Singen verbindet

Von Kim Kindermann · 05.02.2010
Langezeit wurden die Bewohner der Großgemeinde Lahnau in Mittelhessen nicht miteinander warm. In den drei Dörfern Atzbach, Dorlar und Waldgirmes ging jeder seinen eigenen Weg. Bis sich vor neun Jahren der Männerchor Lahnau gründete. Denn wer gemeinsam singt, der versteht sich.
Im großen Halbkreis stehen sie im Gemeindehaus Lahnau um das Klavier herum, 50 Männer, in Freizeitkleidung. Aufmerksam folgen sie den Anweisungen ihres Chorleiters.

"La, la, la la, la ... das war nix. Noch einmal. Ho, ho, ho. Dann wollen wir es einmal dabei belassen."

Jürgen Gissel leitet den Männerchor Lahnau von Anfang an. Im November 2001 hat er gemeinsam mit seinem Chorfreund Günter Reinemann die Idee: Die Großgemeinde Lahnau mit ihren drei Dörfern Atzbach, Dorlar und Waldgirmes sollte endlich einen gemeinsamen Chor haben. Einen Männerchor. Das kam an: Schon zur ersten Probe erschienen auf Anhieb 36 Männer.

Der 66-jährige Jürgen Gissel dirigiert, seitdem er 19 Jahre alt ist. Er hat eine Ausbildung zum Chorleiter gemacht. Singen gehört fest zu seinem Leben.

"Dieser Männerchor ist eine Krönung, ich betrachte das als meine Lebensaufgabe, hier etwas zu tun."

Der überaus freundliche, kleine Mann mit strahlend braunen Augen legt auch das Repertoire fest, das von Ingenieuren, Beamten, Angestellten, Lehrern, Facharbeitern und Rentnern gesungen wird. 50 musikalische Laien und Halbprofis - zwischen 42 und 80 Jahren.

"Wir haben uns vorgenommen den althergebrachten Männergesang weiterzupflegen, denn es wäre zu schade, wenn der sich ganz verlieren würde."

Geprobt wird nur einmal im Monat. Immer sonntags um zehn. Danach sitzt man gerne noch zusammen. Geselligkeit wird hier großgeschrieben. Und die Stimmung im Chor ist dementsprechend gut. Es wird viel gelacht – auch während der Proben.

"Das ist nicht so streng. Wir singen uns ein. Proben. Tenöre, Bässe. Singen alles mal durch. Dann werden die Stellen ausgebessert. Wir haben uns so im Laufe der Jahre ein großes Repertoire erarbeitet."

Und nicht nur das: Die positive Ausstrahlung der Männer, ihre Verbundenheit untereinander strahlt bis in den Gesang. "Aus der Traube in die Tonne" von Kurt Lißmann steht immer fest mit auf dem Programm des Männerchors Lahnau. Genauso wie "Jahre kommen, Jahre gehen" von Rudi Kühn und das Heimatlied von Max Aurell "Auf des Tales schmaler Höhe". Manfred Fiedler, zweiter Bass:

"Wo auf des Tales schmalem Weg ... "

"Das bringt mir was von der Heimat. Ich bin 50 Jahre in Lahnau. Ich bin in Waldgirmes geboren, bin 1950 nach Dorlar gekommen. Also, ich bin immer in diesem heimischen Ort geblieben, immer in Lahnau. Und ich weiß, da drüben geht es in Richtung Taunus und da drüben geht es Richtung Westerwald und wir liegen im Lahntal. Wunderschöne Gegend."

Wie Manfred Fiedler stammen fast alle von hier. Sind hier geboren, zur Schule gegangen und arbeiten in der Umgebung. Und noch etwas ist ihnen gemein: Sie alle singen mit Leidenschaft, nicht nur im Männerchor, sondern oft auch zu Hause. Die Musik, die gute Laune, die nehmen sie mit.

"Klar übe ich zuhause, ich singe gerne. Am Schreibtisch singe ich die Lieder, jetzt kann ich auch, das kommt hinzu die Texte schon - na ich sag mal - zu 75 Prozent auswendig schon."

Singen das gibt mir was, fügt Gerhard Tlusty noch lachend hinzu. Das war schon immer so. Auch für Markus Adam, das 42-jährige Nesthäkchen des Männerchors Lahnau, ist der Gesang ein Quell der Erholung:

"Das ist ein super Ausgleich. Man muss sich zwar konzentrieren auf das, was gemacht wird, auf die Probe, wo man dann auch neue Sachen einstudiert, trotzdem bleibt immer so eine Art Erholungseffekt übrig und nicht zuletzt sitzen wir hinterher beieinander und man kann da noch entspannen."

Und deshalb kommen sie alle immer wieder zusammen, diese 50 Männer des Männerchores Lahnau. Jeden ersten Sonntag im Monat. Bei jedem Wetter. Gegen jeden Widerstand so mancher Ehefrau. Und auch das Alter ist kein Argument, nur eine Probe zu verpassen, sagt Werner Rauber, mit 80 Jahren der älteste Sänger:

"Es macht immer noch Spaß, das ist das Schöne dabei!"

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.