagt Aßmann.
(mkn)
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