Slogan der Studentenbewegung

"Das war schon eine geniale Idee"

Am 9. November 1967 störten die Studenten Detlev Albers und Gert Hinnerk Behmler mit ihren Kommilitonen im Audimax der Hamburger Universität die traditionelle Rektoratsübergabe zu Beginn des Semesters.
Am 9. November 1967 störten die Studenten Detlev Albers und Gert Hinnerk Behmler mit ihren Kommilitonen im Audimax der Hamburger Universität die traditionelle Rektoratsübergabe zu Beginn des Semesters. © dpa / picture alliance
Knut Nevermann im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 09.11.2017
"Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren!" – vor 50 Jahren wurde dieser Spruch zum Slogan der Studentenbewegung. Das sei eine "geniale" Aktion gewesen, sagt Knut Nevermann und glaubt, ein vergleichbarer Protest sei heute nicht mehr möglich.
Die Szene mit Detlev Albers und Gert Hinnerk Behmler, die das Transparent hielten, sei großartig gewesen, erinnert sich Knut Nevermann. Antiautoritär und politisch zugleich. Die Aktion habe auf das generelle "Beschweigen des Nationalsozialismus" hingewiesen. "Ich glaube nach wie vor, das ist eine gute Parole gewesen", sagte Nevermann. Zugleich räumte er ein, dass ein größeres Interesse an der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit erst später eingesetzt habe durch die NS-Prozesse und den Holocaust-Film im Fernsehen.
Diskussionsveranstaltung am 15.04.1968 (l-r): Heinrich Albertz (ehemaliger Bürgermeister von Berlin), Klaus Meschkat (Vorsitzender des Republikanischen Clubs), Wolfgang Lefevre (SDS), Reiner Wethekam (ASTA der TU), Knut Nevermann (ehemaliger ASTA-Vorsitzender) sowie ganz rechts Harry Ristock (SPD-Stadtrat) und hinter ihm Prof. Ralf Dahrendorf (FDP)
Diskussionsveranstaltung am 15.04.1968 (l-r): Heinrich Albertz (ehemaliger Bürgermeister von Berlin), Klaus Meschkat (Vorsitzender des Republikanischen Clubs), Wolfgang Lefevre (SDS), Reiner Wethekam (ASTA der TU), Knut Nevermann (ehemaliger ASTA-Vorsitze© picture-alliance/ dpa / Chris Hoffmann

Gegen den Mainstream

In der heutigen Situation könne eine derartige Aktion wohl keine vergleichbare Kraft entfalten, glaubt Nevermann. Praktiken des Störens seien heute viel verbreiteter und würden kaum noch eine große Aufmerksamkeit erregen. Das Besondere an der Studentenbewegung sei auch gewesen, dass sie Themen aufgegriffen habe, über die sonst nicht berichtet worden sei. Radio, Fernsehen und Politik hätte sich damals nicht mit dem Leiden in Vietnam oder mit Antiautoritarismus befasst. Insofern sei jede Äußerung der Studentenbewegung als eine Form der Provokation durch das Vertreten einer Minderheitenmeinung wahrgenommen worden. "Wir konnten Themen besetzen gegen den Mainstream, gegen den herrschenden Anti-Kommunismus."

"Wir hatten einfach Recht"

Auch 50 Jahre nach den Protesten könne man feststellen: "Wir hatten einfach Recht." Das sei das Schöne im Rückblick, sagte der ehemalige SPD-Politiker. Heute sei die Situation eine andere. Es gebe zwar genug ungelöste Probleme, doch es gebe eben auch sehr viele unterschiedliche Gruppierungen, die sich damit beschäftigen würden.
Knut Nevermann
Knut Nevermann© Deutschlandradio / Manfred Hilling
Knut Nevermann war einer der führenden Köpfe der Studentenbewegung. 1966 übernahm er mit 22 Jahren den AStA-Vorsitz in Berlin und organisierte das erste Sit-in an der FU Berlin mit. Bei vielen Protestveranstaltungen zählte er zu den Akteuren und Rednern. Nach dem Studium ging Nevermann in die Politik. Er war im Bundeskanzleramt und in der Berliner Senatsverwaltung für Bildung und Wissenschaft tätig.
Mehr zum Thema