"Sie sind unser Lebkuchenherz"

Von Danja Antonovic |
Für den Belgrader Pater Aleksandar hat der Katholizismus Antworten auf grundlegende Fragen gebracht. Keine Selbstverständlichkeit, denn als Kind kommunistischer Eltern kannte er keine Religion. Im überwiegend orthodoxen Serbien gehört der ehemalige Pilot zu einer Minderheit - und hält Bibelstunden in drei Städten.
Die spitzen Glockentürme der katholischen Kirche der Heiligen Kyrill und Method ragen in den Himmel.

An der vielbefahrenen Belgrader Straße Pozeska Ulica rasen achtlos Autos vorbei. In der Kirche, dem klassizistischen Bau aus den 1930er Jahren, erklingen mehrmals in der Woche Gottes Wort und Gesänge.

Es sind nicht viele, die an diesem Samstag in den Bänken sitzen und mitsingen, doch die, die gekommen sind, sind vor allem da, um Pater Aleksandar zu hören, der nach der Messe die Bibelstunde hält. Pater Aleksandar ist Serbe und katholischer Priester zugleich - im vorwiegend orthodoxen Serbien eine Ausnahme.

Aleksandars mächtige Stimme hallt durch die Kirche. Er steht und geht, gestikuliert, hebt und senkt die Stimme, hüpft und fegt durch die Kirche wie ein Orkan. Seine himmelblauen Augen funkeln unter der runden, randlosen Brille, ein kurzer, weiß gesprenkelter Bart umrahmt sein Gesicht. Er ist weder groß noch schlank, unter dem langen schwarzen Gewand ahnt man seinen Kugelbauch. Aber er ist ein Energiebündel und weiß, wie man Zuhörer an sich bindet.

Die Gemeinde hört gebannt zu, wenn er die Bibel auslegt, denn - so etwas hört man nicht jeden Tag. Wenn er von der Begegnung Gottes mit dem Teufel erzählt, dann klingt das so, als ob ein Freund in einer kleinen Runde eine Geschichte zum Besten gibt:

"Na ja, dann hat der liebe Gott eine Party geschmissen und alle Gäste sind gekommen. Fein gekleidet, mit Körben voller Geschenke. Und wie das so auf Partys ist, ob sie nun auf der Erde oder im Himmel stattfinden, einen, der die Party sprengen will, einen "Partybreaker" gibt es immer. In unserem himmlischen Fall war der Teufel höchstpersönlich der Partybreaker."

Anschließend erklärt Pater Aleksandar in seinem schlicht eingerichteten Kämmerlein in den Räumen der Erzdiözese, warum Bibelstunden für ihn so wichtig sind.

"Alle Christen haben die große Aufgabe die Unwissenden zu missionieren. Die Bibelstunden halte ich in drei Städten. In Belgrad mache ich eine Art Performance, mixe Texte und Musik. So kann ich den Menschen Gottes Wort näher bringen."

Genauso ungewöhnlich wie seine Bibelstunden ist das Leben von Pater Aleksandar. Vor 49 Jahren wurde er als Aleksandar Ninkovic in einem strammen kommunistischen Haus in Belgrad geboren. "Die Bibel" und "Gott" - das waren Fremdwörter in den Tagen seiner Kindheit. Sein Vater war ein hochrangiger Offizier und angesehener Flugzeugbauer in der jugoslawischen Luftwaffe.

Und so war es nicht verwunderlich, dass auch Aleksandar diesen Weg einschlug. Er studierte Maschinenbau, war Stipendiat der jugoslawischen Militärakademie, ging zur Luftwaffe und wurde Pilot. Wenn er heute von dieser Zeit erzählt, sagt er: "Ich war schon damals Gott sehr nahe."

In den 1990er Jahren, als die freie Ausübung des Glaubens in Serbien erlaubt wurde, begann Aleksandar all das zu lesen, was in seiner Kindheit verpönt war: er entdeckte die Bibel, den Koran, die Thora, buddhistische Schriften. Seine Suche nach Gott begann:

"Vom Glauben war ich weit entfernt. Als Kind des Kommunismus war mir jede Religion suspekt - und die Kirche noch viel mehr. Doch diese transzendentale Dimension, die auch Atheisten kennen, die Frage, wohin gehe ich hin nach dem Tod, das hat mich nicht losgelassen."

Der Suchende war aber auch ein ausgesprochener Computer-Freak und Mitbegründer eines internen Internetnetzes der Belgrader Universität, das 20.000 Studenten erreichte. Aleksandars Idee, seinen Kommilitonen die Heilige Schrift übers Internet näher zu bringen, scheiterte aber zunächst. Die Serbisch-orthodoxe Kirche weigerte sich, am Projekt teil zu nehmen. Schließlich bekam Aleksandar Unterstützung von einem Franziskanermönch aus Belgrad. Bei den Franziskanern fand er auch Antworten auf seine Fragen. Aleksandar ließ sich taufen.

"Nur wer sich selbst öffnet, ist offen für Gott, aber auch für die Welt, die ihn umgibt. Ich war offen. Es war aber nicht nur mein Intellekt, der etwas lernen wollte, in dieser Zeit wurden alle Schleusen in mir geöffnet. Es war Gottes Werk, dieser suchenden Seele den Weg zu zeigen. So bin ich zum Katholizismus gekommen."

Es begann ein Studium der Theologie im ungarischen Szegedin, seine Magisterarbeit schrieb er in Rom. Im Moment arbeitet Pater Aleksandar an seiner Doktorarbeit im Vatikan.

Seit vier Jahren ist Pater Aleksandar Seelsorger in der Belgrader Kirche der Jungfrau Maria. Hier betreut er eine multinationale Gemeinde: Kroaten, Ungarn, auch Serben katholischen Glaubens kommen zu ihm. Sein Humor, seine Wärme und seine Ungezwungenheit kommen gut an. Sonst spielen Hochwürden gerne Fußball, sind noch immer in Computer vernarrt und hoffen, dass die Doktorarbeit bald fertig ist:

In der Kirche der Heiligen Kyrill und Method geht nach 90 Minuten die Bibelstunde zu Ende. Die Gläubigen - klatschen begeistert. Langsam leert sich die Kirche, aber Hochwürden sind noch immer begehrt. Jeder will ihm die Hand schütteln, nach seiner Gesundheit fragen, ihm alles Gute wünschen. Eine ältere Dame lässt seine Hand nicht los und ruft entzückt: "Sie sind unser Lebkuchenherz!"