Shahak Shapira legt sich mit Twitter an

"Das interessiert die einen Scheiß"

Vor der Twitterzentrale in Hamburg wurde ein Hasstweet mit der Botschaft "Retweet if you hate muslims" auf den Boden gesprüht
Shahak Shapira hat für seine Aktion #heytwitter Hass-Tweets vor die Twitterzentrale in Hamburg gesprüht © Shahak Shapira
Shahak Shapira im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 08.08.2017
In den Tweets wird gehetzt, gehasst und aufgewiegelt - doch Twitter schaut tatenlos zu. Selbst als der Satiriker Shahak Shapira einige solcher Hasstweets auf den Gehweg vor der deutschen Unternehmenszentrale sprüht, schweigt der Kurznachrichtendienst weiter.
Liane von Billerbeck: "Nigger sind eine Plage", "Judenschwein", "Lass mal wieder zusammen Juden vergasen, die Zeiten waren schön" – das alles sind Äußerungen, die findet man unglaublich, weiß aber, wenn man sich im Netz rumtreibt, zum Beispiel auch auf Twitter, dass solche Botschaften dort immer wieder vorkommen, obwohl doch Hassmails eigentlich gelöscht werden sollen. In der Nacht zum vorigen Freitag hat der in Berlin lebende israelische Schriftsteller, Musiker und Satiriker Shahak Shapira 30 solcher Hasstweets auf den Gehsteig und die Straße vor der Zentrale von Twitter Deutschland in Hamburg gesprüht. Unterstützer haben mit ihm zuvor die Schablonen von 30 dieser auf Twitter verbreiteten, nicht gelöschten Hassnachrichten hergestellt. Shahak Shapira ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!
Shahak Shapira: Guten Morgen!
Billerbeck: Was wollten Sie mit dieser Aktion vor der Twitter-Deutschland-Zentrale zeigen?
Shapira: Ich glaube, eigentlich wollte ich zeigen, wie es ist, wenn man diese Sachen lesen muss die ganze Zeit. Das war das, was ich Twitter zeigen wollte. Wie fühlt es sich an, wenn man es nicht meiden kann und direkt vor der Tür steht. Was ich auch gezeigt habe, also wie egal es Menschen sein kann, wenn es online steht, aber wie schnell es dann ihnen was ausmacht, wenn es plötzlich auf dem Boden steht.
Billerbeck: Also wenn es digital ist, ist es nicht so schlimm, und wenn man es aber plötzlich materialisiert sieht in Farbe auf dem Gehsteig, dann ist das eine ganz andere Nummer. Wie haben denn die Passanten am Freitagmorgen reagiert?
Shapira: Viele haben sich erst mal gefragt, was das soll, und zu Recht, weil, ich meine, wenn man nicht weiß, was dahintersteckt … Am Anfang dachten Leute, das wären irgendwelche Neonazis, die das gemacht hätten. Ich habe da mit einigen geredet, und als ich ihnen erklärt habe, dass es alles Tweets sind, die gemeldet worden und nicht gelöscht worden sind, dann fanden sie die Aktion gut.

Keine Reaktion von Twitter

Billerbeck: Nun haben Sie das ja vor der Twitter-Zentrale von Deutschland in Hamburg gemacht. Haben denn Twitter-Mitarbeiter darauf reagiert?
Shapira: Twitter hat darauf so reagiert wie er prinzipiell bei diesem Thema reagiert und zwar gar nicht.
Billerbeck: Gar nicht?
Shapira: Nee, es gab keine Reaktion im Grunde.
Billerbeck: Das heißt, es interessiert uns nicht, ist ja bloß auf dem Gehsteig und nicht digital bei uns auf Twitter.
Shapira: Es kam jemand raus zum sauber machen. Ich weiß nicht, ob der von Twitter angeheuert wurde oder von einem anderen Mieter des Gebäudes, aber dann wurde nur wortwörtlich vor der eigenen Haustür sauber gemacht, und alle anderen Tweets auf der Straße wurden einfach stehen gelassen, was symbolisch sehr schön war.
Billerbeck: Jemand hat aber, so habe ich es gehört, Strafanzeige gegen Sie gestellt oder hat das angekündigt wegen Volksverhetzung.
Shapira: Ja.
Billerbeck: Hat Sie das überrascht?
Shapira: Es überrascht mich, dass Leute plötzlich mit so einem Elan kommen, den sie nicht hatten, um diejenigen anzuzeigen, die wirklich Volksverhetzung betreiben.
Billerbeck: Warum haben Sie sich die Mühe gemacht, all diese Hassmails, die zwar angezeigt, aber nicht gelöscht worden sind von Twitter, denen sozusagen vor die Füße zu malen?

Irgendwann werden daraus auch Taten

Shapira: Weil Twitter sich nicht die Mühe gemacht hat, sich damit zu beschäftigen. Dann habe ich mir die Mühe gemacht, es ihnen näherzubringen. Ich glaube, es könnte sich zu einem großen Problem entwickeln. Viele Leute scheinen nicht zu verstehen, warum das gefährlich sein kann, wenn Leute einfach sowas ins Internet schreiben, und solange sie es ins Internet schreiben, ist es natürlich weniger gefährlich als wenn sie tatsächlich diese Dinge tun, von denen sie da sprechen. Aber wenn ich schreibe, ich will alle Schwulen vergasen und sie nach Auschwitz schicken, und ich mache das auf Twitter erst mal, dann sagt niemand was. Ich bekomme keinen Widerstand, und es bleibt online, dann mach ich es noch mal, und dann schreibe ich nicht nur auf Twitter irgendwann, sondern irgendwann sage ich das, und irgendwann versuche ich das in die Tat umzusetzen. Das ist die Entwicklung, die ich mir zumindest vorstelle, und ich glaube nicht, dass man sowas befürworten sollte.
Billerbeck: Vor Ihrer Intervention da in Hamburg hatten Sie ja kein persönliches Gegenüber bei Twitter, mit dem Sie über die Löschung der Hassnachrichten hätten sprechen können. Nun haben Sie eben gesagt, die haben gar nicht reagiert. Die haben auch gar nicht versucht, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen?
Shapira: Nein, weil Twitter so ein unglaublich intransparentes Unternehmen ist. Das interessiert die einen Scheiß, was man sieht. Eine große Herausforderung war, überhaupt das Büro von Twitter zu finden, einfach die Adresse rauszufinden, hat Recherche gebraucht. Man kann da nicht einfach anrufen bei Twitter. Du findest die Telefonnummer nicht, du kannst höchstens so ein Kontaktformular ausfüllen, vielleicht, damit sie auch das ignorieren, aber es gibt jetzt keine Möglichkeit, Twitter zu kontaktieren wie bei fast jedem anderen Unternehmen in Deutschland.
Billerbeck: Verrückt. Shahak Shapira war das, der gegen Hasstweets auf Twitter vor der Deutschlandzentrale von Twitter protestiert hat. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Shapira: Gerne!
Billerbeck: Wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Shapira: Gleichfalls! Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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