Smarte Implantate

Hausschlüssel unter der Haut

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Patrick Kramer, Chef der Firma "digiwell" in Hamburg, ein Unternehmen, das sich auf Smart Implants, Activity-Trackers und innovative Ernährung spezialisiert hat. © Foto: Patrick Kramer / digiwell
Patrick Kramer im Gespräch mit Dieter Kassel · 01.08.2017
Patrick Kramer ist Chef der Firma "digiwell", die Implantate entwickelt: winzige Chips mit RFID- bzw. NFC-Technologie, mit denen man zum Beispiel seine Haustür öffnen kann. Er trägt selbst zwei Implantate unter der Haut und berichtet von seinen Erfahrungen.
Dieter Kassel: Ich habe vorhin diese Party erwähnt, die eine Firma in Wisconsin heute macht, wo Mitarbeiter sich freiwillig Chips einsetzen lassen können als Implantate unter die Haut. Das ist ein PR-Gag, es ist auch nicht das erste Mal passiert, aber rein witzig ist die Nummer nicht. Implantate, also kleine Chips, die Teil unseres Körpers sind, die unter der Haut sitzen, die gibt es schon, es gibt sie auch in Deutschland, und es gibt auch schon einige Funktionen, für die man sie nutzen kann, und ja, es gibt auch schon einige Ängste davor, was aus dieser Technik noch alles werden könnte.
Wir wollen über all das mit Patrick Kramer sprechen, Chef der Firma Digiwell, die einerseits solche Produkte entwickelt hat und herstellt, und andererseits ist er auch jemand, der sie selber ganz persönlich auch einsetzt. Erst mal schönen guten Morgen, Herr Kramer!
Patrick Kramer: Schönen guten Morgen!
Kassel: Wenn ich Ihnen die Hand schüttele und ich da richtig kräftig zudrücke oder so, würde ich eigentlich irgendetwas davon merken, dass Sie so einen Chip implantiert haben?
Kramer: Nein, niemals. Sie würden es weder sehen noch würden Sie es merken.

"Ich führe ein schlüsselloses Leben"

Kassel: Was haben Sie sich denn implantieren lassen, also was kann Ihr Chip?
Kramer: Also ich habe derzeit zwei Implantate. Das eine ist – jetzt wollen wir nicht zu technisch werden –, aber grundsätzlich sind das RFID-, NFC-Implantate, und ich benutze sie tagtäglich mehrfach und zwar als mein Ersatz für meinen Haustürschlüssel. Ich führe also ein schlüsselloses Leben, und das ist sehr angenehm.
Kassel: Also RFID heißt, die können Funksignale ausstrahlen, brauchen aber auch keine eigene Energiequelle, das heißt, Sie müssen da auch nicht ständig unter der Haut die Batterie wechseln, aber was wäre denn jetzt mal so mit Hilfe Ihrer Firma, aber auch anderen, maximal möglich? Also so einen Chip, den kann man ja unterschiedlich programmieren, über die Haustür hinaus. Was wäre damit heute schon realistischerweise machbar?
Kramer: Ich glaube, man muss ein bisschen unterscheiden. Also den Chip gibt es nicht. Wir haben allein acht verschiedene Implantate mittlerweile im Sortiment, die unterschiedliche Dinge machen auf unterschiedlichen Frequenzen arbeiten. Einer zum Beispiel misst die Körpertemperatur, ich sage mal: Stichwort Empfängnisverhütung für eine Frau, und das ist nur so ein Reiskorn unter der Haut. Hat natürlich mit dem anderen nichts zu tun. Die Chips oder die Implantate unterscheiden sich dann auch je nach Bauform.
Patrick Kramer bei einer Präsentation der Implantate
Einige Implantate lassen sich einfach unter die Haut spritzen.© Foto: Patrick Kramer / digiwell
Es gibt welche, die werden in so einer Glaskugel, Glaskanüle unter die Haut einfach nur gespritzt, andere werden eher wie so ein Plättchen, wie eine Briefmarke muss man sich das vorstellen, wie eine Miniaturbriefmarke, unter die Haut geschoben. Da habe ich unterschiedliche Energieaufnahmen, und dadurch können die Mikroprozessoren dadurch unterschiedliche Aufgaben einfach vollführen. Im Moment ist aber Stand der Technik wirklich, wenn es denn unterschiedliche RFID-Frequenzen sind, die abgedeckt werden, dass ich für Zugangskontrolle die vor allen Dingen benutzen kann, oder ich kann eben auch Informationen drauf speichern, die man dann jederzeit ablesen kann. Programmieren kann ich die derzeitigen Implantate nicht.

Man kann sie tragen bis ins Grab

Kassel: Wie kriege ich die eigentlich unter die Haut? Brauche ich da eine örtliche Betäubung beim Arzt oder wie geht das?
Kramer: Es gibt zwei Wege. Ich sagte ja gerade, die einen werden eben gespritzt, die sind in so einer kleinen Spritze vorgeladen. Das ist eine Sache von zwei Sekunden. Das ist wie, als ob man mal kurz in die Hand gekniffen wird. Das ist wirklich überhaupt kein Aufwand und ist auch wirklich nur direkt unter der ersten Hautschicht, also unter der Dermis. Die anderen sind ein bisschen anders. Da macht man einen kleinen Schnitt, hebt die Haut an, schiebt sie runter, macht die Haut wieder runter, dauert vielleicht eine viertel Stunde, und da sind wir aber auch dabei, das noch ein bisschen einfacher zu machen, aber dadurch, dass es ja vorher lokal betäubt ist, merkt man da nichts von.
Kassel: Und wie lange bleiben die drin? Ich meine, wahrscheinlich ja nicht, bis ich irgendwann mal sie mit ins Grab nehme, oder?
Kramer: Warum nicht?
Kassel: Weil sie vielleicht, um es mal sehr simpel auszudrücken, technisch irgendwann mal out sind und ich das nächste Modell brauche?
Kramer: Ich meine, RFID gibt es ja in der Form seit, ich weiß jetzt nicht, 30, 40 Jahren. Da hat sich ja grundsätzlich an der Technologie nichts geändert, und so ein Körper hat ja sehr viel Platz für sehr viele Implantate. Ein Freund von mir hat, glaube ich, 14 Stück. Also da ist reichlich Platz. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum man sie wieder rausnehmen sollte, und nö, eigentlich können sie drin bleiben.

"Eine Ortung ist nicht möglich"

Kassel: Ich habe ganz einfache Bedenken. Machen wir es mal hintereinander. Nehmen wir mal was Harmloses. Nehmen wir Ihr Beispiel, Sie tun es ja selber: Ersatz des Haustürschlüssels oder überhaupt des Schlüssels für verschiedene Eingänge. Nun ist es natürlich so, Sie müssen weder einen Schlüssel mitnehmen noch müssen Sie sich einen Zahlencode merken oder ähnliches tun. Problem ist aber, Sie können auch, wenn das Ding nicht funktioniert, ja eigentlich nichts machen. Dann kommen Sie nicht mehr rein.
Kramer: Doch, dann gibt es ein spezielles Werkzeug, was man außerhalb des Hauses lagert, und das hole ich mir dann und kann damit das Schloss abbauen, aber das kommt eigentlich in der Regel nicht vor.
Kassel: Finde ich aber ein bisschen komplizierter als einen Ersatzschlüssel oder eine andere Nummer. Ist aber auch noch der harmlosere Fall.
Kramer: Na ja, aber ganz kurz nur: Stehe ich hier und habe meinen Schlüssel verloren, brauche ich einen Schlüsseldienst für 150 Euro, und so gehe ich vielleicht einmal zu meinem Nachbarn und sage, gib mir mal eben meinen speziellen Schraubenschlüssel raus, und dann bin ich fünf Minuten später auch in meinem Haus. Also dann nehme ich lieber den Weg mit den fünf Minuten.
Kassel: Gut, aber was mich viel nachdenklicher macht bei RFID-Chips, ist, dass Sie sie ja, solange Sie sie sich nicht von der Hand wegreißen, nicht ausschalten können. Also man ist – das wissen wir alle – auch problemlos über das eigene Mobiltelefon ortbar. Bei den Modernen nützt es auch – weder was ist auszuschalten – bei manchen nicht mal mehr die SIM-Karte rauszunehmen. Ich kann es aber einfach zu Hause liegen lassen, wenn ich zu meiner außerehelichen Affäre zum Beispiel gehe, aber mit Ihrem Chip sind Sie jederzeit ortbar.
Kramer: Nein. Das hat mit Ortung überhaupt gar nichts zu tun. Ortung funktioniert über GPS bei unseren Handys. Dafür brauche ich eine starke Batterie. Implantate haben ja keine Batterie – haben Sie ja anfangs gesagt. Die sind rein passiv. Das heißt, die können nur dann überhaupt arbeiten, wenn ich sie direkt vor ein Lesegerät halte, und direkt heißt hier in diesem Fall, na ja, Abstand ein bis zwei Millimeter. Also das ist ein Ammenmärchen, dass man damit irgendwie getrackt werden kann. Mit jedem Smartphone kann man das, aber nicht mit Implantaten.

Der Chip als Mitarbeiterausweis

Kassel: Glauben Sie denn, dass es Branchen geben kann, geben wird, wo es dann doch –arbeitsrechtlich ist das schwierig, aber man kann es ja indirekt hinkriegen –, wo es doch heißt, ohne so einen implantierten Chip kann man in der Branche nicht mehr arbeiten. Also einfachster Fall, wenn eine Firma, wo es heißt, ohne so einen Chip kommst du gar nicht rein.
Kramer: Kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen. Es macht vieles einfacher sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Firmen. Letztendlich hat jeder von uns, der irgendwie arbeitet, einen Mitarbeiterausweis. Ist alles die gleiche Technik. Die einen haben es am Gürtel geklemmt, und der andere hat es eben unter der Haut und vergisst es nicht mehr. So muss man sich das vorstellen. Da ist also überhaupt kein Unterschied, und ich kann den ja auch jederzeit wieder rausnehmen, wenn ich das nicht mehr möchte, aber eigentlich, wie gesagt, gibt es keinen Grund, den rauszunehmen.
Kassel: Aber wenn jetzt wirklich jemand zu Ihnen sagt, in so einem Gespräch, in einer Diskussion, die ja im Moment noch überwiegend theoretisch verläuft, ich möchte das einfach nicht, für mich ist es ein grundsätzlicher, einfach aus dem Bauch, ich kann es nicht erklären, aber es ist ein grundsätzlicher Unterschied, ob ich ein technisches Gerät am Gürtel habe, in der Hosentasche, in der Hand, im Ohr stecken meinetwegen auch, oder unter der Haut. Unter der Haut will ich einfach nicht, da wird für mich einfach eine Grenze überschritten, die ich persönlich nicht überschreiten möchte. Haben Sie dafür irgendeine Form von Verständnis?
Kramer: Hundertprozentig, absolut. So ein Implantat ist was sehr Persönliches, etwas sehr Intimes, und es geht auch niemanden was an, ob ich das habe oder nicht. Das muss jeder wirklich für sich selber wissen. Ich kann nur aus meiner Erfahrung sagen, dass ich das nicht mehr missen möchte, weil es einfach ein Stück Lebensqualität ist, aber wenn das jemand nicht möchte, ja dann natürlich nicht. Um Gottes Willen. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen … Ich meine, jeder hat ja ein Recht auf die Unversehrtheit seines Körpers, und kein Arbeitgeber dieser Welt wird sagen, du musst das jetzt aber machen. Das wäre für mich einfach ein völlig indiskutabler Arbeitgeber.
Kassel: Sagt Patrick Kramer, der Chef der Firma Digiwell, die solche Chips, die man sich interple… "interpletieren", Quatsch – ist ein schöner Freudscher – implantieren lassen kann, herstellt, und er selber trägt auch zwei davon. Herr Kramer, vielen Dank für das Gespräch!
Kramer: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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