Skythen im Abseits

06.10.2013
Fußballspieler sind auf dem Konzertpodium eher selten anzutreffen, und auch sonst gehört der Sport nicht unbedingt zu den gängigen Topoi europäischer Kunstmusik. Zu den wenigen Ausnahmen zählt ein recht absurdes Fußball-Ballett aus dem Jahr 1930, zu dem der damals 24-jährige Dmitrij Schostakowitsch die Musik beisteuerte.
Es erzählt die Geschichte einer sowjetischen Fußballmannschaft, die anlässlich der Industrieausstellung "Das Goldene Zeitalter" in den Westen reist und heldenhaft den Verlockungen und Anfeindungen der dekadenten, korrupten und bourgeois-verschwörerischen Gastgeber widersteht. Die Suite, die er schon vor der Ballettpremiere zusammenstellte, bildet den unterhaltsamen Auftakt zu einem Konzertprogramm, das im thematischen Zentrum der Saison 2013/14 steht - mit überaus spannenden Werken aus Russland, die man wenig, deren Schöpfer aber umso besser kennt.

Dabei gibt es alles doppelt: Zwei Komponisten, zwei Suiten, zwei Klavierkonzerte. Jugendwerke sind sie fast alle, durchdrungen vom stürmerischen Geist des Aufbruchs und frecher Unbeschwertheit. Auch Sergei Prokofjew war 24 Jahre alt, als er die Ballettmusik zu "Ala i Lolli" komponierte. Die Eckdaten der Geschichte erinnern ein wenig an "Le sacre du printemps", und der Einschlag, den Strawinskys Jahrhundertwerk zwei Jahre zuvor auf der musikalischen Weltkarte hinterlassen hatte, verfehlte seinen Einfluss auch auf Prokofjew nicht.

Der Kampf zwischen Gut und Böse, Menschen und Göttern, Licht und Finsternis verschmilzt bei ihm zu einer farbenreichen Klanglandschaft, die vortrefflich zwischen überwältigender Orchesterpracht und stiller Zartheit zu changieren vermag. Als Prokofjews Auftraggeber Diaghilew, Impresario der "Ballets russes", die Entwürfe jedoch ablehnte, entstand aus dem Material die "Skythische Suite".

Vier Jahre zuvor, noch wahrend seines Studiums, schuf Prokofjew sein Erstes Klavierkonzert. Die romantischen Vorbilder des 19. Jahrhunderts kann es nicht verhehlen, und doch legt es Zeugnis ab von früher Meisterschaft - kompakt, kühn, ungestüm und hochvirtuos. Kein Frühwerk ist dagegen das klassizistische Zweite Klavierkonzert von Dmitri Schostakowitsch, das dieser 1957 zum 19. Geburtstag seines Sohnes komponierte. Diese Reife schätzt auch DSO-Chefdirigent Tugan Sokhiev.

Als Interpreten beider Werke konnte Sokhiev Boris Berezovsky gewinnen. Der gebürtige Moskauer, der heute in Belgien lebt, gewann im Jahr 1990 den internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb seiner Heimatstadt. Er zählt zu den gefragtesten Pianisten seiner Generation und ist als Kammermusiker und Solist auf den bedeutendsten Bühnen der Welt zuhause. Mit Tugan Sokhiev hat er schon häufig zusammengearbeitet, im Oktober gibt er sein Debut beim DSO. Die beiden Konzerte in Berlin bilden den Auftakt zu einer Gastspielreise nach Bratislava, Zagreb und Udine.
(nach: Maximilian Rauscher, aus: DSO-Nachrichten 09/10 2013)


Live aus der Philharmonie Berlin

Dmitrij Schostakowitsch
Suite "Das goldene Zeitalter"

Sergej Prokofjew
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Des-Dur op. 10

ca. 20:40 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
Debüt mit Schostakowitsch und Prokofjew
Grit Lieder im Gespräch mit dem Pianisten Boris Berezovsky

Dmitrij Schostakowitsch
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 F-Dur op. 102

Sergej Prokofjew
"Skythische Suite" für großes Orchester op. 20


Boris Berezovsky, Klavier
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Tugan Sokhiev