Sojamilch

Ein geschmackloses Kunstprodukt

Diese unrsprünglich aus Asien stammenden Hülsenfrüchte werden auf etwa sechs Prozent der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche angebaut und gelten als wichtigste Ölsaat.
Früchte der Sojabohne © picture alliance / dpa / Universität Jena
Von Udo Pollmer · 12.02.2016
Sojamilch gilt als Alternative für alle, die Milch nicht vertragen. Oder für solche, die nach einer ökologischen Alternative zur Kuhmilch suchen. Unser Lebensmittelchemiker Udo Pollmer hat die Versprechen überprüft.
Längst hat sich die Sojamilch auf dem Markt etabliert, dabei wurde eine solche Bezeichnung früher als Täuschung streng geahndet. Der Begriff "Milch" ist dem Original vorbehalten und die Verbraucherzentralen pochten darauf, dass das Grundnahrungsmittel keinesfalls Soja enthalten dürfe. Heute nimmt man es nicht mehr so genau, auch wenn die Verpackungen noch nicht explizit von "Milch", sondern von "Drinks" sprechen.
Als einmal auf Pizzen Analogkäse entdeckt wurde, erschütterte dieser Skandal die Nation. Damals mühten sich redliche Hersteller noch, Zusatzstoffe zu vermeiden, weniger redliche diese zumindest auf dem Etikett zu verschleiern. Doch seit vegane Produkte den Markt erreichen, scheint es völlig gleichgültig, wie lang die Liste der künstlichen Zusätze ist. Hauptsache der Geschmack erinnert irgendwie an den gewohnten Joghurt oder die geliebte Rindsalami – und haben dennoch rein gar nichts mit einem Rind zu tun. Die Verbraucherschützer schauen dem Treiben wohlwollend zu.

"Ganze Kuh" in der Trinkflasche?

Die Werbung für Sojamilch wird immer dreister. Auf den Drinks prangen Aufdrucke wie "ganze Bohne" oder "ursprünglicher Geschmack". Nichts an dem geschmacklosen Kunstprodukt ist "ursprünglich", und die "ganze Bohne" ist ebenso wenig in der Sojamilch wie die "ganze Kuh" in der Milchflasche. Sojadrinks enthalten immer nur einen Teil der Bohne, dafür aber viel Wasser. Um den Trank dem Vorbild ähnlicher werden zu lassen, ist er meist gekalkt, mit Phosphaten versetzt und, um das sämige Mundgefühl nachzuahmen, mit Zusätzen wie Maltodextrin und Gellan angedickt. Maltodextrin ist eine Art Glucosesirup. Ob die Kunden das unter der Deklaration "ungesüßt" erwarten?
Sojabohnen wurden wegen ihrer üblen Inhaltsstoffe nie als frisches Gemüse gegessen oder verfüttert, Nutzvieh würde daran krepieren. Unseren heimischen Bohnen, Erbsen und Linsen haben wir diese Gifte weggezüchtet. Die Tönchen der Böhnchen sind nur noch ein ferner Nachhall. Soja hingegen ist eine Industriepflanze; sie war nie und nirgends ein altehrwürdiges Volksnahrungsmittel, diese Mär wurde von den US-Ölmühlen zur Imagepflege ersonnen. Ohne die stete PR des vielgeschmähten "US-Agro-Soja-Business", das heute zu allem Überfluss auch noch "Gensoja" anbaut, gäbe es die ganze Aufregung um veganes Bio-Tofu bei uns nicht.

Biomütter und ihre Gentechnik-Angst

Die Bio-Läden und die Vegan-Shops sind sich nicht immer grün, Öko-Fundamentalisten haben Veganerläden schon die Schaufenster eingeworfen. Die Veganer haben das PR-Konzept der Bios kopiert, sich dabei moralisch überhöht; nun kauft die Kundschaft hippe Sojamilch statt spießigen Biokäse. Die veganen Töchter ziehen grinsend an ihren Biomüttern und deren Gentechnik-Ängsten vorbei.
Die Sojaernte wird seit jeher in den großen Ölmühlen mit Leichtbenzin extrahiert. Doch das Öl macht nur etwa 20 Prozent der Bohne aus. Der Rückstand, Expeller genannt, muss vom Leichtbenzin, unverdaulichen Kohlenhydraten und giftigen Eiweißen befreit werden, bevor man ihn an Schweine verfüttern kann.
Veganer wollen den Futtertrog umgehen und Soja direkt verwenden. Für Sojamilch wird die Bohne geschrotet, mit Wasser aufgeschlämmt, gekocht, um die giftigen Eiweiße zu zerstören und dann gefiltert. Die Flüssigkeit ist die "Milch", der praktisch ungenießbare Rückstand im Filter wird "Okara" genannt. Okara verdirbt schnell, immerhin kann es nach einer Erhitzung an Schweine verfüttert werden. Doch das ist teuer, die Entsorgung in der "grünen Tonne" oft billiger.

85 Prozent Leitungswasser

Um Tofu zu gewinnen, wird der Sojamilch Magnesiumchlorid zugesetzt, so dass die Masse wie beim Käse gerinnt. Doch wer glaubt, einen Käseersatz zu erhalten, täuscht sich: Tofu besteht hauptsächlich aus Leitungswasser, genauer gesagt zu 85 Prozent, der Eiweißanteil hingegen liegt bei schwachen acht Prozent.
So wie bei der industriellen Sojaölgewinnung der Expeller als Futter genutzt wird, so fallen auch bei Herstellung von Sojamilch und Tofu reichlich Rückstände an: Etwa die Hälfte der edlen Tofu-Bohne landet ebenfalls im Futtertrog oder gar in der Mülltonne! Mahlzeit!
Literatur
Keckl G: Rundmail 1-16: Modetrend Schizophrenie, Ökomodernismus, der große Tofu-Schwindel, Palmölgate u.a. Hannover, 17.01.2016; http://www.keckl.de/
Souci SW et al: Food Composition and Nutrition Tables. WVG, Stuttgart 2008
Liu KS: Soybeans: Chemistry, Technology, and Utilization. Aspen, Gaithersburg 1999
Daniel KT: The Whole Soy Story. New Trends Publishing, Washington 2007
Macho A: "Ich bin der Feind" Jan Bredack hat eine Kette veganer Supermärkte gegründet. Warum nur wirft ihm die eigene Zielgruppe regelmäßig die Schaufenster ein? Die Zeit 2015; 23. April, Nr. 17
Bertyn: Warnung vor modernen Sojaprodukten, beispielsweise Tofu, Sojamilch, Sojakäse, Soja-Babynahrung, Sojabrocken, Isolate, Sojamehl, Soja-Gemüseburger usw. http://www.bertyn.eu/de/soja/fermentierung-von-soja-ist-fuer-die-gesundheit-notwendig
O'Toole DK: Characteristics and use of okara, the soybean residue from soy milk productions - a review. Journal of Agricultural & Food Chemistry 1999; 47: 363-371
Kuan HY, Liong MT: Chemical and physicochemical characterization of agrowaste fibrous materials and residues. Journal of Agricultural & Food Chemistry 2008; 56: 9252–9257
Drews J: Die "Nazi-Bohne". Anbau, Verwendung und Auswirkung der Sojabohne im Deutschen Reich und Südosteuropa (1933-1945). LIT- Verlag, Münster 2004
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