Singer-Songwriter Tamino

Musik als Türöffner

Tamino bei der Verleihung des Anchor 2018 Awards in Hamburg.
Tamino bei der Verleihung des Anchor 2018 Awards in Hamburg. © imago / stock&people
Tamino im Gespräch mit Martin Böttcher · 18.10.2018
Der belgisch-ägyptische Musiker Tamino mischt westlichen Pop mit Sounds aus dem arabischen Raum. Er will die Balance finden zwischen einem nihilistischen Blick auf die Welt und der Romantik des Lebens.
Martin Böttcher: Ihre Stimme ist toll. Wie sind Sie dazu gekommen? Wer hat Ihnen gesagt: Sing so?
Tamino: Keiner. Aber danke. Ich habe schon immer so gesungen. Nie hat mir einer gesagt, wie ich klingen sollte. Glücklicherweise gab es aber immer Leute, die mich und meinen Stil unterstützt haben und mich dadurch weitergebracht haben.
Böttcher: Ihr Großvater war der ägyptische Schauspieler und Sänger Moharam Fouad, genannt "The Voice of the Nile". Ist er eines Ihrer Vorbilder?
Tamino: Na ja, er ist auf jeden Fall ein Künstler, den ich bewundere. Er war mein Großvater, ja, aber ich habe ihn leider nie kennengelernt. Er starb, als ich fünf Jahre alt war. Aber es ist natürlich super, immer noch seine Stimme hören zu können, auf den Aufnahmen, die er gemacht hat. Es gibt viele Künstler, zu denen ich aufschaue. Das heißt aber nicht, dass ich so sein will wie sie. Was meinen Großvater angeht: Da bin ich wie gesagt froh, dass es die Platten mit seiner Stimme gibt.
Böttcher: Auffällig an Ihrer Musik ist ja, das ist westliche Popmusik. Aber auch das, was wir so verallgemeinernd als arabischen Sound bezeichnen. Vielleicht erklären Sie uns das noch mal; Wie kommt das Arabische in Ihre Musik?
Tamino: Als ich klein war, hat mir meine Mutter viel Musik aus dem arabischen Raum vorgespielt, für die ich sofort ein Interesse entwickelt habe. Als ich dann angefangen habe, eigenen Songs zu schreiben, hat sich dieser Sound irgendwie mit reingeschmuggelt. Das ist also auf eine ganz natürlich Weise passiert. Als es dann darum ging, die Songs in einem richtigen Studio aufzunehmen, haben mein Produzent und ich uns dazu entschlossen, das noch ein bisschen stärker zu betonen, indem wir ein paar Dinge eingebaut haben, wie sie für die goldene Zeit der arabischen Musik typisch waren.

Das Orchester im Dienst der Stimme

Zum Beispiel das Orchester. Es stellt sich ganz in den Dienst meiner Stimme und spielt die Gesangsmelodie. Das musste ich unbedingt haben. Also haben wir Kontakt zu einem arabischen Orchester aufgenommen, das ich Brüssel ansässig ist. Manche von den Spielern sind Flüchtlinge. Tolle Musiker, die genau den Sound hinbekommen haben, den ich mir gewünscht habe.
Böttcher: Vielleicht können Sie uns noch ein bisschen mehr über dieses Orchester erzählen, das Nagham-Zikrayat-Kollektiv, wenn ich das richtig ausgesprochen habe. Was genau ist das für eine Gruppe? Flüchtlinge sind mit dabei, syrische Musiker, libanesische Musiker, irakische Musiker?
Tamino: Ja, manche kommen aus Syrien, manche aus dem Irak, andere aus Tunesien. Aber es sind auch Belgier dabei. Und auch das allein finde ich unglaublich: diese belgischen Musiker, die eine so große Leidenschaft für arabische Musik haben und total in dieser Musikwelt aufgegangen sind. Ich habe das Orchester auch meinen Vater gezeigt. Er ist der Sohn meines berühmten Großvaters. Er kann echt beurteilen, ob die Spieler gut sind oder nicht. Und auch er war wirklich beeindruckt.

Berühmter Großvater

Böttcher: Da heißt da ist nicht nur der Großvater, der Musiker ist in Ihrer Familie, sondern da sind noch mehr Musiker in Ihrer Familie?
Tamino: Ja, auch mein Vater singt. Zwar nicht mehr professional – das hat er einen Zeitlang gemacht –, aber jetzt macht er etwas anderes. Meine Mutter spielt klassisches Klavier, als Hobby, aber es ist wunderschön, wenn sie spielt. Mein Onkel ist bildender Künstler – noch ein Kreativer also. Er kann auch sehr gut Gitarre und Klavier spielen. Mein Großvater auf der belgischen Seite hat auch früher Gitarre gespielt. Und das ist jetzt die Gitarre, auf der ich meine Songs spiele. Tatsächlich habe ich sogar die Gitarren von meinen beiden Großvätern: eine alte Jazzgitarre von meinen Großvater mütterlicherseits, und eine Resonatorgitarre von meinem ägyptischen Opa.
Böttcher: Lassen Sie uns kurz noch mal über Ihren Sound sprechen. Ist es letztendlich auch einen politische Aussage, westliche und arabische Welt so unter einen Hut zu bringen, so nach dem Motto: Es geht auch miteinander, nicht immer nur gegeneinander?

Keine politischen Statements

Tamino: Ich denke nicht, dass mein Album ein politisches Statement ist. Klar weiß ich, was gerade so abgeht. Aber darum geht es nicht in meinen Songs. Wenn meine Musik ein Türöffner sein kann, wenn sie die Angst vor der arabischen Kultur nehmen kann, dann würde mich das sehr froh machen. Mein Anliegen ist das nicht. Aber wenn es das Ergebnis ist, freue ich mich darüber.
Böttcher: An anderer Stelle haben Sie mal gesagt, "Amir", Ihr Debütalbum versucht, auf der einen Seite überwältigende Romantik, auf der anderen Seite verwirrenden Nihilismus unter einen Hut zu bringen. Können Sie das etwas genauer erklären?
Tamino: In vielen Songs auf dem Album geht es darum, eine Balance zu finden: zwischen einem nihilistischen Blick auf die Welt einerseits, und andererseits der Bereitschaft, ganz und gar in der Romantik des Lebens aufzugehen – was dich natürlich sehr verletzlich macht. Beide Perspektiven haben ihr Für und Wider. Und dann kommt noch dazu, dass ich erst 21 bin. Viele Sachen erlebe ich gerade zum ersten Mal. In der Liebe, aber auch, was das Reisen angeht und das Musikmachen. Und ich glaube, ja, darum geht es einfach auf dem Album. Was ich erlebe, und wie ich damit zurechtkomme.
Böttcher: Worum geht es in dem Song "Tummy", den Sie für uns einspielen werden?
Tamino: Oha. Der ist total abstrakt. Da kann jeder reininterpretieren, was er will. Für mich ist der Song eine Art Worst-Case-Szenario – was mit einem passieren kann, wenn man Erfolg hat.
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