"Side Effects"

Von Peter Claus · 24.04.2013
In diesem Krimi ist nichts wie es scheint. Steven Soderbergh und seine erstklassigen Schauspieler experimentieren mit Genre-Standards: Wer eben noch eine gute Figur macht, ist im nächsten Moment der Böse.
Von der Story darf um der Spannung willen nicht allzu viel verraten werden. Nur das: Psychologe Dr. Jonathan Banks (Jude Law) übernimmt die Betreuung von Emily Taylor (Rooney Mara), nachdem sie in einer Tiefgarage mit ihrem Wagen offensichtlich einen Suizidversuch unternommen hat. Die junge Frau erscheint ihm schwer depressiv. Sie zeigt auch keine Besserung nach der Entlassung ihres Mannes Martin (Channing Tatum) aus der Haft. Er saß wegen eines Wirtschaftsverbrechens ein.

Er und Banks versuchen alles, um Emily wieder aufzurichten. Der Psychologe kontaktiert sogar ihre frühere Ärztin (Catherine Zeta-Jones). Anschließend verschreibt er voller Hoffnung ein gerade erst auf den Markt gekommenes Medikament. Das aber hat Nebenwirkungen mit zahlreichen Folgen, die das Schicksal aller Beteiligten in tödlichem Maße prägen.

Die Logik schlägt gelegentlich Purzelbäume
In diesem Krimi, der klassischen Erzählmustern folgt, ist nichts wie es scheint. Wer eben noch eine gute Figur macht, wirft im nächsten Moment alles erdrückende Schatten des Bösen und umgekehrt. "Oscar"-Preisträger Steven Soderbergh spielt dabei höchst raffiniert mit Genre-Standards wie durchtriebenen Charakteren, verzwickten Situationen und den Abgründen des menschlichen Überlebenskampfes. Zwar schlägt die Logik gelegentlich Purzelbaum. Doch man nimmt’s gelassen, denn die Spannung ist groß.

Getragen wird der Film von einem erstklassigen Schauspieler-Ensemble, allen voran Jude Law. Dank seiner Präsenz kommt auch der beklemmende sozialkritische Hintergrund der Story, die unendliche Profitgier der Pharmaindustrie, nicht zu kurz. Damit zeichnet der Thriller ein kritisches Bild der modernen bürgerlichen Gesellschaft, in der die Profitmaximierung alles und jeden beherrscht. Rooney Mara beweist nach ihrer umjubelten Performance in "Verblendung" erneut ihr großes Können mit erstaunlicher Wandlungsfähigkeit.

Dr. Banks (JJude Law) tröstet seine Frau Deirdre (Vinessa Shaw)
Dr. Banks (JJude Law) tröstet seine Frau Deirdre (Vinessa Shaw)© Senator Film
Unnötig aufs Glatteis geführt
Allerdings folgt Soderbergh seinem offenkundigen Vorbild Hitchcock auch damit, dass er einen Trick aus dessen Film "Stage Fright" ("Die rote Lola"/ 1950) kopiert: Am Anfang wird das Publikum mit einer handfesten Lüge hinters Licht geführt. Hitchcock hat das später im Gespräch mit Truffaut im Interview-Buch "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?" sehr bereut.

Er kam im Nachhinein zu der Einsicht, dass es immer klüger ist, dem Publikum das Gefühl zu geben, schlauer zu sein als die Filmfiguren. Schade, dass Soderbergh da offenbar anderer Meinung ist. So verlässt man das Kino bei allem Genuss am Nervenkitzel auch ein wenig mit dem schalen Gefühl, unnötig aufs Glatteis geführt worden zu sein.

USA 2013; Darsteller: Rooney Mara, Channing Tatum, Jude Law; Altersfreigabe ab 12 Jahren, 106 Minuten

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