Slang in Kenia

Einfacher quatschen mit Sheng

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Jugendliche und Kinder in Kenias Hauptstadt Nairobi - in jedem Teil der Stadt und in jedem Slum wird Sheng anders gesprochen. © picture alliance / dpa
Von Linda Staude · 19.05.2016
Sheng ist die Sprache der Jugendliche in Kenias Großstädten, eine Mischung aus Englisch, Kisuaheli und vielen anderen Sprachen. Sie ist einfach und verändert sich ständig. Manche hoffen, der Slang könnte verfeindete Volksgruppen versöhnen.
Die meisten Leute in Nairobi sprechen Sheng. Und wir verstehen einander. Behauptet Fiona Partimo. Aber eigentlich meint die 16-jährige Schülerin nur ihre Altersgenossen.
Sagt der gebildete Erwachsene zum Beispiel zur Begrüßung auf Kisuaheli höflich Habari yenu, kontern die Jugendlichen in Kenia mit einem flotten Hawayuni. Die vernuschelte Slang-Fassung des englischen How are you? macht Sprachpuristen Bauchschmerzen und heißt frei übersetzt etwa: Wie isset?
"Sheng ist der Slang in den Großstädten Kenias. Das Wort ist zusammengesetzt aus S für Suaheli und eng für Englisch. Aber Sheng entlehnt eine Menge Wörter nicht nur aus diesen beiden Sprachen, sondern auch aus den hiesigen Volkssprachen und den internationalen Sprachen."

Wenige Grammatikregeln

Französisch, arabisch, deutsch – Sheng hat ein bisschen von allem, sagt Kelvin Okoth. Er arbeitet für die Webseite "Go Sheng!". Die Macher werben für die Sprache, sie stellen die wenigen Regeln für die Grammatik zusammen und sie sammeln neue Wörter.
"Es gibt Sätze oder Vokabeln, die sich eingebürgert haben und die man überall findet. Buda zum Beispiel heißt immer Vater. Und Chapaa heißt überall Geld."
Aber das sind die wenigsten. Sheng ändert sich dauernd. Ein angesagter DJ benutzt ein neues Wort, und auf einmal ist das hip. Das alte wird genauso schnell vergessen, wie es in Mode gekommen ist. Wer Pech hat, versteht schon nach ein paar Wochen Ferien im Heimatdorf kein Wort mehr von dem, was Nachbarn und Freunde sagen.
Es gibt das Sheng von Kibera, von Eastleigh, von Buruburu, rappt Jua Cali. Aber wir verstehen uns nicht. In jedem Stadtteil von Nairobi und in jedem Slum wird anders gesprochen. Und alles ist Sheng. Trotzdem ist der Slang leichter als Kisuaheli, sagt die 15-jährige Emily Amani:
"Ich spreche es mit den meisten Leuten in meinem Alter. Das finde ich einfacher."
Ihr Kisuaheli-Lehrer Amos ist davon wenig begeistert. Schließlich sind Kisuaheli und Englisch die beiden offiziellen Amtssprachen in Kenia. Und die sollen seine Schüler auch beherrschen.
"Bei der kenianischen Schulbildung macht Sheng nur Probleme. Das Wichtigste: Die Schüler können die Fragen in Prüfungen nicht richtig beantworten. Wenn sie einen Aufsatz in korrektem Kisuaheli schreiben sollen, kriegen sie gerade mal 100 Wörter zusammen. Die Leistungen in Kisuaheli werden landesweit schlechter."

Kommunikation über die Kulturgrenzen hinweg

Eigentlich ist Sheng schon relativ alt. Es hat sich rund um das Ende der Kolonialzeit entwickelt, als in Kenia die Eisenbahnen gebaut wurden. Die Arbeiter kamen aus allen Teilen des Landes, erklärt Kelvin Okoth:
"Viele von ihnen konnten nur ein bisschen Englisch und Kisuaheli, aber dafür die Muttersprachen ihrer Volksgruppen. Daraus haben sie eine neue Sprache entwickelt, in der sie alle Vokabeln durcheinander verwenden und über alle Kulturen hinweg kommunizieren konnten."
So richtig in Mode ist Sheng allerdings erst in den 80er- und 90er-Jahren gekommen, als Massen von Menschen vom Land nach Nairobi gezogen sind – auf der Suche nach besser bezahlten Jobs. Der Slang wurde zur Geheimsprache der Jugendlichen aus den verschiedenen Volksgruppen.
"Sie benutzen die Sprache, damit die Eltern sie nicht verstehen. Um Dinge zu verbergen, vielleicht üble Dinge. Deshalb finde ich, dass Sheng sich zu weit verbreitet hat."
Sagt Kisuaheli-Lehrer Amos missbilligend. Sehr geheim ist die Sprache heute allerdings nicht mehr. Sheng ist überall: Auf Werbetafeln, im Radio, in politischen Reden. Die Schulbehörde hat sogar schon einmal über Sheng als Schulfach nachgedacht. Aber bisher gibt es einfach zu wenig Regeln, die man lehren könnte. Kelvin Okoth:
"Ich mache jetzt mal eine kühne Vorhersage: In den nächsten 30, 40 Jahren wird es einen richtigen Lehrplan auf Sheng an unseren Schulen geben. Sie haben versucht, die Sprache mit Feuer und Pfeil und Bogen zu töten. Aber sie wird bleiben."

In der Schule verpönt

Im Moment tun die Schulen allerdings immer noch alles, um Sheng draußen zu halten. Selbst auf den Pausenhöfen ist der Slang verpönt, sagt Emily Amani:
"In der Schule müssen wir korrektes Kisuaheli sprechen. Aber draußen wird man richtig süchtig nach Sheng. Und manchmal verstoßen wir auch hier gegen die Schulregeln."
Kelvin Okoth hält es für einen Fehler, dass der Slang verpönt ist. Für ihn sollte Sheng die offizielle Sprache Kenias werden.
"In Kenia leben über 42 Volksgruppen. Und keine ihrer Sprachen kann uns so gut vereinen wie Sheng. Wir betrachten Sheng als das beste Werkzeug für den nationalen Zusammenhalt."
In einem Land, wo Vorurteile und Spannungen zwischen Volksgruppen Alltag sind und wo es blutige Konflikte geben kann wie nach den Wahlen 2007, wäre ein solches Werkzeug der Einheit sicherlich eine gewaltige Hilfe. Immer vorausgesetzt, die Kenianer können ihre Vorliebe für immer neue Wörter vergessen und sich wenigstens auf eine Fassung Sheng einigen.