Sinnentleerte Hölle auf Erden

19.05.2012
Vor 82 Jahren lehnte der ansonsten wagemutige Otto Klemperer das Stück für die fortschrittliche Berliner Krolloper als zu negativ ab. Und bei ihrer Uraufführung am 9. März 1930 im Neuen Theater Leipzig löste die Oper einen der größten Bühnenskandale der Zeit aus. Jetzt im Januar 2012 war "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" erstmals auf der Wiener Staatsopernbühne zu erleben.
Auf der Flucht strandet ein wegen Betrugs und Kuppelei gesuchtes Trio im Niemandsland und beschließt, eine neue Stadt zu gründen, Mahagonny. Ein Ort geplanter Glücksseligkeit für die Enttäuschten aller Kontinente soll es werden. Horden von Glücksrittern kommen, um Geld zu verdienen oder es auszugeben. Bald florieren Bars und Bordelle, doch das Glück lässt auf sich warten. Plötzlich bricht ein Hurrikan die sich breit machende Lethargie auf. Die Stadt lässt er zwar verschont, doch bei den Bewohnern setzt er ungeahnte Triebe frei. Das Motto lautet jetzt: du darfst. Die Vergnügungssucht steigert sich ins Zerstörerische, zwei Männer sterben im Exzess. Alles ist erlaubt, doch das schlimmste Verbrechen ist, kein Geld zu haben. Das wird mit dem Tode bestraft. Die Stadt Mahagonny zerfällt, der vermeintliche Ort eines irdischen Paradieses stellt sich als sinnentleerte Hölle auf Erden heraus.

Die heftigen Diskussionen zwischen Textautor und Komponist über Oper und Antioper sind den zugkräftigen Songs aus "Mahagonny" nicht anzumerken. Auch die mutige Vermischung von ältesten mit neuesten Kompositionstechniken und Musikstilen wie Jazz und Choral, Schlager und Fuge klingt ganz selbstverständlich in Kurt Weills ausgeklügelter Partitur. In ihm, der immer um Direktheit der Aussage rang, hatte Bertolt Brecht den Komponisten gefunden, der seine Vorstellungen von Theater als "moralische Anstalt", seine schonungslose Zeit- und Gesellschaftskritik musikalisch adäquat umzusetzen verstand.


Wiener Staatsoper
Aufzeichnung vom 24.1.12

Kurt Weill
"Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny"
Oper in drei Akten
Libretto: Bertolt Brecht

Leokadja Begbick – Elisabeth Kulman, Mezzosopran
Dreieinigkeitsmoses –Tomasz Konieczny, Bariton
Jenny Smith – Angelika Kirchschlager, Sopran
Jim Mahoney – Christopher Ventris, Tenor
Fatty – Herwig Pecoraro, Tenor
Jack O'Brien – Norbert Ernst, Tenor
Bill – Clemens Unterreiner, Bariton
Joe – Il Hong, Bass
Tobby Higgins – Wolfram Igor Derntl, Tenor
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Leitung: Ingo Metzmacher

nach dem 1. Akt ca. 20:10 Uhr Pause mit Nachrichten