Slowenien

Wirtschaftsfaktor Kultur

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Die Stadtsilouette von Maribor mit der Drau im Vordergrund © Rupert Waldmüller für Deutschlandradio
Von Rupert Waldmüller  · 15.05.2014
Zwar haben Reiseagenturen die zweitgrößte slowenische Stadt auf die touristische Landkarte gesetzt. Doch einige Infrastrukturprojekte – wie das Kulturzentrum – konnten nicht realisiert werden. Die Gründe: Korruption und Finanzkrise.
TomažDietinger öffnet das Tor an dem großen grünen Gebäude mit seiner schmucken Barockfassade inmitten der Fußgängerzone von Maribor. Hinter dem schweren Tor tut sich ein heller und offensichtlich erst kürzlich sanierter Innenhof auf.
"So, also wir sind jetzt hier am Viktringer Hof. Der Viktringer Hof wurde jetzt auch während der gesamten Vorbereitungszeit für die Kulturhauptstadt neu renoviert. Wir haben hier eine tolle Ausstellungsstätte, sehr gut gemacht. Und auch der Sitz des öffentlichen Amtes, das für die Veranstaltung zuständig war, war hier in diesem Haus."
Als Stadtführer kennt TomažDietinger Maribor wie seine Westentasche. 2012 war die slowenische Stadt an der Drau zusammen mit mehreren umliegenden Gemeinden europäische Kulturhauptstadt. Auch zwei Jahre danach stößt man in der Innenstadt tatsächlich noch vereinzelt auf Spuren des großen Events. Meistens ist es jedoch nur das Kulturhauptstadt-Logo mit seinen sechs bunten Kreisen, das noch irgendwo prangt.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Alte Seilbahngondeln in der Innenstadt dienten als Litfaßsäulen in der Zeit der Kulturhauptstadt. Auch heute sind sie noch in der Stadt zu finden.© Rupert Waldmüller für Deutschlandradio
Ein Jahr lang in aller Munde
"Man sieht immer noch Erinnerungen daran. Das gibt es in verschiedenen Plätzen, Auslagen, bei den verschiedenen Sehenswürdigkeiten ist also immer noch die Kulturhauptstadt präsent. Sicherlich bei allen Gästen, die ich antreffe. Diese kennen Maribor schon, weil es die Kulturhauptstadt war."
Europaweit war Maribor als Kulturhauptstadt für ein Jahr in aller Munde - bis heute ein wichtiger Effekt für die zwar zweitgrößte aber international relativ unbekannte Stadt in Slowenien.
"Alle kommen schon daher mit diesem Vorwissen zu uns. Und das ist natürlich dann auch schön für uns zu wissen, dass jetzt Maribor nicht nur ein unbeschriebenes Blatt ist. Oder – Gott bewahre – dass jemand noch denken würde: Ist das jetzt die Slowakei oder Slowenien. Was wir vor 15 Jahren immer wieder noch hatten."
Der Marketing-Effekt für Maribor - das war wohl der größte Vorteil, den das Projekt Kulturhauptstadt gebracht hat, sagt auch Tourismusdirektorin Janja Viher. Mit mehr als 5.000 kulturellen Veranstaltungen in nur einem Jahr sorgte die Stadt für Aufsehen.
"In den letzten zwei Jahren hatten wir viele Journalisten hier – ungefähr 300. Und das sehr gut für uns als Tourismusdestination . Weil alles, was man auf Messen oder Ähnlichem macht, hat nie einen so guten Effekt wie die direkte Information aus Zeitungen und so weiter."
Tatsächlich kamen 2012 mit einem Schlag 50 Prozent mehr Touristen in die Stadt. Und auch heute noch ist der Besucherstrom größer als in den Jahren vor 2012. Allerdings wurden die sehr großen touristischen Erwartungen, die man zuvor in das Projekt Kulturhauptstadt gesteckt hatte, leider enttäuscht.
"Nein, ich glaube, dass sie nicht erfüllt wurden. Aber die Leute wissen jetzt, was wir machen können in unserer Stadt. Und jetzt haben wir die Möglichkeit, in Zukunft besser zu sein. Das ist – glaube ich – wichtiger."
Keine nachhaltigen Impulse?
Vieles war in Maribor geplant, wenig wurde umgesetzt. Boris Vezjak, Philosophie-Professor an der Uni Maribor und gleichzeitig der schärfste Kritiker des Kulturhauptstadt-Projekts, vermisst nachhaltige Impulse für seine Stadt.
"Wenn man an Nachhaltigkeit denkt, da würde man sich doch mehr erwarten. So was wie ein kulturelles Aufblühen oder zusätzliche Kulturveranstaltungen – aber so was können wir hier nicht sehen."
40 bis 50 Millionen Euro waren anfangs für das Projekt Kulturhauptstadt in Maribor veranschlagt - das meiste Geld von Land und Kommunen. Doch dann traf die Finanzkrise das Land mit Wucht, die Hälfte der Mittel wurde gestrichen. Von dem verbleibenden Geld sei vieles aber auch in dunkle Kanäle geflossen, behauptet der Kulturhauptstadt-Kritiker Boris Vezjak. Und gibt dem inzwischen zurückgetretenen Bürgermeister Franz Kangler dafür die Schuld.
"Wir reden hier von über 25 Millionen Euro, die für dieses Projekt veranschlagt waren, und wir reden darüber, dass man das Geld an seine Freunde weitergibt oder irgendwelche Kreise, die mit einem verbunden sind. Das Projekt Kulturhauptstadt Europas hatte viel mit dieser Korruptionsaffäre zu tun."
Nutzen lässt sich nur schwer messen
Unabhängig von den Korruptionsvorwürfen und der Kritik an fehlenden großen Infrastrukturprojekten - wie viel die Kulturhauptstadt Maribor tatsächlich gebracht hat, das lässt sich nur schwer sagen. Besonders weil im kulturellen Bereich nach dem Wegfall des Kulturhauptstadt-Bonus auch in Maribor rigoros gekürzt wurde. Etwa beim Festival Maribor, das Brigita Pavlic leitet.
"Cuts gab es nach 2012 unheimlich. Bei uns zum Beispiel 60 Prozent. Und viele andere Veranstalter mussten sich ebenso einschränken. Deswegen ist das jetzt schwierig zu messen. Es hat hundertprozentig ein Echo. Doch inwiefern - mitten in der wirtschaftlichen Krise kann man das noch nicht beurteilen."
Für ihr Festival mit einer Mischung aus klassischer Musik, Jazz und Weltmusik hatte das Kulturhauptstadtjahr definitiv einen positiven Effekt. Das Interesse an der Veranstaltung sei international deutlich gestiegen. Und davon profitiert nach Ansicht von Brigita Paulic sicher auch die ganze Stadt:
"60 Prozent des Publikums sind ausländische Gäste, die gerade wegen des Festivals nach Maribor kommen. Und hier – sagen wir – mindestens eine Woche wohnen. Und das bringt auch der Stadt ziemlich viel, weil die Leute gehen zu den Konzerten, aber sie gehen auch zum Wellness, sie gehen Golf spielen, sie gehen zum Friseur, sie kaufen ein, Restaurants sind voll von ausländischen Gästen – also das bringt schon was."
Bei den Kulturschaffenden in Maribor hat das Projekt auch den Blick über die Grenzen hinaus geschärft und vielen einen Anstoß für eine europaweite Zusammenarbeit gegeben, glaubt Brigita Pavlic. Wegen der Wirtschaftskrise bleibt dieser ideelle Effekt aber vor allem beschränkt auf die, die an dem Projekt Kulturhauptstadt direkt beteiligt waren.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Der Leon-Stukelj-Platz wurde im Rahmen der Kulturhauptstadt 2012 neu gestaltet© Rupert Waldmüller für Deutschlandradio
"Was die ganz normale Bevölkerung angeht, ich glaube, die haben momentan andere Probleme. Bei uns gibt es mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit, die Leute sind sehr, sehr unzufrieden. Und die Wut wird eben ausgelassen auf alles. Ich glaube nicht, dass das Hauptthema ist bei uns zur Zeit. Europa, oder was es gebracht hat."
Es kommen mehr Gäste
Es sind deshalb auch vor allem die Kulturschaffenden und die Touristiker, die einen nachhaltigen Effekt für Maribor durch das Kulturhauptstadtjahr sehen. Das Hotel zum Beispiel, in dem Tatajana Osmanagic arbeitet, profitiert auch heute noch: Es kommen mehr Gäste, sie bleiben länger und die Reiseagenturen haben Maribor auch für Gruppenreisen ins Programm genommen, sagt die Salesmanagerin.
"Die Kulturhauptstadt war ein tolles Erlebnis und auch für die Wirtschaft in unserer Stadt. Wir sind die zweitgrößte Stadt in Slowenien, aber die wirtschaftliche Situation nach dem Zerfall Jugoslawiens war sehr schlecht. Und deshalb brauchten wir irgendetwas. Und die Europäische Kulturhauptstadt war wirklich eine gute Gelegenheit, dass die anderen uns überhaupt wahrnehmen."
Wenn auch keiner den tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzen der Kulturhauptstadt für Maribor beziffern kann oder will - eines ist für Stadtführer Tomaž Dietinger auf jeden Fall geblieben: Ein Imagegewinn für die Region und ein gestärktes Selbstbewusstsein für die sonst so oft unterschätzten Mariborianer.
"Die Kulturhauptstadt hat sicher auch in diesem Teil Sloweniens deshalb beigetragen, weil jetzt nicht alles so zentriert Ljubljana war. Ljubljana war ja als Zentrum, als Hauptstadt in verschiedenen Projekten, in verschiedenen internationalen Sachen schon dabei. Ist internationaler – das müssen wir jetzt auch ehrlich zugeben. Aber damit haben wir jetzt auch die Möglichkeit gehabt, dass jetzt auch etwas mehr in Maribor passiert. Und ich denke, dass trägt auch zum Bewusstsein der Region bei."
Mehr zum Thema