"Sherlock Holmes"

27.01.2010
Guy Ritchie wurde vor allem bekannt durch seine Ehe mit Madonna. Nun tut sich der Regisseur mit einer Neuverfilmung des berühmten Detektiv-Klassikers hervor. Hier ist Holmes nicht nur der analytische Denker, sondern haut auch ordentlich zu.
Der 41-jährige Brite Ritchie begann (1995) als Werbefilmer und Regisseur für Musikvideos. Machte mit "schrägen" Spielfilmen wie "Bube, Dame, König, grAs" (1998); "Snatch – Schweine und Diamanten" (2000/mit Brad Pitt) oder zuletzt "Rock N Rolla" (2008) ebenso auf sich aufmerksam wie mit seiner Ehe zu Madonna (2000-2008). Ihr gemeinsamer Film "Stürmische Liebe – Swept Away" (2002) zählt zu den Desasterereignissen der jüngeren Filmgeschichte .Er wurde mit gleich fünf Anti-"Oscar"-Trophäen, den "Goldenen Himbeeren" ("Razzie Awards"), abgestraft .

Dass ausgerechnet er den Job bekam, einen neuen Sherlock-Holmes-Film zu inszenieren, bedeutete natürlich, dass nun in Sachen Holmes "eine neue Zeitrechnung" beginnen soll. Kannten wir den britischen Meisterdetektiv bislang im Film nur als älteren, Pfeife rauchenden, in altertümliches Kostüm gekleideten, stets perfekt-analytisch denkenden und mit scharfzüngigen Schlussfolgerungen auftretenden Spitzenaufklärer von typisch britischem Arroganz-Überlegenheits-Charme, so dürfen wir das jetzt vergessen. Holmes ist im HEUTE angekommen, obwohl sein neuer Fall natürlich weiterhin im britischen GESTERN angesiedelt ist, im späten 19. Jahrhundert. Dort, wo ihn auch sein Erfinder, der schottische Arzt und Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle (22.5.1859 – 7.7.1930), anfangs aktivierte, um ihn dann in insgesamt 56 Kurzgeschichten und 4 Romanen, die bis in das frühe 20. Jahrhundert eintauchten, zu verewigen.

Und noch eine weitere personelle Maßnahme hat sich dieser neue Holmes-Krimi mit Bond-Geschmack vorbehalten: Aus dem guten alten, etwas plärrigen Stichwortgeber-Kumpan Dr. Watson, der mehr fragte denn wusste, ist ein "gleichrangiger", dynamischer Schnüffler-Kollege geworden. Der 1:1, auf Augenhöhe agiert und Holmes schon mal handfest Paroli bietet.

Der neueste Filmfall für Holmes & Watson betrifft einen grausamen Serienmörder. Dabei handelt es sich um den Schwarzen Magier Lord Blackwood. Als sie den zur Strecke gebracht haben, kann der Fall keineswegs zu den Akten gelegt werden, ganz im Gegenteil: Denn der Hingerichtete "lebt" offensichtlich weiter. Und richtet weiterhin viel Schaden an. Er sorgt dafür, dass Holmes und Kollege nicht zur Ruhe kommen, sondern permanent auf Trab gehalten werden. Kopfmässig wie vor allem auch körperlich, physisch.

Denn im Gegensatz zu den herkömmlichen Holmes-Filmen wird hier auch kräftig gefightet. Holmes prügelt sich gleich am Anfang, in "bester China-Art" mit exzellenten Martial-Arts-Fähigkeiten. Holmes gibt nicht nur den brillanten Denker und Analytiker, sondern auch den brillanten Hau-Drauf-Taktierer. Meisterlich wie reihenweise werden die Gegner "handwerklich durchdacht" abgewehrt und niedergerungen. Eine vollendete Fusionssymphonie zwischen starkem Kopf und "klugen Fäusten". Bzw. umgekehrt.

Und natürlich dürfen hier nun auch Frauen aktiv "mittun", von sehr unterschiedlichem Charakter. Eingebunden zwischen "undurchsichtig", zwiespältig, und "angenehm selbstbewusst weiblich".

"Sherlock Holmes" – der neue Film ist modernes Popcorn-Kino. Den alten Staub abstreifend, die Holmes-Figur innen wie außen "vermenschlichend", nunmehr ohne Morphium und Kokain, dafür mit viel Alkoholkonsum, bestechend charismatisch und vor allem natürlich mit exzellenter, einzigartiger, rational-scharfer Ausnahme-Intelligenz ausgestattet. Die Betulichkeit ist weg, jetzt dominiert der viktorianische Exzentriker und Bond-Charmeur, mit tollkühner Akrobatik, unterwegs in Explosionen, mit zynischen Sprüchen, egoistischen Eitelkeiten, zünftigen Tricks und amüsanten sarkastischen Gags. Ein spannender Modern-Typ, dieser alte Sherlock, in dessen "Schatten" sich auch heute "Dr. Watson" ziemlich abzustrampeln hat, um einigermaßen "mit dem Chef" mitzuhalten.

Jude Law (37) sieht schön aus und gibt sich alle Mühe, ein ebenbürtiger Partner (in jeder Hinsicht) zu sein, dennoch vermag er dem 44-jährigen Robert Downey junior, der ja vor zwei Jahren schon als "Iron Man" glänzte und 1992 für die Titelrolle in "Chaplin" sogar eine "Oscar"-Nominierung bekam, nicht das Wasser zu reichen.

Downey, der ja buchstäblich eine lange Durststrecke benötigte, um sich aus seinem Drogen-Tief zu befreien, um dann in Filmen wie "Zodiac – Die Spur des Killers" von David Fincher (2007), "Tropic Thunder" von und mit Ben Stiller (2008/"Oscar"-Nominierung) und "Der Solist" (kürzlich/neben Jamie Foxx) zu brillieren, ist ein Klasse-Holmes. Faszinierend, piekend, originell, schwarz-witzig. Dass er soeben für diesen Part mit einer "Golden Globe"-Auszeichnung bedacht wurde, trifft es: Robert Downey Junior steht gerade in der vollen Blüte seines außengewöhnlichen Talents und "packt" es jetzt anscheinend. Dank seiner unbändigen Kraft, seiner formidablen Ausstrahlung und seiner augenzwinkernden Lässigkeit ist "Sherlock Holmes" ein tolles Kintoppvergnügen geworden, das launig unterhält. Motto: Es lebe der cineastische, bunte Jahrmarkt, der circensische Rummelplatz der Spaßunterhaltung! Mit Fortsetzungsansage(n).

P.S.: Wie vor einiger Zeit zu hören war, ist ein weiterer Holmes-Ulk-Film in Planung; mit Sascha Baron Cohen ("Borat") als Holmes und Comedian Will Ferell ("Ricky Bobby – König der Rennfahrer") als Dottore Watson ...

Großbritannien / Australien / USA 2009. Regie: Guy Ritchie. Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law, Rachel McAdams, Mark Strong, Kelly Reilly, Eddie Marsan, James Fox, Hans Matheson, William Hope, Bronagh Gallagher. Länge: 128 Minuten

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