Singer-Songwriter Jamie Lawson

"Manchmal kommen gute Sachen heraus, wenn etwas schief läuft"

Der englische Singer-Songwriter Jamie Lawson auf einem Sofa sitzend
Singer-Songwriter Jamie Lawson: "Irgendwie wollten diese Dinge auch aus mir heraus. Das habe ich zugelassen." © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Jamiel Lawson im Gespräch mit Martin Böttcher · 13.11.2017
Der Engländer ging mit 17 als Pubmusiker nach Irland. Mit einem online gestellten Video zu "Wasn't Expecting That" stürmte er Jahre später die irischen Charts. Dann gründete Ed Sheeran ein Plattenlabel – und nahm Lawson als ersten Künstler unter Vertrag.
Martin Böttcher: Der Titel Ihres neuen Albums heißt "Happy Accidence", vielleicht können Sie uns erstmal ein bisschen über diesen Titel erzählen. Wie ist es dazu gekommen?
Jamie Lawson: Manchmal kommen gute Sachen dabei heraus, wenn etwas schief läuft. Ganz konkret war es bei mir so, dass ich kürzlich geheiratet habe. Und die Vorgeschichte geht so, dass meine Frau sich im Ort geirrt hatte. Sie wollte sich eigentlich eine Comedy Show ansehen, landete aber bei mir im Konzert. Sie schickte mir danach eine Nachricht, dass mein Programm überhaupt nicht lustig gewesen sei, aber dass es ihr sehr gut gefallen habe. Ein Hoch auf so ein glückliches Schicksal. Hooray for "Happy Accidences", schrieb sie dazu. Irgendwann fand ich diese Nachricht wieder und dachte, dass könnte auch ein guter Titel für ein Album sein. Ich schrieb ihn auf meine Liste und schließlich haben wir ihn nun ausgewählt.
Böttcher: Das alles ist ja in einer Kneipe in Südlondon passiert, nämlich im Bedford Pub. Dieser spielt ja auch sonst bei Ihren Zufällen keine unerhebliche Rolle. Ist das eventuell Ihr Lieblingsort?

Bedeutende Rolle eines Pubs

Lawson: Ja, klar. Dort habe ich auch Ed Sheeran kennen gelernt. Also die zwei wichtigsten Dinge in meinem Leben hatten dort ihren Ursprung. Ed habe ich dort getroffen, aber dann verloren wir uns wieder aus den Augen. Ed wurde plötzlich sehr berühmt. Erst vier, fünf Jahre später sind wir uns wieder begegnet. Er war in einem Pub in Irland, sah dort ein Plakat von mir und sagte sich: an diesem Typen kann ich mich erinnern. Er fragte mich daraufhin, ob ich eines seiner Konzerte eröffnen könnte. Also wenn er damals nicht mein Poster gesehen hätte, würde ich wohl kaum heute hier sitzen. Solche glücklichen Zufälle gibt es also immer wieder. Aber klar, der Bedford Pub war schon sehr wichtig für mich. Ich sollte noch mal dort hingehen und mich bei ihm bedanken.
Böttcher: Glauben Sie denn an Zufälle oder ans Schicksal?
Lawson: Keine Ahnung. Was bedeutet Schicksal? Ich weiß es nicht. Ich glaube eher an harte Arbeit. Man braucht natürlich auch Glück. Aber ohne Ehrgeiz kann man auch mit dem Glück nichts anfangen. Du musst hart dafür arbeiten, dass es sich auch in Erfolg umwandelt.
Böttcher: Ed Sheeran hat Sie nicht entdeckt. Bevor Sie bei seinem Platenlabel gelandet sind, haben Sie drei Alben ohne ihn aufgenommen. Aber was hat sich durch ihn für Sie geändert.
Lawson: Ohne ihn, wäre ich jetzt sicher nicht hier. Er hat mir ermöglicht, ein Album für ihn aufzunehmen und hat mir dabei geholfen, dass es erfolgreich wird. Er hatte in jedem Fall einen sehr positiven Einfluss auf mein Leben.

Das Urteil der Anderen

Böttcher: Wie wichtig ist Ihnen denn das Urteil anderer Leute oder ist es am wichtigsten, dass Ihnen selbst vor allem die Platte gefällt?
Lawson: Es ist sehr wichtig, dass es mir gefällt. Wenn das nicht der Fall wäre: wie könnte ich die Songs im Konzert singen. Wie könnte ich sonst dahinter stehen und Dir sagen, dass Du das Album kaufen sollst. Nur so kann ich die nächste Platte aufnehmen und das ist es, was ich in meinem Leben machen möchte. Wenn ich das Album nicht mögen wurde, könnte ich es Dir nicht empfehlen. Ich habe sehr viele Reaktionen von Leuten bekommen, die mir mitgeteilt haben, welche Bedeutung meine Songs für sie hätten. Die Kritiker wiederum haben mein Album ziemlich verrissen, doch im Vergleich zu diesen persönlichen Reaktionen vieler Leute, waren mir die Verrisse der Kritiker völlig egal. Denn wenn man einen positiven Einfluss auf das Leben anderer hat, ist das unglaublich schön.
Böttcher:
Woher kommt denn das eigentlich, dass die Kritiker so oft anderer Meinung sind, als die Zuhörer und Fans.
Lawson: Die Kritiker müssen sich jeden Tag viele Platten anhören und werden dafür bezahlt, eine Meinung zu haben. Im Zeitalter von Twitter, Facebook und anderer sozialer Medien, werden die klassischen Albenkritiken immer unbedeutender. Die ersten beiden Platten von Ed Sheeran wurden ebenfalls von den Kritikern verrissen, aber die haben sich ziemlich gut verkauft. Das ermutigt mich!
Böttcher: Glauben Sie auch, dass ihr Alter eine Rolle spielt? Sie sind ja kein Teenager mehr, der gerade eine Platte gemacht hat. Sondern Sie sind mittlerweile 41 Jahre alt. Hilft Ihnen das auch, eine gewisse Gelassenheit zu entwickeln?
Lawson: Ich habe zumindest gelernt, diese Kritiken nicht zu lesen. Natürlich bekomme ich noch was über andere mit, aber mich selbst interessiert das nicht. Die Kritiken haben keinen Einfluss darauf, was ich mache. Ich kann nur so singen und spielen, wie ich es kann. Und wenn das jemand nicht mag, ist das ok. Es gibt ja so viel anderes, was er hören kann. Das ist ja gar nichts Schlimmes. Ich bin mir auch nicht sicher, ob diese Kritiken überhaupt noch einen Einfluss auf Plattenverkäufe haben. Ich habe noch nie einen Verriss über eine Band gelesen, die ich mag, und mir deswegen dann die Musik nicht mehr angehört.

Verlieben, Anfang und Ende

Böttcher: Ist "Happy Accidence" aus Ihrer Sicht ein Liebesalbum? Das ist ja das Hauptthema dort?
Lawson: Die meisten Songs gehen doch über die Liebe. Es scheint so, als würde ich dafür angeklagt – und ich bin mir nicht sicher, warum eigentlich. Ich kenne kaum Künstler, die über etwas anderes schreiben. Irgendwie kommen fast alle wieder darauf zurück, über etwas zu schreiben, dass sie lieben. Diese Platte thematisiert vor allem den Beginn einer Liebe – und das Ende. Es geht um die Kennenlernphase, um das Verlieben – verbunden mit all der Nervosität und Aufgeregtheit in dieser Phase – und es geht aber natürlich auch um Zweifel und um Verletzungen, die im Zusammenhang mit der Liebe entstehen. Ich kann gar nicht sagen, warum ich all das eigentlich geschrieben habe, doch irgendwie wollten diese Dinge auch aus mir heraus. Das habe ich zugelassen. So habe ich das immer gemacht.

Endlich ohne Bettelei ins Studio

Böttcher: Können Sie nochmal kurz beschreiben, wie sich der Sound bei Ihnen verändert hat, in den letzten Jahren und über die Alben hinweg. Jetzt, wo Sie bei einer großen Plattenfirma sind, wo Sie ja auch einen größeren Beraterstab haben, wo jemand wie Ed Sheeran im Hintergrund ist. Was hat sich da an Ihrem Sound geändert?
Lawson: Die größte Veränderung ist, dass wir alles sehr professionell machen. Ich kann in ein Studio gehen wie das Sunset Sound in Los Angeles, das sehr berühmt und ganz wunderbar ist. Dort haben ja in den letzten 50 Jahren schon Leute wie die Doors oder James Taylor Platten aufgenommen. Ich muss nicht mehr schnell für einen Tag ins Studio, nur weil es zufällig gerade frei ist und es vielleicht nichts kostet. Ich musste früher die ganze Zeit herumbetteln, dass ich irgendwo eine Platte aufnehmen kann. Bei den letzten Alben ist das nun anders. Bei der vorletzten Platte war ich zwei Wochen, für die neue sieben Wochen im Studio. Und das mit einem Produzenten, der schon phantastische Platten aufgenommen hat. Joe Chiccarelli, der schon Bands wie die Shins oder Broken Social Scene produziert hat. Platten, die ich angebetet habe. Das macht viele Sachen viel kultivierter. Und die Aufnahmen hören sich an, wie die, die man früher von anderen gehört hat. Und das ist der große Unterschied. Es klingt nun wie eine ordentliche Platte.
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