
Serie zum Streit um DenkmälerOrte des Kolonialismus in Deutschland
Beitrag hören Podcast abonnieren- Auch das Schloss Ahrensburg, hier das berühmte blaue Wohnzimmer, hat seine koloniale Geschichte: Es gehörte der Familie Schimmelmann, die durch Sklavenhandel zu Reichtum gelangte. (Gettyimages / DEA / M. Borchi)
In unserer siebenteiligen Sendereihe werfen wir einen Blick auf teils wenig bekannte Orte und Denkmäler und beleuchten die kaum aufgearbeitete koloniale Vergangenheit Deutschlands.
Es war ein Moment von historischer Dimension: Am 7. Juni wurde in Bristol im Zuge der "Black Lives Matter"-Proteste die Statue des englischen Unternehmers und Sklavenhändlers Edward Colston vom Sockel gestürzt und im Hafen versenkt. Schnell gerieten auch andere Monumente und Denkmäler, die dem Kolonialismus und Rassismus huldigen, in den Fokus.
Besonders in den USA und im Vereinigten Königreich wurden daraufhin zahlreiche Statuen und Denkmäler entfernt, manche ebenfalls gestürzt, viele jedoch ganz offiziell verbannt. Doch wie sieht es eigentlich in Deutschland aus?
Hier tobt der Streit um die Denkmäler - so scheint es - vor allem im Feuilleton bzw. in den sozialen Netzwerken. Die einen sind dafür, koloniale Denkmäler niederzureißen oder zumindest zu kennzeichnen, die anderen wünschen sich einen differenzierten Umgang mit der Geschichte.
Ehrenamtliche Initiativen leisten die notwendige Arbeit
Also haben wir unsere Landeskorrespondenten und Reporter*innen losgeschickt, um zu erfahren, wie die Debatte über Deutschlands koloniale Vergangenheit vor Ort geführt wird.
In den Norden, nach Hamburg und Ahrensburg sind wir gefahren, genauso wie in den Osten nach Erfurt; ins südliche München, nach Köln in den Westen und in die Mitte Deutschlands - ins UNESCO-Weltkulturerbe Kassel Wilhelmshöhe. Überall ein ähnliches Bild: Ehrenamtliche Initiativen setzen sich mit der kolonialen Vergangenheit auseinander. Von den gewählten Politikern und Entscheidungsträgern dagegen hört man wenig.
Deutschlands Kolonialgeschichte - und damit auch Deutschlands koloniale Denkmäler - so scheint es, werden noch immer geleugnet, verdrängt oder sind in Vergessenheit geraten.
Im Hamburger Nordosten, in Jenfeld, gibt es einen weithin unbekannten Ort, an dem der deutschen Kolonialgeschichte ein Denkmal gesetzt wurde, das einen nicht nur unkritischen, sondern sogar verklärenden Blick auf die Eroberungszüge und die Massenmorde deutscher Truppen zeigt. Derzeit wird in Hamburg darüber diskutiert, was mit dem sogenannten "Tansania-Park" passieren soll. Landeskorrespondent Axel Schröder hat einen Rundgang durch den kleinen Park gemacht:
Eines der beiden sogenannten Askari-Reliefs im Tansania-Park in Hamburg. Beide Teile bildeten das ehemalige "Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal" des Bildhauers und Adjutanten Walter von Ruckteschell. (Deutschlandradio / Axel Schröder)
Eine Straße an der Gera in Erfurt ist mit kurzer Unterbrechung seit 1905 nach Joachim Nettelbeck benannt. Das wollen die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und Decolonize Erfurt ändern. Doch wer war eigentlich Joachim Nettelbeck und wen schlagen die Aktivisten stattdessen als Namensgeber für die Straße vor? Unser Landeskorrespondent Henry Bernhard hat das recherchiert.

Im heutigen UNESCO-Bergpark Wilhelmshöhe wurden Ende des 18. Jahrhunderts Schwarze als "exotische" Bewohnerinnen eines künstlichen Dorfes ausgestellt, das eigentlich ein chinesisches Dorf sein sollte. Woher kamen die Bewohner? Und was wurde aus ihnen? Und wie geht der Bergpark mit dieser Vergangenheit um? Unser Landeskorrespondent Ludger Fittkau hat die Überbleibsel des Dorfs "Mulang" besucht.
Das Dorf Mulang im Unesco-Park Kassel Wilhelmshöhe (Ludger Fittkau / Deutschlandradio)
Seit mehr als 100 Jahren wird auf einer Gedenktafel in München gefallener Kolonialsoldaten gedacht. Längst ist die Tafel ein Sinnbild für den Umgang Münchens mit seiner Kolonialvergangenheit geworden: Anstatt sich der Geschichte zu stellen und einen Umgang mit der Gedenktafel zu finden, ist sie schon mehrfach durch die Stadt gewandert und immer wieder an anderen Orten angebracht worden. Sonderlich beliebt scheint sie nicht zu sein. Unser Landeskorrespondent Tobias Krone hat sich aufgemacht, die Geschichte dieser Gedenktafel zu ergründen.
Die Gedenktafel muss man sich hier denken: Im Münchner Glockenbachviertel erinnerte eine Tafel an gefallene Kolonialsoldaten. Sie wechselte häufiger den Ort. (Tobias Krone / Deutschlandradio)
Ahrensburg ist eine kleine Stadt vor den Toren Hamburgs. Das Leben dort ist eher ruhig, viele Menschen pendeln von hier aus zur Arbeit in die Millionenmetropole. Andere kommen nach Ahrensburg, um sich das historische Schloss anzusehen, das vor mehr als 400 Jahren errichtet wurde. Was allerdings nicht alle wissen – oder nicht alle wissen wollen: Heinrich Carl Schimmelmann, der 1759 das Schloss kaufte und der Ahrensburg entscheidend prägen sollte, hat sein Geld vor allem im Sklavenhandel verdient. Ist die aktuelle Debatte um den Umgang mit deutscher Kolonialvergangenheit auch in Ahrensburg angekommen? Unser Landeskorrespondent Johannes Kulms berichtet.
Schleswig-Holstein, Ahrensburg Anfang Juni 2020: Das Wasserschloss Ahrensburg wurde im Auftrag Peter Graf Rantzaus um 1585 im Stile der Renaissance als Dreifachhaus erbaut. (Markus Scholz/dpa)
In Braunschweig, der einstigen Residenzstadt der Welfen, steht kein Sklavenhalter auf einem Sockel, hier wird ein Löwe abgebildet. Dass es sich hier um ein Kolonialdenkmal handelt, würde kaum jemand wahrnehmen, wären da nicht kreativ-kritische Geister, die es genauer wissen wollen. Unser Landeskorrespondent Alexander Budde berichtet.
Kolonialdenkmal in Braunschweig (Alexander Budde)
In Köln gibt es das sogenannte "Chinese-Veedel", dessen Straßennamen Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte haben: Es liegt im hippen Stadtteil Köln-Ehrenfeld. Wie schwierig die Debatte um Umbenennung und Erinnerungskultur in Köln ist, zeigt die kurze Reportage von Minh Thu Tran.
Eine Tafel verweist auf das sogenannte „Chinese-Veedel“ im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. (Minh Thu Tran)