Sir Roger Norrington beim DSO

09.12.2012
Seit vielen Jahren ist Sir Roger Norrington ein gerngesehener Gast am Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Er sorgte seit den 80er Jahren mit seinen London Classical Players für Furore, als er Herangehensweise und Klangkultur der historischen Aufführungspraxis auf die Musik des 19. Jahrhunderts anwandte. Als Chefdirigent des RSO Stuttgart kultivierte er den vibratofreien "Stuttgart Sound". Am 9. Dezember leitet er das erste Konzert einer Reihe, die den Symphonien Ralph Vaughan Williams’ gewidmet ist.
M.R.: Unter den zahlreichen Werken, die Sie in den vergangenen 17 Jahren mit dem DSO aufgeführt haben, befanden sich auch Kompositionen von Ralph Vaughan Williams. Im Dezember leiten Sie nun das erste Konzert eines mehrjährigen Zyklus mit seinen Symphonien. Im deutschen Konzertleben sind sie eher selten zu fi nden. Was dürfen die Zuhörer erwarten?
S.R.: Phantastische Musik! Ich habe seine ersten sechs Symphonien in Stuttgart aufgeführt, und das Publikum war begeistert. Vaughan Williams hat einen Platz unter den wichtigsten Symphonikern des 20. Jahrhunderts verdient. Er ist viel englischer als Elgar.

M.R.: Was ist das englische an seiner Musik?
S.R.: Er wollte sich möglichst wenig von kontinentaler und besonders deutscher Musik beeinflussen lassen. Er war der Überzeugung, Musik sei dann am besten, wenn sie einen Bezug zu ihrem Entstehungsland habe - wie die tschechische, französische, italienische oder deutsche Musik. Was Vaughan Williams’ Musik englisch macht, sind wunderbar lyrische Volkslieder. Als junger Mann hat er sie gesammelt. Er hat seine Symphonie geschrieben, wie sie ein englischer Schäfer geschrieben haben könnte - eine phantastische Idee. (lacht) Tatsächlich hat er dabei gar keine echten Volkslieder verwendet, sondern Melodien in ihrem Geist komponiert. Das ist sehr englisch....

M.R.: Sie beginnen mit seiner Zweiten Symphonie, der "Londoner". Er selbst sagte einmal, falls die Zuhörer glaubten, den Glockenschlag von big ben oder die Melodie des "Lavender Cry" darin zu erkennen, so sei das keinesfalls beabsichtigt. Dürfen wir ihm das glauben?
S.R.: Nein! Alle Komponisten hatten diese programmatischen Bedenken.... Vaughan Williams befürchtete, dass sein sehr emotionales Werk als Programmmusik nicht ernstgenommen würde. Zur selben Zeit spazierte Strawinsky herum und verkündete, Musik sei etwas Abstraktes. Das ist Unsinn. Musik steht immer für etwas: für Herz, Landschaften, Klang. Alle Symphonien von Ralph Vaughan Williams sind in irgendeiner Weise programmatisch - wie jeder einzelne Takt bei Mahler. Und "A London Symphony" ist ganz klar von London inspiriert. Man hört die erwachende Stadt, das Brausen der Fabriken, die Musik im Park, das Klackern der Karren auf den Straßen. Don’t be stupid, Ralph, it’s programmatic! (lacht)
(aus: "Musik darf Spaß machen", DSO-Nachrichten 11/12/2012, Maximilian Rauscher im Gespräch mit Sir Roger Norrington) dso-berlin


Live aus der Philharmonie Berlin


Henry Purcell
Suite aus "The Fairy Queen"

Joseph Haydn
Sinfonie Nr. 101 D-Dur ("Die Uhr")

ca. 21:00 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
"Worauf es ankommt" -
Dirigierworkshop mit DSO-Chefdirigent Tugan Sokhiev
Von Julia Kaiser
"Vom Hören und Sehen" -
Uwe Friedrich im Gespräch mit Roger Norrington

Ralph Vaughan Williams
Symphonie Nr. 2 G-Dur ("A London Symphony")


Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Sir Roger Norrington