Slowenien

Druck auf Kultur und Medien

10:26 Minuten
Zwei Menschen tragen Masken mit Ministerpräsident Janez Janša und dem Wirtschaftsminister Zdravko Pocivalsekâ. Sie wiederum halten kleine Figuren an Stöcken, es sind die anderen Mitglieder des slowenischen Parlaments.
Im Februar gab es in der Hauptstadt Ljubljana Proteste gegen die slowenische Regierung. © SOPA Images / ZUMA Wire / Luka Dakskobler
Anja Golob im Gespräch mit Joachim Scholl · 20.04.2021
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Die rechtsgerichtete slowenische Regierung hat die Führungskräfte vieler Kulturinstitutionen ausgetauscht. Die slowenische Lyrikerin und Kolumnistin Anja Golob sieht die Gefahr einer nationalistischen Entwicklung wie in Ungarn unter Orbán.
Slowenien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse 2022. Doch die gute Stimmung, die diese Nachricht ausgelöst hatte, ist verflogen: Die langjährige Buchkultur-Beauftragte Renata Zamida, die den Auftritt betreut hat, wurde kurzerhand ihres Amtes enthoben.
Wie ihr erging es in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreichen kulturellen Führungskräften quer durch die Institutionen in Slowenien. Die rechtsgerichtete Regierung unter ihrem Ministerpräsidenten Janez Janša fährt diesen harten kulturpolitischen Kurs. Renata Zamida sagte nach ihrer so plötzlichen Entlassung, es finde ein regelrechter "Kulturkampf" statt.
Man könne das so sagen, erklärt die slowenische Schriftstellerin und Lyrikerin Anja Golob. Der Begriff "Kulturpolitik" und dessen Bedeutung hätten sich im vergangenen Jahr sehr verändert. "Das Kulturministerium unter dem aktuellen Minister handelt, als ob es gegen Kultur und nicht für Kultur wäre."
Renata Zamida sei ein gutes Beispiel dafür, wie es zurzeit in Slowenien läuft. Sie sei die sehr erfolgreiche Chefin der slowenischen Buchagentur gewesen. Die Agentur kümmert sich etwa um die Literaturförderung. Wegen "kleinerer Interessen von Personen oder Cliquen" sei sie einfach ausgetauscht worden, so Golob. "Es war egal, was sie erreicht hat." Das Kulturministerium habe dabei einfach zugeschaut.

Werbung statt kritischer Kolumne

Renata Zamida warnte, Slowenien könnte zu einem "kleinen Ungarn" werden. Dort ist die Entwicklung hin zu einer nationalistischen Kultur bis in die Schullektüre zu spüren: Kritische Autoren wie Imre Kertész oder Péter Esterházy kommen nicht mehr vor.
Anja Golob sagt, sie hoffe, dass es nicht auch in Slowenien in diese Richtung gehe. "Aber ich denke, ich bin naiv", schränkt sie selbst ein. "Man kann Zensur schon deutlich sehen." In der Tageszeitung "Delo" sei der Text eines sehr bekannten Journalisten und Kolumnisten, der kritisch gegenüber dem Ministerpräsidenten und der Regierung war, zensiert worden. Der Druck sei gestoppt worden und die Zeitung dann stattdessen mit einer ganzseitigen Werbeanzeige der Zeitung erschienen. Das habe viel Aufruhr zur Folge gehabt. Golob prognostiziert, diese Zensur werde auch in anderen Bereichen sichtbar werden. Hinzu komme, dass der slowenische Ministerpräsident etwa mit dem ungarischen Premier Viktor Orbán "sehr gut befreundet" zu sein scheine.

Zweifel an Vorbereitung des Buchmesse-Auftritts

Es gab bereits Proteste gegen die Regierung in Slowenien. Alle sollten "versuchen, laut zu bleiben, so gut, wie es geht", sagt Golob. Aber die Befürchtungen der Menschen seien spürbar. "Wir leben in einer Situation von Angst." In den vergangenen 30 Jahren der slowenischen Unabhängigkeit habe sie selbst noch nie so viel Angst vor der Regierung empfunden wie jetzt, sagt die 44-Jährige.
Die Entwicklungen wirkten sich auch auf die Vorbereitung des Gastauftritts auf der Frankfurter Buchmesse aus. Sie selbst sei eine der Schriftstellerinnen, die infrage kommen könnten, in Frankfurt mit dabei zu sein. Als Renata Zamida und ihr Team für die Vorbereitung verantwortlich gewesen seien, habe sie keine Gründe gehabt zu zweifeln, sagt Golob. "Es gab eine Logik dahinter." Jetzt sei sie sich nicht mehr so sicher darüber, wie die Dinge liefen.
(abr)
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