Sinnvolle Straßenbeleuchtung

Von wegen LED-Leuchten

07:27 Minuten
Eine leuchtende LED-Lampe.
Wie hier in Bayern wird vielerorts die Straßenbeleuchtung auf LED-Lampen umgerüstet. Aber nicht alle Städte und Kommunen ziehen mit. Warum? © imago images / MiS
Von Stefan May · 11.10.2021
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Immer mehr Straßenlaternen werden mit LED-Leuchten umgerüstet, doch es gibt auch Städte und Kommunen, die haben immer noch ihre jahrzehntealte Technik. Das hat nicht nur mit Kostengründen zu tun, wie man schön in Berlin erleben kann.
Ein Leitfaden des deutschen Bundesamts für Naturschutz führt Kostengründe an, warum es für den öffentlichen Raum Gasentladungslampen mit stufenweiser Nachtabsenkung empfiehlt. Keine Renaissance also, eher eine Notlösung. Das bestätigt Stephan Völker, Fachgebietsleiter Lichttechnik an der Technischen Universität Berlin.
"Die Produktionsanlagen sind abgeschrieben für die NAV-Lampen. Und das heißt, diese Lampen können für sehr geringes Geld auf den Markt geworfen werden. Und natürlich, wenn so eine Lampe beispielsweise nur fünf Euro kostet, verglichen mit einer LED-Leuchte, die dann doch sehr viel mehr Geld kostet, sagen viele Kommunen, na bevor ich jetzt meine Leuchten umrüste, da lege ich mir lieber noch mal 100 von diesen NAV-Lampen hin, da kann ich für die nächsten 25 Jahre mein Licht damit betreiben, und dann ist das natürlich aus Kämmerersicht durchaus auch nachvollziehbar."

Dabei war NAV lange Zeit sehr beliebt für die Erhellung des öffentlichen Raums. Betrachtet man Satellitenbilder des nächtlich beleuchteten Berlins, lässt sich die einstige Teilung der Stadt weiterhin exakt erkennen: Der Ostteil zeigt sich in warmem Gelb, der Westteil in Glänzendweiß. Tatsächlich hat es einen historischen Grund, dass die deutsche Hauptstadt beleuchtungstechnisch noch immer nicht zusammengewachsen ist, sagt Stephan Völker von der TU Berlin.
"Dass nämlich im Osten der Stadt mit der Energiekrise ganz konsequent gesagt wurde, wir müssen auf effizientere Lichtquellen umstellen. Und man hat quasi die alten Quecksilberdampflampen, Leuchtstofflampen alle ersetzt durch Natriumdampflampen. Und deswegen, wenn man jetzt heute die Karte von Berlin sieht, sieht man sehr schön: Im Ostteil alles Natriumdampf, und im Westteil, dort ist das eben nicht passiert."

Viele Menschen finden Gasleuchten toll

Dort hat sich nach den Worten von Professor Völker ein riesiges Museum an Gasleuchten erhalten, das wirtschaftlich nicht mehr vertretbar sei. Vor zwölf Jahren sollen es noch 44.000 Stück gewesen sein. Und es gibt sie heute noch, wenngleich sie nun von Gas auf Strom umgestellt sind.
"Lichttechnisch gesehen ist das der Stand von vor 100 Jahren: Weil wir haben helle Flecken unter den Leuchten. Zwischen den Leuchten sehen Sie häufig gar nichts auf dem Fußweg, selbst wenn also gepflastert ist, kleine Steine kommen nach oben, Sie stolpern dort. Also für mich: Lichttechnische Qualität hat das nicht. Wenn aber die Bürger sagen, das finden sie toll – bitte sehr, solange die Geschwindigkeit stimmt."
Die dürfte aber bei solchen Lichtverhältnissen nicht über 30 Stundenkilometern liegen, sagt der Wissenschaftler.
"Berlin gilt als die dunkelste Großstadt der Welt."
Demgegenüber wird Wien als vorbildlich ausgeleuchtete Stadt geschätzt. Außerdem sagt Gerald Wötzl von der zuständigen Wiener Magistratsabteilung, die sich offiziell "Wien leuchtet" nennt:
"Ich denke, dass wir zumindest im deutschsprachigen Raum bezogen auf die LED-Umstellung sicherlich eine Großstadt sind, die sehr weit vorne ist. Uns ist keine Stadt bekannt, die eine vergleichbare Anzahl an LED-Leuchten im Feld sozusagen hat."

Seit mehreren Jahren rüstet die Stadt ihre Straßenbeleuchtung komplett um, derzeit sind 40 Prozent der 150.000 Straßenleuchten auf LED umgestellt. Durch Verwendung dieser Technik können etwas mehr als 60 Prozent Energie eingespart werden. Und auch die Lichtverschmutzung geht, laut Gerald Wötzl von Wien leuchtet, zurück.
"Die letzten Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, dass die Lichtglocke in Wien-Zentrum nachgelassen hat oder weniger geworden ist und im Wiener Umland steigt. Es gibt jetzt keine wissenschaftlichen fundierten Erklärungen dafür, aber wir sehen schon, dass unser Tun, die Seilhängeleuchten auf LED umzustellen, sehr dazu beiträgt."
Lichtplanung ist das Metier der Lichtdesignfirma Podpod Design. Im Büro des Wiener Geschwisterpaars Iris und Michael Podgorschek stehen mehrere Auszeichnungen. Alle paar Jahre gewinnen sie den deutschen Lichtdesignpreis. Man soll die Lichtquelle nicht sehen, sagen die Geschwister Podgorschek: Licht dürfe nicht wehtun, nicht blenden. Soeben haben sie die Anstrahlung der Staatsoper und des Volkstheaters in Wien fertiggestellt, Häuser, die aus sich heraus leuchten sollen. Und sie haben die Innenbeleuchtung des Wiener Stephansdoms neu konzipiert.
"Der sich mit dieser Beleuchtung, mit diesem denkmalgeschützten gotischen Raum sehr wandelbar jetzt zeigt, ja. Und das ist so eine Königsdisziplin, kann man sagen: Wie kann man Lichtplanung machen, ohne die Leuchten zu zeigen und nur den Raum fein aus sich leuchten zu lassen, beziehungsweise nicht einmal leuchten, der Raum wird berührt von dem Licht und zeigt sich in dieser Berührung."
Eine leuchtende Straßenlaterne bei Nacht in Berlin-Mitte.
"Berlin gilt als die dunkelste Großstadt der Welt." – Glaubt man bei der Funzel sofort.© imago images / Steinach

Maßnahmen gegen die zunehmende Lichtverschmutzung

Gegen die zunehmende Lichtverschmutzung schlagen die beiden Lichtdesigner vor, Schaufensterbeleuchtungen in der Nacht auszuschalten. Noch eine weitere Gruppe ist sich ihrer Lichtverschmutzung nicht bewusst: die Autofahrer. Während des ersten Corona-Lockdowns sei die Lichtglocke gemessen worden, erzählen die Geschwister Podgorschek.
"Was ist weggefallen? Architekturbeleuchtung wurde nicht ausgeschalten, Straßenbeleuchtung nicht anders – der Verkehr war weg. Und da redet aber keiner drüber eigentlich. Und selbst, wenn man mit dem Flugzeug landet und von oben auf die Straßen schaut, sieht man, wie hell diese Züge sind. – Man sieht die mehr als die beleuchteten Straßen, die befahrenen Straßen."
Es geht aber nicht nur um Menschen. Betroffen sind neben Insekten, die in der Nacht vom Licht angezogen werden, auch Vögel und – Fische. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, an dem Sibylle Schroer arbeitet, liegt direkt am Müggelsee.
"Wir haben in unseren Forschungen festgestellt, dass sich die Wanderungsamplitude der Organismen in Seen verändern kann. Wenn eine Erhellung des Gewässers passiert, können die Prozesse der Nacht, in denen kleinere und Kleinstlebewesen die Dunkelheit der Nacht nutzen, nicht mehr ganz an die Oberfläche kommen, sondern wird unterdrückt genau diese Wanderung, die sonst in 24 Stunden einfach abläuft, dass auch kleinere Fische nach oben kommen, im Schutz der Dunkelheit vor Prädatoren in diesen Gewässerhöhen sich aufhalten, und das kann durch künstliche Beleuchtung und auch durch die Lichtglocken über den Städten reduziert werden."
In einem Projekt ihres Instituts werden Uferbeleuchtungen so abgeschirmt, dass das Licht nur noch auf der Straße zusehen ist und nicht mehr der Leuchtkörper selbst.
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