"Sie waren auch der moralische Sieger"

Jens Nowotny im Gespräch mit André Hatting · 18.07.2011
Japan habe die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft verdient gewonnen, sagt der frühere Bundesliga-Spieler Jens Nowotny. "Wie sie gestern wieder gefightet haben, wie sie gelaufen sind, das war wirklich von ganz allererster Güte", sagt er über das Finale.
André Hatting: Japan ist Frauenfußball-Weltmeister, zum ersten Mal. Es war ein spannendes Finale gestern in Frankfurt, das die Japanerinnen erst im Elf-Meter-Schießen für sich entscheiden konnten. Zugeschaut hat auch ein männlicher Kollege: Jens Nowotny, lange Jahre Bundesliga-Profi bei Bayer Leverkusen und 48mal hat er für die deutsche Nationalmannschaft gespielt. Guten Morgen, Herr Nowotny!

Jens Nowotny: Guten Morgen!

Hatting: Waren Sie im Stadion in Frankfurt gestern?

Nowotny: Nein, ich war nicht im Stadion. Ich habe es zu Hause verfolgt.

Hatting: Sind die Japanerinnen die verdienten Siegerinnen?

Nowotny: Ja. Also nicht nur, was die allgemeine Lage in Japan anbetrifft, wo es natürlich jedem gegönnt wurde, dass Japan auch Weltmeister wurde, aber ich denke, sie waren auch der moralische Sieger. Wie sie gestern wieder gefightet haben, wie sie gelaufen sind, das war wirklich von ganz allererster Güte, und deswegen, denke ich auch, haben sie verdient gewonnen.

Hatting: Es wurde ja viel über das technische Niveau dieser Frauenfußball-Weltmeisterschaft gesprochen. Finden Sie auch, dass sich das enorm gesteigert hat im Vergleich zu 2007?

Nowotny: Was sich definitiv gesteigert hat ist der körperliche Einsatz. Ich glaube, dass viele Mannschaften, Favoriten wie Brasilien und auch Deutschland, überrascht wurden von der Fitness der anderen Mannschaften und des körperlichen Einsatzes. Darunter, muss ich natürlich sagen, hat für meine Begriffe ein bisschen das Spielerische gelitten im Allgemeinen, aber man sieht schon, dass der technische Fußball doch auch bei den Frauen durchaus zu sehen ist.

Hatting: Die deutschen Fußballerinnen sind ja schon im Viertelfinale ausgeschieden, immerhin gegen den späteren Weltmeister, kann man sagen als Trost. Es wird jetzt viel darüber spekuliert, woran das gelegen haben könnte. Was sagt der Profi, was sagen Sie?

Nowotny: Natürlich ist, was ich gerade schon angesprochen habe, die Fitness ein Thema gewesen, dass sie überrascht wurden, gerade auch, was Nigeria anbelangt. Ich glaube, da hat keiner mit gerechnet, dass die so dagegenhalten. Und im Vorfeld hat man natürlich alle Spiele locker gewonnen, man glaubte, gut vorbereitet zu sein, und vielleicht war man ein bisschen übermotiviert und ist dadurch verkrampft in die Spiele gegangen. Man hat ja auch gesehen, dass der Druck, der öffentliche Druck, die Aufmerksamkeit plötzlich ein Thema in der Mannschaft wurde, dass Dinge angesprochen wurden, die früher eigentlich keinen groß interessiert haben.

Hatting: Meinen Sie damit jetzt die Glamour-Geschichte, oder meinen Sie damit das Hickhack um Birgit Prinz?

Nowotny: Alles! Ich meine, das war ja auch eine ganz neue Situation plötzlich für die Damen, dass sie so im Fokus gestanden sind, dass wirklich alles beobachtet wurde, dass ein normaler Ausflug, um ein bisschen abzuschalten, in die Stadt plötzlich beobachtet wurde, dass die Glamour-Geschichten … – Gut, man hat nicht damit gerechnet, dass es so Wellen schlägt. Und das mit der Birgit Prinz … Ich meine, dann wurden sofort wieder Vergleiche hergezogen, wie es bei den Männern abgelaufen ist, bei dem einen oder anderen Spieler. Deswegen ich denke, dass da alle ein bisschen ihren Teil dazu beigetragen haben, nicht nur die Mannschaft selbst, sondern auch das Umfeld, dass es leider nicht zum Titel gereicht hat.

Hatting: Auch die Medien?

Nowotny: Auch die Medien, definitiv. Ich meine, die Medien haben nichts anderes gemacht, als sie bei den Männern schon jahrelang oder jahrzehntelang machen, aber für die Frauen war dann, denke ich, der Druck doch zu groß, weil sie plötzlich damit konfrontiert waren und nicht reingewachsen sind.

Hatting: Fehlt vielleicht noch ein bisschen die Abgeklärtheit. – Herr Nowotny, Sie sind Fan des Frauenfußballs, verfolgen auch mal Spiele des Nachwuchses. Können Sie die Haltung verstehen, wenn jemand sagt, Frauenfußball finde ich langweilig, weil technisch unzulänglich?

Nowotny: Dem halte ich immer wieder entgegen, wo er denn selber Fußball spielt, oder was er denn selbst macht, denn ich hatte die Diskussion immer mal wieder und habe es dann immer verglichen. Okay, wenn du einmal ein Champions-League-Endspiel zwischen Barcelona und Real Madrid oder was weiß ich, Manchester United anguckst, dann darfst du normal anderen Fußball nicht mehr schauen, weil nichts ist vergleichbar mit so einem Fußball. Und dann gucken sie mich immer ganz doof an und sagen, ja, nun gut, letztendlich hast du ja recht. Man darf es nicht vergleichen, man muss es als eigenständig sehen, und da gehört Deutschland zur Weltspitze und das sollte uns alle ein bisschen stolz machen.

Hatting: Was ist denn im Frauenfußball besser als bei den Männern?

Nowotny: Besser? – Schwer zu sagen, weil dann müsste man es ja wieder irgendwo vergleichen. Was ich gut finde ist, dass man das Gefühl zumindest hat, im Moment, weil es ja noch neu ist, dass es wirklich eine Mannschaft ist, dass es wirklich ein Team ist und dass da jeder für jeden sich aufopfert. Das hat man bei den Männern mal ab und zu das Gefühl, dass da mehr der Egoismus durchdringt.

Hatting: Das war Jens Nowotny, Ex-Fußballprofi und Nationalspieler. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Nowotny.

Nowotny: Gerne!

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