Social Startups

Sozial verantwortlich Geld verdienen

Salem El-Mogaddedi und Gernot Würtenberger von Conflictfood
Salem El-Mogaddedi und Gernot Würtenberger von Conflictfood © Conflictfood / Evelyn Bencicova
Von Barbara Zillmann · 10.07.2017
Safran aus Afghanistan oder Freekeh aus Palästina: "Conflictfood" vertreibt fair gehandelte Lebensmittel aus Krisenregionen und ist damit ein Beispiel für Social Startups, die sich mit ihrer Idee am Markt behaupten können.
Berlin Kreuzberg, dritter Hinterhof, eine Fabriketage, Sitz der Gründungswerkstatt für Sozialunternehmer.
"Der erste Punkt ist, etwas verändern zu wollen. Für die Unternehmerpersönlichkeit ist das Wichtigste die Motivation ..."
"Social Impact Lab" heißt der Ort. Thorsten Jahnke, einer der Gründer, hält heute einen Vortrag. Es geht um Businesspläne, Fördermöglichkeiten, Unternehmensformen und: die persönliche Motivation.
Gekommen sind zwölf junge Männer und Frauen. Sie haben sich auf Europaletten niedergelassen, gepolstert mit grünen Schafsfellteppichen und weißen Kissen. Mit dabei: Anne. Sie hat einen gutbezahlten Job aufgegeben, weil sie etwas vermisste: eine Vision.
"Ich komm halt von dem Hintergrund, dass ich eben im Marketing gearbeitet hab und da aber die Vision nicht mehr gesehen habe und für mich gesagt habe, ich brauche die Vision. Und für mich jetzt über das Programm hier Felder entdecke, die wieder was aufpoppen bei mir, was aufmachen, wo ich merke, da kann ich ‘ne Vision entwickeln. Ist n Stück weit auch Selbsterfüllung, ne? Selbstentwicklung, Selbstentfaltung, ja."
Hier, in der Gründerwerkstatt haben auch Gernot Würtenberger und Salem El-Mogaddedi gelernt, wie man ein Geschäft startet, das nicht nur dem Broterwerb dient.
"Wir kommen aus dem Bereich Architektur, aus dem Bereich Marketing und haben uns auf einer Reise nach Afghanistan vor zwei Jahren dazu entschlossen, unsere Berufe an den Nagel zu hängen und etwas ganz anderes zu versuchen, nämlich wir haben konkret Conflictfood gegründet und seitdem sind wir Sozialunternehmer."
"Also es ist kein Charity-Projekt, es ist wirklich eine gewinnorientierte Unternehmung, die wir hier gestartet haben mit Conflictfood, aber mit einem ganz starken sozialen Aspekt, wir möchten sozial verantwortlich mit unseren Partnern in den Ländern zusammenarbeiten."

Safran statt Opium

In Afghanistan lernten die beiden Männer eine unabhängige Frauenkooperative kennen, die sie faszinierte. Die Frauen sind aus dem Opium-Anbau ausgestiegen und bauen nun Safran an. Salem El-Mogaddedi, der afghanische Wurzeln hat, konnte ihr Vertrauen gewinnen und so mit ihnen ins Geschäft kommen.
"Wir möchten den Menschen neue Absatzmärkte eröffnen und ein Stück weit auch mit dem Produkt den Kunden hier zeigen: Es gibt mehr zu berichten und zu erfahren aus diesen Ländern, die oft nur mit Krieg und Terror in Verbindung gebracht werden."
"Hier vor uns liegt eine Packung afghanischen Safrans - ich mach sie mal auf - hier in einer handgefertigten Schachtel, die hier in Berlin Kreuzberg in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung nach alter Buchbindertradition produziert wird."
"Eine schöne Pappschachtel, bedruckt mit orientalischen Ornamenten in grau, rot und schwarz, darin ein zehn Zentimeter langes Glasfläschchen mit den kostbaren, leuchtendroten Safranfäden."

"Aber auch allerhand Zusatzinformation, nämlich Rezeptkarten, eine Zeitung, die wir selber verfassen, die informiert über Land und Leute und über Esskultur."
Aus den ersten Erlösen haben die beiden Unternehmer ein Waisenhaus in Kabul mit Feuerholz und einem Warmwasserboiler unterstützt. Auch wenn ihr Safran etwas teurer ist als üblich - er verkauft sich gut.
"Wir haben im ersten Jahr den Frauen zwei Kilo Safran abgekauft, das entspricht 2000 Verkaufseinheiten, weil wir den Safran grammweise verkaufen, im zweiten Jahr haben wir ihnen vier Kilo abgekauft. Und wir hoffen 2017 die Menge nochmal zu verdoppeln."

Freekeh aus Palästina

Verkauft wird über einen Onlineshop. Inzwischen haben die beiden ein weiteres Produkt auf den Markt gebracht: Freekeh, gerösteter junger Weizen aus Palästina. In Bioqualität, mit einer Zeitung und Rezepten im "Friedenspäckchen". Aber: kann man damit die Welt verändern?

"Es zeigt einfach, dass die Gesellschaft an einem Punkt steht, wo neue Antworten auf grundlegende Fragen gefunden werden wollen."

… meint Martina Köchling, Direktorin des Programmbereichs "Verantwortliches Wirtschaften" der KfW Stiftung in Frankfurt am Main. Die Stiftung fördert Gründerwerkstätten für Sozialunternehmer.

"Wir bezahlen die Ausbildung, wir stellen den Raum, organisieren mit Partnern eben auch die Möglichkeiten für verschiedene Vernetzungen auch zu Unternehmen hin. Wir sehen unsere Hebelwirkung darin, möglichst viele gut ausgebildete Unternehmensgründungen vorzubereiten und eben- ja- auch fit für Investoren zu machen."
Denn bei Banken und Investoren gelten Sozialunternehmer als unsichere Kandidaten, ihre Projekte als nonkonformistisch, zu wenig profitorientiert, zu riskant. Erst wenn sich die Konzepte zwei bis drei Jahre am Markt bewiesen haben, wächst die Bereitschaft zur Finanzierung, sagt Martina Köchling.
Das kleine Berliner Sozialunternehmen Conflictfood hat sich am Markt bewährt. Über Crowdfunding sollen nun die nächsten Projekte finanziert werden.
Die beiden Gründer haben ihren Schreibtisch in den Spreewerkstätten Berlin Mitte. Hier sind internationale Startups versammelt. Eine kreative Szene. Aber was nützen all die guten Ideen, die fair gehandelten Produkte, wenn die Mehrzahl der Konsumenten und der großen Firmen an einem Punkt zusammenhalten: je billiger, desto besser? Salem El-Mogaddedi und Gernot Würtenberger sehen das gelassen.

"Bei den Großkonzernen, da muss ein radikales Umdenken erfolgen und wir hoffen natürlich auch mit einem so kleinen Startup-Unternehmen wie unserem, aber auch mit anderen, dem Konsumenten zu zeigen: Es gibt Alternativen auf diesem Weg, und es gibt die Möglichkeit, sozialverantwortlich mit ner gewissen Moral und Ethikvorstellung Handel zu treiben."
"Was mir auffällt: Seit dem Wechsel aus meinem stabilen finanziellen Background hin zum Start-Up-Leben ist es zwar finanziell enger, aber ich erfahr nen sehr starken Rückenwind aus der Gesellschaft, aus den Medien, aus dem Freundeskreis, und das ist unglaublich beflügelnd und ist mehr wert, als man es mit Geld bezahlen kann."
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