Shirin Neshat auf Festival in Katar

"Ich muss Männern gegenüber dominant sein"

Die iranische Künstlerin Shirin Neshat
Die iranische Künstlerin Shirin Neshat © imago/ Manfred Siebinger
Shirin Neshat im Gespräch mit Susanne Burg · 05.12.2017
Die Foto- und Videokünstlerin Shirin Neshat machte zuletzt mit ihrer Regie von Verdis Oper "Aida" in Salzburg auf sich aufmerksam. Nun präsentierte sie einen Film über eine ägyptische Nationalheldin. Und spricht darüber, wie sie sich in einer Männerdomäne behauptet.
Das "Ajyal Youth Film Festival" ist ein Kinder- und Jugendfilmfestival in Katar, bei dem junge Menschen von acht bis 21 Jahren über Filme diskutieren, Workshops besuchen und mit Filmemachern diskutieren. Die Iranerin Shirin Neshat hat dort "Looking for Oum Kulthum" präsentiert, ihren Film über die ägyptische Sängerin Oum Kulthum, die in den 1940ern und 1950ern zur ägyptischen Nationalheldin wurde und auch international Karriere machte.
Deutschlandfunk Kultur: Frau Neshat, was möchten Sie jungen Leuten mit ihrem Film vermitteln?
Shirin Neshat: Ich möchte gerne auf das politische Klima in der Region aufmerksam machen. Es gibt diese politischen Konflikte innerhalb der arabischen, der muslimischen Welt, und wir sind so gespalten und zerstritten. Ich glaube fest daran, dass die Kunst uns wieder zusammenbringen kann. Kulthum war ein Symbol der Einheit. Sie kämpfte für Solidarität unter den arabischen Staaten.
Im Film geht es um eine iranische Künstlerin, eine schiitische Muslima, die einen Film über eine ägyptische Sängerin drehen will, eine Sunnitin. Und diese ganze Spaltung der Religionen, die sollte es nicht geben. Die Religion sollte nicht als Entschuldigung herhalten dafür, die Kluft innerhalb der muslimischen Welt zu vertiefen, wenn es doch eigentlich nur um politische Interessen geht.
Ich bin von meinem eigenen Land getrennt, dem Iran, ich kann nicht zurück. Dieses Land hier, Katar, steckt in einer Blockade. Wir sollten nicht hinnehmen, dass wir uns voneinander isolieren. Ich frage mich also: Was können wir als Künstler tun, um die Diskussion zu eröffnen über unsere Unterschiede und unsere Gemeinsamkeiten?

Ein Film über eine arabische Legende

Deutschlandfunk Kultur: In Ihrem Film – Sie sagten es eben – will eine iranische Filmregisseurin einen Film über Oum Kulthum machen. Und sie hat einige Probleme, weil sie Iranerin ist. Einmal wird sie direkt angegangen mit dem Vorwurf: wie kannst du als Iranerin einen Film über unsere ägyptische Ikone machen? Inwieweit ist das auch ein Nachdenken über Ihre Rolle bei diesem Film, Shirin Neshat?
Shirin Neshat: Ich versuche, sehr ehrlich zu sein und meine Ambitionen offenzulegen, dass ich es wage, als Nicht-Araberin einen Film über eine arabische Legende zu drehen. Aber ich wollte auch offenlegen, wie schwierig es ist, einen solchen Film zu machen, ohne arabisch zu sprechen. Natürlich habe ich zur ägyptischen Kultur auch keine so innige Beziehung wie Ägypter selbst. Ich wollte mich auch mit den Themen auseinandersetzen, die mich beschäftigen: eine Frau, eine Künstlerin aus dem Nahen Osten zu sein. Und ich wollte mir anschauen, wo es da Parallelen und Unterschiede zu Oum Kulthum gibt.

"Ich muss Kollegen gegenüber männlich auftreten"

Deutschlandfunk Kultur: Es gibt eine Szene, in der ein Schauspieler ein Problem mit der Regisseurin hat. Sie nennt ihn daraufhin einen chauvinistischen Mistkerl. Wenn es Ihnen also auch um Ihre eigenen Themen geht, wie sehr ist es dann eine Reflektion Ihrer Position in der Filmindustrie?
Shirin Neshat: Genauso wie Oum Kulthum bin ich ironischerweise bei der Arbeit ständig von Männern umgeben. Bei ihr waren es die Musiker, die Komponisten, und die Dichter – und bei mir sind es die Kameramänner, die Drehbuchautoren, die Produzenten, und das sollte der Film zeigen. Als Regisseurin habe ich das Gefühl, ganz männlich auftreten zu müssen gegenüber meinen Kollegen. Ich muss dominant sein. Und so komme ich gut mit ihnen zurecht.
Aber ich bin selbst immer wieder erstaunt, dass ich das so mache, um eine Autorität zu haben, weil dich sonst die Männer nicht ernst nehmen. Und dann ist da schlichtweg auch der körperliche Aspekt. Ich bin eine kleine Frau, und es ist anstrengend, die Energie aufzubringen, bei den langen Arbeitstagen mit den Männern mitzuhalten. Ich muss mich immer um meinen Körper kümmern. Und immer die Kontrolle behalten, weil ich von Männern umgeben bin.

"Mehr Frauen in der arabischen Filmindustrie als im Westen"

Deutschlandfunk Kultur: Der Film ist teilweise vom Doha Film Institut finanziert, einer wichtigen Fördereinrichtung hier im arabischen Raum und dem Nahen Osten. In den letzten Jahren sind viele Förderungen an Frauen gegangen, in diesem Jahr mehr als die Hälfte. Die Frauen in der arabischen Filmwelt sind stark. Was ein bisschen das Vorurteil widerlegt, dass wir in der westlichen Welt haben. Haben Sie eine Erklärung?
Shirin Neshat: Es ist interessant. Wir hatten neulich gerade erst eine Diskussion darüber, dass es mehr Frauen in der arabischen Filmindustrie gibt als im Westen. Es ist ein Phänomen. Und ich glaube, dass Einrichtungen wie das Doha Film Institut einfach eine große Sensibilität haben für weibliche Geschichten – in der Art und Weise, wie Frauen das kulturelle und politische Klima darstellen. Es gibt auch im Dokumentarfilm viele Frauen, sie wählen andere Themen aus. Es ist großartig, dass es diese Empfänglichkeit für ihre Geschichten gibt.
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