"Sie müssen ein bisschen vorbeugen"

Jeroen Buters im Gespräch mit Nana Brink · 06.03.2012
Da der Winter kurz gewesen sei, würden die Bäume früher blühen und Pollen freigeben, erklärt Jeroen Buters, Arbeitsgruppenleiter Zentrum Allergie und Umwelt München. Auf dem Land zu wohnen sei gesünder als in der Stadt - und man solle Sport treiben, so dass man der Luft ausgesetzt sei.
Nana Brink: Ach es wird ja Frühling, ganz bestimmt! Schauen Sie doch mal raus. Schön sind sie, die Triebe an den Bäumen, die meisten von uns freuen sich, wenn Sie die grünen Knospen an den Bäumen sehen. Haselnuss und Erle sind besonders früh dran und bereiten allerdings nicht nur Freunde. Mehr als zwölf Prozent der Deutschen leiden unter den Pollen, gerade der Haselnuss und der Erle, die die Saison des Heuschnupfens eröffnet haben.

Am Telefon ist jetzt Professor Jeroen Buters, er arbeitet am Zentrum für Allergie und Umwelt in München. Einen schönen guten Morgen, Herr Buters!

Jeroen Buters: Guten Morgen, Frau Brink.

Brink: Die meisten Allergiker husten und schniefen schon viel früher als sonst. Woran liegt denn das?

Buters: Es ist halt so, dass natürlich die Bäume auf die Temperatur reagieren und die Winter sind einfach kürzer und wärmer geworden. Und man merkt das ganz deutlich: Die Blühsaison von den pollenträchtigen Bäumen ist einfach früher. Und wenn die Leute schon gesehen haben, dass man einen Haselnussbaum mit seinen Füßen im Schnee stehen sehen kann, und trotzdem sind seine Pollen schon da, Sie können sich vorstellen, wenn es ein bisschen wärmer wird, dass dies ein guter Bioindikator ist, um die Frühheit von Winter und Frühling deutlich anzugeben.

Brink: Nun hatten wir es ja gerade gefühlt noch ziemlich kalt, aber der Winter war, wenn ich Sie dann richtig verstanden habe, doch eigentlich insgesamt zu warm?

Buters: Dieser Winter war sehr kurz und sehr heftig und kurz gewesen und die Bäume kumulieren einfach die Temperatur. Wenn eine bestimmte Temperatur erreicht ist, dann blühen die, also geben sie die Pollen frei. Sie brauchen aber eine kurze Periode, wo sie schön kalt sind, sodass sie wissen, es ist Winter gewesen, und dann zählen sie einfach eine bestimmte Temperatursumme und dann setzen sie ihre Pollen frei. Und offensichtlich ist das diesen Winter kurz gewesen.

Brink: Können Sie denn absehen, wie schlimm es dieses Jahr für die Betroffenen wird?

Buters: Ich habe hier neben mir die Pollenflugdaten von München von 1985 liegen. Die habe ich speziell für diese Sendung mal rausgeholt. Und es gibt in der Literatur tatsächlich Orte in Europa, die haben einen zweijährlichen Rhythmus. Das bedeutet, dass ein Jahr sehr heftig ist, und meistens schauen die Leute an die Birken, weil Haselnuss ist natürlich wichtig, aber Birke ist ein noch wichtigeres Allergen in der Umluft, und bestimmte Orte haben ein Jahr sehr hoch und dann ein Jahr tiefer und dann wieder ein Jahr hoch und dann wieder tiefer. Bei München ist das leider nicht der Fall. Da ist es Kraut und Rüben.

Ich habe dann zufälligerweise auch mal Berlin ausgesucht, und da ist es auch nicht so. Dieser Rhythmus ist da, aber sehr im, man nennt es, Schweinsgalopp.

Brink: Also die Leute in München und Berlin - zumindest die, die betroffen sind - können schon mal ihre Taschentücher herausholen. - Nun arbeiten Sie ja am Zentrum für Allergie und Umwelt in München. Welche Umwelteinflüsse müssen wir denn noch in Betracht ziehen, die Allergiker das Leben schwer machen? Sind das nur die Pollen alleine?

Buters: Nein, das ist nicht der Fall. Es ist natürlich so, dass die Pollen natürlich die Symptome machen. Aber was für viele Leute viel wichtiger ist, ob sie überhaupt allergisch werden oder nicht, und diese Faktoren liegen oft in den Genen und in den anderen Umständen, und diese Gene werden dann durch die Umwelt einfach getriggert, sodass sie losgehen. Sie können zum Beispiel sehen, wenn Sie viele Kinder in der Familie haben, werden sie weniger allergisch.

Was Sie aber beeinflussen können, ist einfach Ihre Exposition. Wenn Sie also wissen - und das gibt es heutzutage, das können Sie ja im Internet nachschauen -, dass sehr viele Pollen fliegen am nächsten Tag, bleiben Sie lieber drinnen, weil es ist ganz deutlich: Pollen penetrieren die Wohnungen weniger.

Brink: Das heißt, wenn wir noch mal bei der Veranlagung bleiben: wenn ich weiß, dass ich in der Familie Veranlagung habe, ich checke mich früher und muss nicht in Panik geraten, wenn ich dann die Haselnuss sehe.

Buters: Sie müssen ein bisschen vorbeugen. Es ist natürlich der westliche Lebensstil, der die Leute einfach allergisch macht. So kann man sagen: wohnen Sie auf dem Land, das ist gesund, wohnen Sie an einem Tierstall, das ist auch gesund, das können die meisten Leute nicht, aber seien Sie ein bisschen mehr draußen, das ist gut, und machen Sie Sport, dass Sie einfach der Luft ausgesetzt sind. Das scheint gut zu sein. Es gibt da so einen komischen Faktor, und da sagen die Leute einfach: dieser Couch-Potato-Faktor, viel Fernsehen schauen macht allergisch. Das ist natürlich nicht so, das Fernsehen macht ja überhaupt nicht allergisch, aber sie sind drinnen. Sie sollen nach draußen gehen, das ist gut.

Brink: Haben Sie noch solche Tipps parat? Was können Sie noch raten?

Buters: Ja. Die dominante Theorie ist natürlich die Hygienetheorie. Das bedeutet einfach: Leben Sie nicht zu rein. Das wissen alle Leute, die Leute sind einfach reiner geworden. Aber das hat natürlich mit vielen Faktoren gleichzeitig zu tun: Die Familien sind kleiner geworden, das Essen ist anders geworden. Setzen Sie sich nicht zu viel den Rußpartikeln aus. Das ist eine gute Sache. Rauchen Sie nicht drinnen, auch wenn Sie kleine Kinder haben. Bitte, Eltern, gehen Sie nach draußen. Leute, die rauchen, haben mehr allergische Kinder.

Brink: Nun haben Sie ja schon gesagt, man soll eigentlich rausgehen, um sich irgendwie ein bisschen abzuhärten. Aber da setzt man sich ja diesen Pollen aus. Haben es Stubenhocker denn nicht irgendwie doch ein bisschen besser als Outdoorfreaks?

Buters: Ja selbstverständlich! Wenn die Pollen fliegen, bleiben Sie schön drinnen, aber bevor dass die Pollen fliegen, dann sollten Sie Ihren ganzen Lebensstil einfach so haben, dass Sie einfach Sport machen und draußen sind. Sie müssen einfach an die frische Luft, das scheint zu helfen. Aber wenn natürlich genau dieser Pollenpeak da ist - das können Sie ja bei der Polleninformation sehen, also bei www.pollenstiftung.de nachschauen -, an diesem Tag nicht.

Brink: Also den Höhepunkt des Pollenfluges, den kann man im Internet ablesen. - Nun gibt es ja auch diverse Belüftungstipps. Können Sie da auch ein bisschen weiterhelfen?

Buters: Ja. Die Pollen, die kommen ja von Bäumen und die reagieren auf die Temperatur und auf den Wind und auf die Trockenheit. Sie können zum Beispiel feststellen, morgens Früh vor neun Uhr fliegen relativ wenig Pollen. Lüften Sie Ihr Haus morgens Früh. Wenn Sie dann sehr gefährdet sind vor Pollen, schließen Sie dann ab zehn Uhr, wenn es schön sonnig ist, die Fenster und machen Sie sie auf dem Land erst nach 16:00 Uhr auf und in der Stadt ein bisschen später, weil in der Stadt ist ein sogenanntes Heat Island, da kommen die Pollen ein bisschen später runter.

Brink: Professor Jeroen Buters, er arbeitet am Zentrum für Allergie und Umwelt in München. Schönen Dank, Herr Buters, für das Gespräch.

Buters: Gern geschehen, Frau Brink.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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