"Skip" von Katharina Hacker

Die Psyche Israels

Die israelische Flagge weht im Wind.
Katharina Hacker, die selbst einige Jahre in Israel gelebt hat, dringt in "Skip" zum Kern Israels vor. © dpa / Jens Kalaene
Von Verena Auffermann · 20.08.2015
Der Roman "Skip der Buchpreisträgerin Katharina Hacker ist ein eindringliches Porträt Israels. In der faszinierend atmosphärisch erzählten Familiengeschichte des jüdischen Architekten Skip Landau spiegelt sich die Psyche des ruhelosen Landes. Es ist ein politisches Manifest und eines der aktuell wichtigsten Bücher.
Katharina Hackers neuer Roman erzählt vom jüdischen Architekten Skip Landau, der in Paris aufgewachsen ist und in Tel Aviv lebt. Dort zieht er mit Shira zwei Söhne auf, deren Vater, sagt Shira, er nicht ist. Skip ist ein liebevoller, nachdenkender Mann und von einem biblisch anmutenden Fluch verfolgt: Er zieht Unglück an, vielleicht löst er es auch aus. Er weiß selbst nicht, weshalb. Ohne Auftrag und Ziel fährt er nach Paris, dort angekommen, geschieht ein Zugunglück. Irgendetwas zwingt ihn, nach Amsterdam zu reisen, ein Flugzeugunglück passiert.
Katharina Hacker findet mit dem ersten Satz in "Skip'" einen vehement lapidaren und vereinnahmenden Ton für den Ich-Erzähler und seine anregenden Selbstreflektionen. Skip ist das eine und das andere. Einzelgänger, Familienmensch und Freund. Es geht um das Entscheidende und das Schönste. Denn Skip denkt über nichts Geringeres als über das Leben nach, "ausgebeint und von allen Lächerlichkeiten befreit".
Israelische Geschichte ab Mitte der 90er-Jahre
Skip ist in seiner Gespaltenheit und Ambivalenz eine der interessantesten Romanfiguren der jüngeren deutschen Literatur. Über ihn erzählt Katharina Hacker, die selbst in Israel studiert und dort einige Jahre gelebt hat, israelische Geschichte von Mitte der 90er-Jahre bis weit in die Gegenwart. Als Architekt arbeitet Skip mit Palästinensern, hat unter ihnen Freunde, renoviert ein Haus in Jaffa. Skip erlebt jeden Anschlag auf einen Bus, ein Haus, eine Straßenkreuzung mit der Leidensfähigkeit dessen, der Angst davor hat, seine eigenen Kinder zu verlieren.
Die Stadt Tel Aviv, das Land Israel, die Politik, damals schon einmal unter dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, und seine Bewohner werden in dem Roman eindringlich porträtiert. In der Figur Skips spiegelt sich die Psyche des vielfach verletzten, ruhelosen, unerlösten und idiosynkratischen Landes.
Vordringen in den Kern Israels
Erzählt wird in diesem faszinierenden, atmosphärisch von der ersten Seite sicher durchgehaltenen und bildhaften Roman Skips Familiengeschichte, das Aufwachsen der Söhne, die tödliche Krankheit von Shila, ihr undramatisches Entschwinden, das von der alles bestimmenden alltäglichen Dramatik abweicht. Es ist eine Erzählung über die Liebe eines Vaters zu seinen Söhnen, ihre Flucht aus seinem Einfluss, ihr Weggehen nach England zum Studium und Skips Neuanfang in Berlin, geliebt und beschützt von einer viel jüngeren Frau. Katharina Hacker, die Buchpreisträgerin des Jahres 2006, hatte schon im Roman "Habenichtse" ihren Blick auf die Psyche von Kindern gerichtet. Jetzt erzählt sie von den drängenden Fragen nach dem möglichen Wissen des einen vom anderen und gönnt sich und den Lesern ein gutes Ende.
"Skip" ist ein politisches Buch, es dringt vor in den Kern Israels. Zeitgeschichte verbindet sich mit persönlicher Geschichte und spiegelt die mörderische Gegenwart. Der Roman "Skip" ist ein politisches Manifest und Aufklärung für Sinne und Verstand. Ohne Zweifel eines der wichtigsten Bücher des Herbstes.

Katharina Hacker: "Skip". Roman.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2015
365 Seiten, 21,99 Euro

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