Silver Gamers

Von Claudia Hennen · 30.11.2009
Jeder vierte Bundesbürger vergnügt sich spielend vorm PC. Das Durchschnittsalter der User steigt, es sind immer mehr Erwachsene darunter. Ins Blickfeld der Branche rücken neuerdings auch die sogenannten "Silver Gamers" – also die Generation 50plus, Branchenkennern zufolge eine der am stärksten wachsenden Zielgruppen. Seit einigen Monaten testen Senioren in Köln im Rahmen eines Medienprojekts diverse Computer- und Videospiele.
Montagnachmittag im Festsaal der Kölner Sozialbetriebe im Stadtteil Riehl. Rund hundert Senioren drängen sich zwischen Beratungsständen, auf denen Konsolen, PCs und Flachbildschirme stehen. Es gibt Kaffee und Kekse, durch den Raum schwirren elektronische Melodien und Soundeffekte ...

Der Medienpädagoge Torben Kohring vom Computerprojekt Köln erklärt an seinem Stand das Videospiel "Kororinpa" von Nintendo.

"Viele kennen aus ihrer Kindheit sicherlich das Holzlabyrinth, wo man eine Holzkugel durch ein Labyrinth steuert, das ist jetzt quasi die digitale Umsetzung des Spiels. Durch das Bewegen eines Controllers bewegt man die Kugel, dabei kann sie herunterfallen, und man muss sehr viel Ruhe bewahren, um die Kugel sicher ins Ziel zu bringen."

Roland Hähnel will testen, wie geschickt er ist. In seine rechte Hand nimmt der 74-Jährige den Controller, das ist eine Art Fernbedienung. Diese überträgt jede seiner Handbewegungen auf einen großen Fernsehbildschirm. Das Geschehen im Videospiel wird also nicht per Mausklick oder Daumendruck simuliert, sondern durch natürliche Bewegungen. Auch wenn anfangs die gläserne Kugel immer wieder herunterfällt, Roland Hähnel will gar nicht mehr aufhören:

"Nachher kommt der eigene Ehrgeiz. Wenn Sie zunächst 45 Sekunden für das Spiel brauchen, wollen Sie es später in 40 oder in 38 Sekunden schaffen. Man will sich ja immer verbessern!"

Nicht jedem fällt der Einstieg so leicht. Roland Hähnel erklärt einer Mitbewohnerin seines Seniorenheims, wie sie das Steuergerät der Konsole am besten halten soll:

"Frau Pieper, schauen Sie mal, bewegen Sie das mal so ..."
"Ach so, jetzt hab ich es!"

Das Spiel "Kororinpa" überzeugt vor allem durch seine visuelle Umsetzung. Auf einem großen Fernsehbildschirm können sogar Menschen mit Sehschwächen das Geschehen gut verfolgen. Und man kann bequem im Sitzen spielen – also auch diejenigen, die körperlich nicht mehr so fit sind.

Doch auch wer etwas Sportlicheres sucht, wird bei der Wii-Konsole fündig. Tennis spielen, golfen oder sogar Bowlen – das alles ich möglich, wie eine Gruppe Frauen am Nachbarstand zeigt. Dabei schwingen sie den Controller wie eine Bowlingkugel in der Hand und drücken zum Abwurf auf einen Knopf. Auf einer großen Videoleinwand rollt die virtuelle Kugel dann in ihre Bahn ...

Die 91-jährige Erika Lemme strahlt. Gerade hat sie im zweiten Wurf alles abgeräumt. Die zierliche Dame wurde mit ihrer Mannschaft im Juli bei den "Wii Sports Bowling Seniorenmeisterschaften" Bundesmeister. Für sie geht es aber in erster Linie nicht um sportlichen Ehrgeiz, sondern vor allem darum:

"Dass man unter Menschen kommt, mit anderen Menschen zusammen ist. Weil wir ja abgeschlossen in unseren Wohnungen sind und dann hat man ja sonst niemanden weiter. Und dadurch gehe ich jede Woche einmal dahin! Und wir sind zu viert und in regelmäßigen Abständen kriegt man auch mal eine Urkunde!" (lacht)

Gabriele Patzke, die Leiterin des städtischen Seniorenzentrums in Köln-Riehl, hatte die Idee, mit Senioren Computerspiele zu testen. Mittlerweile sind drei Wii-Konsolen im Einsatz, eine davon im Pflegeheim. Die Sozialarbeiterin erhofft sich therapeutische Effekte:

"Ich glaube, dass allein durch den hohen Aufforderungscharakter, den so ein Spiel hat, den hohen Spaßfaktor auch dabei, sich Menschen mehr bewegen, als wenn sie eine Gymnastik machen. Es ist ja nicht so, dass man mit dem Computer alleine im Raum sitzt, man bewegt sich viel mehr, als man das vorher täte. Man geht ja vielleicht nicht unbedingt zu einer Gymnastikgruppe, aber so ein Spiel zu machen, das ist viel einfacher organisiert."

Der medienpädagogische Verein "Computerprojekt Köln" unterstützt das Seniorenheim bei der Suche nach geeigneter Software und hat sich die Vermittlung zwischen den Generationen zur Aufgabe gemacht. Deshalb beraten an diesem Nachmittag auch einige Schüler die Besucher. Diese ältere Dame ist dankbar, mehr über das Rätselspiel "Versteckt – entdeckt" des Herstellers "terzio" zu erfahren.

"Sie erklären, dass sehr gut, muss ich Ihnen sagen, Sie könnten mein Enkel sein ... "

Konzentration, logisches Denken, strategische Problemlösung – diese Fähigkeiten will das Spiel, das eigentlich Kindern ab sechs Jahren empfohlen wird, trainieren. Der 14-jährige Gregor von Dugovics findet, dass ältere User unterschätzt werden:

"Man braucht schon mehr Geduld. Aber viele kennen sich schon damit aus, was ich überhaupt nicht gedacht hätte. Dann ist es so, als wenn ich das meinem kleinen Bruder erklären würde. Geduld braucht man, aber es macht Spaß."

Für die Medienpädagogen sind die "Silver Gamers" eine neue und wenig erforschte Zielgruppe. Erstaunlich, denn die diesjährige Gamer-Umfrage von TNS Infratest und Gamesindustry.com zeigt, dass bereits 39 Prozent der über 50-Jährigen mit Internet-Zugang Computerspiele nutzen, im Durchschnitt drei Stunden pro Woche. Angesichts der demografischen Entwicklung ist sich die Branche einig, dass hier noch ein riesiges Potenzial schlummert. Wer weiß: Vielleicht gibt es eines Tages Gütesiegel für besonders seniorengerechte Spiele.