Sinus-Jugendstudie

„Ganz unterschiedliche jugendliche Milieus"

06:08 Minuten
Im Vordergrund kniet eine Jugendliche auf der Wiese vor dem Reichstag. Sie legt ein Plakat aus. Um sie herum liegen tausende Plakate mit Aufschriften wie "Act now".
Für die Sinus-Jugendstudie wurden 72 Teenager befragt. Ihre Aussagen zeigen: Sie bevorzugen soziale Einbindung vor Egoismen. © imago images / Christian Mang
Bernhard Pörksen im Gespräch mit Alexander Moritz · 23.07.2020
Audio herunterladen
Die 14- bis 17-Jährigen beklagen einen "fehlenden Zusammenhalt in der Gesellschaft" - dies ist ein Ergebnis der Sinus-Jugendstudie. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen erkennt ähnliche Entwicklungen in der gesamten Gesellschaft.
Wie leben und erleben die 14- bis 17-Jährigen ihren Alltag? An welchen Werten orientieren sie sich? Das untersucht alle vier Jahre die Sinus-Jugendstudie.
Die Untersuchung ist nicht repräsentativ, weil insgesamt nur 72 Jugendliche befragt wurden. Die langen und persönlichen Interviews erlauben den Forschern aber einen Einblick in das Denken der Teenager.

Befragten ist Gesundheit und soziale Einbindung wichtig

Bodenständiger, gemäßigter und problembewusster als bisher äußerten sich demnach die befragen Mädchen und Jungen. Studienleiter Marc Calmbach spricht von einer "neuen Ernsthaftigkeit" der jungen Generation.
"Die negativen Folgen der Individualisierung treten stärker ins Bewusstsein", sagt Calmbach. Beklagt werde eine "Jeder-für-sich-Mentalität" und ein "fehlender Zusammenhalt in der Gesellschaft". Es gehe immer weniger darum, "sein eigenes Ding zu machen und erfolgreich zu sein" - eher um Wohlbefinden, Gesundheit, Balance und soziale Einbindung.
Die Jugendlichen haben nach Aussage der Wissenschaftler zudem Angst vor zunehmender Polarisierung, Hass und Aggression, die insbesondere bildungsferne Jugendliche in ihren Lebenswelten oft erleben. Gute, abgesicherte Lebensverhältnisse seien wichtiger als Status, Erfolg und Aufstieg.

Egozentrismus funktioniert nicht in der Pandemie

Diese Verschiebung passe zu einer allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, meint dazu unser Studiogast, der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen.
"Wir haben eine gigantische Welt-Virus-Krise, und wir sehen, dass gewissermaßen der Egozentrismus in dieser Pandemie nicht funktioniert, sondern dass wir eine solidarische Kooperation brauchen von einzelnen Menschen, aber auch von ganzen Staaten und Nationen, um diese Pandemie zu bewältigen", sagt er.

Pörksen schaut aber auch kritisch auf die Ausrichtung der Studie. Man müsse anerkennen, dass es "die Jugend" so gar nicht mehr gebe, sagt Pörken und spricht von einer "Gleichzeitigkeit des Verschiedenen" auch in den Milieus der Jugendlichen. Pauschale Trendbehauptungen kämen nicht mehr zum Tragen. Stattdessen gebe es ganz unterschiedliche jugendliche Milieus und jugendliche Lebensmodelle.
(huc)
Mehr zum Thema