Show-Sauna in Hamburg

Nackedeis in Partylaune

Sauna
Saunagänge mit Event-Charakter locken vor allem jüngere Menschen an. © Estonian Saunas/Unsplash
Von Dorothea Heintze · 28.12.2018
Sauna als Ort der Stille war gestern: Heute gibt es Eventaufgüsse mit Titeln wie "Rock’n Roll" und Saunameister und -meisterinnen fahren mit Choreografien zu Meisterschaften - solche Shows mit viel heißer Luft gibt es in Hamburg.
"Das ist unser Birken Quast, der getrocknet geliefert wird, aufgegossen mit heißem Wasser, so dass hier auch die ätherischen Öle frei sind. Und ja, jetzt müsste man im Radio ne Nase haben, aber Sie können ja hier mal – so! Und das ist rein natürlich, rein Natur."
Tatsächlich: Ein starker Duft von Birke steigt aus dem eisernen Topf auf, und das mitten in dem Holthusen-Schwimmbad in Hamburg. Unten in der Therme planschen die Gäste im heißen Wasser, hier oben im ersten Stock stehen Saunameister Sascha Hoffmann und seine Kollegin Geli und bereiten den nächsten Event-Aufguss vor: "Mutter Erde" ist das Thema und aufgegossen wird ein Sud, hergestellt aus Birkenzweigen und heißem Wasser. Geli, seit 25 Jahren im Holthusenbad beschäftig, erinnert auch andere Zeiten:
"Früher haben wir hier ganz normale Aufgusskonzentrate gehabt, mit denen wir dann aufgegossen haben. Und dadurch, dass da immer halt auch Alkohol mit drinne ist, weil der halt sich mit dem Wasser verbinden muss, war es so, dass man am Ende des Tages, wenn man 5,6,7 Aufgüsse gemacht hat, wirklich gedacht hat: Boa, ich gestern so voll gefeiert und bin total kaputt. Heute ist es so, ich mache hier fünf, sechs, sieben, acht Aufgüsse, und im Endeffekt merke ich davon so nichts."

Ein "Headcoach" in der Sauna

Reine Natur ist das Stichwort. Das passt auch viel besser zu dem kernig-durchtrainierten Saunameister Sascha Hoffmann mit seinen großflächigen Tattoos an Armen und Beinen. 41 Jahre ist er alt, fährt nur Rad, kein Auto und spielt in der Freizeit Basketball. 2015 gewann er einen Titel bei der Deutschen Saunameisterschaft in der Eifel, mit einem Auftritt als "Hamburger Jung": Matrosenmütze, Hamburger Lieder – alles bei gut 90 Grad Hitze. Der ausgebildete Rettungsschwimmer mit Zusatzausbildung für die Sauna ist jetzt "Headcoach Sauna in Hamburg" und organisiert Saunaevents in allen öffentlichen Schwimmhallen der Hansestadt.
"Ja, ich bin Fiona, ich bin 21 Jahre alt und arbeite hier als rettungskundige Servicekraft…"

Fiona steht am Beckenrand und beaufsichtigt die Gäste in der Therme, darunter viele Senioren. Eventaufgüsse kosten nix extra und finden mehrmals die Woche statt. Trotzdem gab es vor allem bei älteren Stammgästen Widerstand, als die Hamburger Wasserwerke vor einigen Jahren ihre Bäder mit aufwändigen Saunen aufrüsteten und Showaufgüsse anboten. Fiona weiß:
"Es gibt natürlich viele, die den traditionellen, einfachen Aufguss dann vermissen, wenn dann mal so ein Eventaufguss stattfindet. Das sind dann einfach die Saunagänger, die nichts mehr wollen, als dass es heiß ist, und ein bestimmtes Aroma zu riechen ist."

Gute Stimmung beim Eventaufguss

Kritik hin oder her – der Trend ist nicht mehr aufzuhalten. Eventaufgüsse bringen gute Stimmung und junge Gäste. Sven beispielweise kommt extra hier ins Bad, wenn er weiß, dass Sascha Hoffmann auftritt:
"Also, das Besondere bei Sascha ist, dass er kein Standardverfahren hat, sondern die Musik praktisch mit einer Choreografie versieht, das mag vielleicht für den Neuling in der Sauna ein bisschen lustig aussehen, aber er passt dann auch seine Geschwindigkeit mit dem Fächer oder mit dem Handtuch der Musik einfach an, auch den Bässen in der Musik, und das macht es einfach aus, das erlebt man sonst nicht."
"Nur für Euch, die Leinwand geht gleich Film… Wenn ihr da sitzen bleiben möchtet? Blick ist auf euch…"
Kurz vor fünf – in der Sauna sitzen die ersten Gäste, nackt, Saunatuch unter dem Po. Sascha, nackter Oberkörper, barfuß, um die Hüften einen roten Handtuch-Kilt mit Bäderland-Aufdruck, zündet die Kohlen an.
47 qm groß ist die Sauna mit Namen "Lichtspielhaus". An den Wänden hängen Kinoplakate der 1920er-Jahre, am Kopf eine große Leinwand. Fast 80 Menschen finden auf den Holzbänken Platz – heute, an einem normalen Werktag, sind vielleicht 35 Gäste dabei; Hälfte männlich, Hälfte weiblich.


"Sooo schönen guten Abend zusammen, mein Name ist Sascha, herzlich willkommen zum Aufguss Bitula, nichts anderes wie 'Schöne Erde', Intensivstufe drei. Es wird heiß. Also, da oben dritte Reihe, nachher ein bisschen schön mit den Ohren wackeln. Also. Drei Runden das Ganze. Wenn jemand das zu warm werden sollte, kann er runtergehen oder ansonsten mit einem Lächeln die Sauna auch verlassen."
Es wird heiß im Lichtspielhaus, zu heiß für Mikro und Aufnahmegerät. Geli erklärt daher vor der Tür, was drinnen geschieht:
"Erste Runde, wird aufgegossen und dann wedelt man, verteilt man die Luft und holt sie von oben runter und dann schlägt man die Leute ab. Es entsteht ja Schweiß. Und Schweiß ist ja, das weiß ja eigentlich jeder, die Klimaanlage, vom Körper: Wenn‘s warm ist, man schwitzt und dann kühlt es halt…Und, und in dem Augenblick, wenn man mit einem Handtuch die Leute so abschlägt, das heißt, man zieht ganz schnell und doll die Luft auf den Körper so rüber, dann gehen diese Tropfen kaputt. Und dadurch ist dieses Hitze, dann wird es richtig heiß. Und das ist eben dieser Effekt, den man hat, wenn man bei diesen Aufguss sitzt und bewedelt wird."

Der Film auf der Leinwand zeigt die Naturschönheit der Erde. Im Takt der Musik wedelt Sascha mit dem Handtuch und bewegt sich tanzend durch den Raum.
Saunameister Sascha Hoffmann mit seinen Kolleginnen Geli (l) und Fiona.
Saunameister Sascha Hoffmann mit seinen Kolleginnen Geli (l) und Fiona.© Deutschlandfunk / Dorothea Heintze

"Jetzt brennt die Luft"

Das ist jetzt die dritte Runde, und jetzt wird der Rest drauf gekippt, und jetzt wird es richtig heiß, und jetzt brennt die Luft. Und das ist der Effekt den sie bekommen, dass sie eine Gänsehaut kriegen in der Sauna. Also das ist dann schon sehr heiß."
Das Finale beginnt: Statt des Handtuchs schwingt Sascha jetzt einen riesigen Fächer aus Holz und Stoff durch die Luft. An die 100 Euro kostet so ein Teil, erhältlich nur im Fachhandel:
"Jetzt hat er den Fächer genommen, der Effekt von dem Fächer ist, dass man die Luft verteilt, aber immer gleich mäßig. Mit dem Handtuch geht man rum und schlägt die Leute ab, und dann kommt einmal so ein Schwall, und dann kommt der nächste, und bei dem Fächer ist es so, wenn man den immer hin und her bewegt, dann kriegt jeder die ganze Zeit nur heiße Luft…"
Im März 2019 steht die vierte Hamburger Sauna-Challenge an: Bei der internen Meisterschaft zeigen Saunameister und –meisterInnen bei Showaufgüssen, was sie drauf haben. Sie lernen voneinander und haben vor allem wieder viel Spaß mit dem Publikum, das neben der Fachjury unter Leitung von Sascha Hoffmann auch mit abstimmen darf: per Wasserwage.
"Ich bedanke mich…"
Der Showaufguss ist zu Ende. Wie wars?
"War einfach schön, stark, angenehm, trotzdem intensiv. / Super, toll!"
Dann geht es für alle, die noch wollen, weiter. Und zwar draußen, im kleinen, sichtgeschützten Innenhof mit Kalt-Wassertauchbecken. In der eisigen Winterkälte wartet schon Sascha mit Sud-Eimer und Birkenzweigen.
S. Hofmann: "So wer traut sich, wer möchte ne schöne Massage mit dem Birkenzweig haben?"
Ein junger Mann ist der erste: Splitternackt, Gesicht zur Wand, Arme hoch, Beine leicht gespreizt. Sascha taucht den Birkenzweig in den Sud:
"Also, es klingt schlimmer, als das is Leute, so bisschen weiter bücken…. oooook… los geht’s…"
Hört sich an wie Schläge, ist jedoch nur eine angenehme Massage. Jeder will noch mal drankommen und Sascha gibt sein Bestes. Dann sind alle durch und verabschieden sich. An der Tür zurück ins warme Schwimmbad gibt es noch einen Tipp von Sascha:
"Zum Abschluss vielleicht ein schönes Fußwärmebecken, schön Knöcheltief, fünf Minuten, damit die Körperkerntemperatur sich wieder reguliert…"
"Super, Danke, gerne."
"Gerne. Alles gut."
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