Smartphones & Kommunikation

Das persönliche Gespräch stirbt nicht aus

Junge Chinesinnen benutzen am 24.4.2015 ihre Smartphones für ein Gewinnspiel in einem Einkaufszentrum in Taiyuan im Norden Chinas.
Das Smartphone ist immer dabei, auch in China - verhindert aber nicht das persönliche Gespräch, sagt die Soziologin Angela Keppler © picture-alliance / dpa / Yin Ming
Angela Keppler im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 22.02.2016
Die Welt ist voll von Smombies: Menschen, die anscheinend nur noch auf ihr Smartphone starren. Wird deswegen das persönliche Gespräch aussterben? Ganz im Gegenteil, meint die Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Angela Keppler von der Universität Mannheim.
Stimmt der Eindruck, dass viele Menschen kaum noch zu persönlichen Gesprächen mit einem realen Gegenüber fähig sind, weil sie den ganzen Tag auf das Display von Smartphone oder Tablet starren? Laut der Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Angela Keppler von der Universität Mannheim sind es vor allem die älteren Menschen, die der Dauernutzung von Smartphones kritisch gegenüber stehen und deswegen das Ende des persönlichen Gesprächs fürchten. Laut der Soziologin ist diese Diagnose allerdings weitgehend falsch. Ihren Untersuchungen zufolge gibt es keine kommunikative Verarmung. Vielmehr gebe es bei den Digital Natives ein "Hin und Her in der Kommunikation mit Anwesenden und Nichtanwesenden". Das direkte Gespräch sterbe dabei nicht aus, sondern verändere sich. So wirkten Inhalte, die über das Smartphone abgerufen werden, sogar gesprächsbereichernd im Alltag.

Das (direkt und analog geführte) Gespräch im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Kennen Sie Smombies? Ich vermute mal, auch wenn Sie das Wort nicht kennen, dann kennen Sie auf jeden Fall das Phänomen: Smartphone-Zombies, also Smombies. Das sind Leute, die mit ihrem schlauen Telefon oder dem Tablet verwachsen zu sein scheinen, mit den Fingern hin und her wischen und nur aufschauen, wenn es wirklich nicht anders geht.
Vielleicht sitzt ja so einer gerade an Ihrem Frühstückstisch. Wenn nicht dort, dann wahrscheinlich in Barcelona, da kommen potentiell gerade ziemlich viele Smombies zusammen zum World Mobile Congress, zum Weltkongress der Mobilfunkbranche, und die wird sich dort vor allem damit beschäftigen, die Netze weiter auszubreiten, sie schneller zu machen, also den Idealfall einer vernetzten Welt herzustellen.
Nie wieder offline – das klingt technisch super, aber sozial, siehe Zombies, wirft das schon seit einiger Zeit viele kritische Fragen auf, nämlich, ob wir sozial verarmen trotz oder wegen all der Apps und Posts on Facebook und Co. Wir tragen das jetzt mal aus dem Bereich der gefühlten Wahrheiten in die Welt der Wissenschaft. Ganz "old school" und analog am Telefon ist Angela Keppler, sie ist Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Uni Mannheim. Guten Morgen!
Angela Keppler: Einen schönen guten Morgen!
Frenzel: Haben uns die kleinen Dinger messbar verändert in der Art und Weise, wie wir kommunizieren?
Keppler: Die kleinen Dinger haben uns verändert, und die Smartphones verändern immer noch und wahrscheinlich immer weiter die Formen der personalen Kommunikation und Interaktion.
Frenzel: Und zwar wie?
Smartphones spielen inzwischen in der Interaktion eine selbstverständliche Rolle
Keppler: Sie verändern sie zunächst mal so, dass Smartphones in der direkten, unmittelbaren menschlichen Interaktion eine selbstverständliche Rolle spielen, das heißt sie werden zum Teil zum Beispiel auch der Face-to-face-Kommunikation der Gespräche, die wir alltäglich von morgens im Bus, der Straßenbahn, in Pausen zwischendurch und sonst wo führen.
Frenzel: Ich nehme mal das Beispiel Bus, das Sie gerade genannt haben: Da sitzen Menschen nebeneinander, die haben idealerweise beide so ein Gerät, gucken da, wischen hin und her, sehen Nachrichten, schreiben vielleicht irgendwelchen Bekannten oder Freunden, aber sie kommen nicht miteinander ins Gespräch. Ist das schon ein Zeichen dieser Verarmung, die manche beklagen?
Keppler: Genau dieses: Sie kommen nicht miteinander ins Gespräch, das ist sozusagen das Vorurteil oder das Urteil, das wir alle im Alltag fällen. Wir haben das Gefühl, überall sitzen nur noch diese Menschen, die auf ihre Displays starren, nicht mehr den Gegenüber anschauen und schon gar nicht mehr mit dem Gegenüber reden in irgendwelchen öffentlichen oder halböffentlichen Kontexten.
Das war der Ausgangspunkt meines Forschungsprojekts, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt wurde, dass wir uns genau dieser Frage mal zugewandt haben und diesen ersten Eindruck, den wir alle teilen, das wollten wir genauer wissen, wie sieht das aus.
Da haben wir festgestellt, dass es eben genau diese generelle Verarmung, dass alle sich abschotten via Smartphone, das dem gar nicht so ist, sondern dass in diesen ganz banalen kleinen alltäglichen Gesprächen es häufig ein Hin und Her gibt, ein Wechseln gibt zwischen Kommunikation mit Nichtanwesenden, zum Beispiel über WhatsApp oder Instagram oder whatever, deswegen stirbt aber nicht die persönliche Kommunikation, das persönliche Gespräch mit den anderen aus, aber es verändert sich, wie ich vorhin gesagt habe.
Frenzel: Aber es verändert sich dann wie?
Keppler: Es verändert sich zunächst mal – und das ist ja nicht nichts, das ist nicht wenig – es verändert sich insofern, als es praktisch ein ineinander Verwobensein von medial vermittelter Kommunikation, also durch ein technisches Medium gestützter Kommunikation, und dieser Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, der Urform der Kommunikation, der Face-to-face-Kommunikation, dass es dieses ineinander Verwobensein gibt. Da ist es interessant, dass zum Beispiel Inhalte, die wir über Smartphones oder andere Geräte dieser Art abrufen, durchaus auch gesprächsbereichernd funktionieren im Alltag.
Frenzel: Gibt es da möglicherweise ein Problem zwischen den Generationen, wenn Sie schon generell kein Problem ausmachen, aber dann doch möglicherweise zwischen einer jungen Generation, die schon komplett zu Hause ist in dieser neuen Kommunikationsform und einer älteren Eltern-, Großelterngeneration, wo die Fäden dann nicht mehr ganz zusammengehen?
Für die Digital Natives gibt es keine minderwertige Form der Kommunikation
Keppler: Es gibt auf jeden Fall einen eklatanten Unterschied. Die sogenannten Digital Natives, die wir nun schon seit etlichen Jahren unter uns haben, die haben ein anderes Verhältnis zu dieser medial gestützten Kommunikation. Es ist eben für sie nicht per se die minderwertigere Form der Kommunikation. Es ist nichts, was für sie schlechter ist oder unwichtiger ist als dies direkte, unmittelbare Gespräch, aber wenn wir auch diese ... Das ist ein Unterschied der Generationen. Für die Älteren, für die diese Geräte immer noch doch auch wie ein wie auch immer befremdliches Moment haben, ist es sofort die Diagnose Verarmung, also alle schotten sich ab, glotzen nur noch in ihre Handys und reden nicht mehr miteinander.
Ich bin als Soziologin weder eine Pessimistin noch Optimistin, ich gucke mir einfach an, was ist, und wenn ich in der Kommunikation sehe, dass es durchaus funktioniert, sehe ich keinen großen Anlass für Alarmismus oder negative Aussichten. Es sind Veränderungen da, das kann man nicht bestreiten.
Frenzel: Bei all der Ausgewogenheit, die Sie da darstellen, würden Sie trotzdem empfehlen, dass sich soziale Gruppen, sagen wir mal Familien, Freundeskreise, bewusst vornehmen, das Gerät zur Seite zu legen, zu sagen, wenn wir frühstücken, dann guckt jetzt bitte keiner auf das Smartphone?
Keppler: Das ist bestimmt eine gute Übung, solange es dann aber auch in der Tat ein Gespräch gibt. Was wir bei der Diskussion häufig vergessen, ist, dass wir alle Gesprächsarmut oder alles vor sich hin stieren und nicht miteinander reden, diesen Geräten die Schuld daran geben. Da bin ich immer so ein bisschen – auch als Soziologin, die sich vor 30 Jahren schon mit Tischgesprächen ausführlich beschäftigt hat – skeptisch. Nur weil man die Smartphones weglegt, ist man nicht plötzlich wieder ins Gespräch miteinander vertieft oder verbunden.
Frenzel: Sie sagen, eine gute WhatsApp-Kommunikation mit einem guten Freund, die kann durchaus besser sein als ein belangloses Gespräch mit einem Gegenüber.
Keppler: Nein, das würde ich nicht sagen, weil ich diese belanglosen Gespräche mit einem Gegenüber sehr hochschätze. Gerade diese belanglosen, alltäglichen banalen Gespräche, die sind der soziale Kitt unseres Zusammenlebens, die sind wichtig.
Das Smartphone weglegen muss nicht zu einem tiefen Gespräch führen
Ich wollte damit nur sagen, die stellen sich nicht automatisch deshalb ein, weil ich das Gerät weglege, sondern gerade das Gerät – da sind wir wieder zurück bei den Smombies – gerade auch das Display des Smartphones hat häufig in diesen banalen Unterhaltungen die Funktion, auch Gesprächsstoff zu liefern. Es befördert in dem Sinne Gespräche. Das sollten wir nicht vergessen. Was ich im Grunde sagen will, ist, dass mir hier so eine Schwarz-Weiß-Zeichnung einfach falsch erscheint. Es gibt sicher Situationen, in denen wir alle davon profitieren, wenn wir die Geräte einfach weglegen.
Frenzel: Haben Sie denn das schon beobachtet, dass es da einen gewissen Trend gibt, seit dem man die Geräte und all die Möglichkeiten hat, die erst mal wunderbar genutzt werden, dass es auch schon wieder einen Trend in die andere Richtung gibt, dass man sagt, ach, so spannend ist das gar nicht?
Keppler: Ja, und ich denke, das ist, was wir mit dem Auskommen jedes neuen Mediums in der Geschichte auch immer wieder festgestellt haben. Die Euphorie, dann folgt dem in aller Regel auch immer so ein bisschen die – Verteufelung ist vielleicht übertrieben, aber die Warnung vor dem Gerät – und das Ziel oder das Beste ist, wenn es sich so ein bisschen einpendelt und das jeweilige Medium dann auch in seinen Schranken genutzt wird. Wobei, das Smartphone hat unsere Kommunikation in der Tat, also unsere alltägliche Kommunikation und Interaktion mehr verändert als viele der anderen Medien zuvor.
Frenzel: Angela Keppler, Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Uni Mannheim. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Keppler: Vielen Dank an Sie!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Angela Keppler hat den Einfluss der Smartphones auf unser Kommunikationsverhalten untersucht. Die Ergebnisse können Sie hier nachlesen.

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