Serie "Zukunft designen"

Auf der Suche nach dem perfekten Körper

Die Illustration zeigen einen Bodybuilder, der die Rücken- und Armmuskulatur anspannt.
Fitte Mitarbeiter - fittes Unternehmen? Nicht nur die Umsätze werden optimiert - auch das Team optimiert sich selbst. © imago/Ikon Images
Von Frank Kaspar · 11.08.2017
Woher kommt der Drang des Menschen, seinen Körper zu gestalten? Diese Sehnsucht, ein Bild von sich zu entwerfen? Frank Kaspar hat beim Kunstwissenschaftler Jörg Scheller nachgefragt. Der hat über Arnold Schwarzenegger und die Geschichte des Bodybuildings promoviert.
"Körper machen Leute", mit diesem Slogan wirbt ein Fitness-Anbieter für seine Trainings. Kleiderordnung war gestern, so lautet die clevere Botschaft. Heute soll auch dann alles wie maßgeschneidert sitzen, wenn man nichts als die eigene Haut auf dem Leib trägt. Denn Körper lügen nicht. Und darin liegt auch ein Versprechen:
"'Du kannst es schaffen, du kannst an dir arbeiten, du kannst dich verändern, du kannst aufsteigen.' Das ist das Versprechen: (…) arbeite an dir, transformiere dich, jeder kann es schaffen, also eigentlich ur-liberale Vorstellungen."

Siegeszug der Muckibude

In der Devise "Designe dich selbst" erkennt der Kunstwissenschaftler Jörg Scheller einen Leitsatz der Moderne. Scheller hat die Geschichte des Bodybuildings erforscht und eine Doktorarbeit über Arnold Schwarzenegger verfasst. Was heute Mainstream ist, sagt er, begann vor 50 Jahren als Subkultur in verschwitzten Muckibuden. Und die Vorgeschichte des ästhetischen Kraftsports reicht bis um 1900 zurück, als Zirkus- oder Kirmes-Ringer den "Starken August" markierten.

Als Wiedergänger solcher Muskelprotze tritt der Berliner Musiker und Kraftsportler Rummelsnuff in Erscheinung. Der aufgepumpte Oberkörper ist sein Markenzeichen:
"Ich bin 1,76, wiege an die 110 Kilo, und das verteilt sich, wenn es alles richtig gemacht wurde, meist auf Muskelmasse. Für mich ist es ein bisschen mein persönlicher Schmuck und mein Steckenpferd, der Kraftsport."

Der Bodybuilder als Meißler seiner selbst

Im Kraftraum wird der Bodybuilder zu einem Bildner seiner selbst, erklärt Jörg Scheller:
"Man meißelt sich selbst wie eine Statue, man vervollkommnet sich wie ein Bildhauer seinen Marmorblock."

Dokument aus Schwarzeneggers früher Karriere als Bodybuilder:

In den Achtzigerjahren, als Arnold Schwarzenegger seine beispiellose Karriere vom Fitness-Studio auf die große Leinwand begann und Rummelsnuff die ersten Hanteln stemmte, waren Bodybuilder eine Avantgarde der Körperkultur. Heute stehen sie am Rande. Für ihre grotesk übersteigerten Staturen ernten sie skeptische Blicke. Mit den Fitness-Ambitionen der breiten Masse haben sie ihrerseits nicht viel im Sinn. Scheller dazu:
"Man will nicht dem Mainstream gefallen, sondern man will herausstechen, man will irritieren, man will provozieren. Es gibt unter Bodybuildern die schöne Anekdote, dass, wenn man am Strand entlang läuft, und jemand ruft: 'Oh, wie schön!', dann hat man etwas falsch gemacht, wenn aber jemand ruft: 'Um Gottes willen! Das ist doch nicht mehr schön!', dann hat man alles richtig gemacht."

Der ideale Körper in der Antike

Dabei geht der Wunsch, zum Schöpfer seiner selbst zu werden, durchaus auf die Utopie eines idealen Körpers zurück.
"Es ist ein perfekter Körper, es ist ein schöner Körper, es ist ein Körper, der nicht riecht, der nicht stinkt, der nicht schwitzt..."
So stellte man sich im Mittelalter den Körper nach der Auferstehung vor. Philosophen der Aufklärung und einige ihrer Vorläufer versetzten dieses Körper-Ideal vom Jenseits in Diesseits und vertraten fortan die Idee, dass der Mensch befähigt und dazu verurteilt sei, sich ständig zu verbessern – und sich selbst zu vollenden. Dazu nochmal Scheller:
"Was in der Neuzeit noch unter den Vorzeichen von 'cogito ergo sum' stand, also: 'Ich denke, also bin ich', das steht dann in der materialistischen Moderne unter dem Motto: 'sculpo ergo sum': 'Ich forme mich, also bin ich.'"

Körper, Technik, Archaik

Bodybuilder, die ihre Muskelgruppen trainieren wie Module einer Maschine, kombinierten Körper und Technik noch auf relativ archaische Weise. Die Avantgarde zieht weiter: Körper-Bildner von heute nutzen längst Implantate oder chirurgische Eingriffe, um sich mit Teufelshörnern oder Elfen-Ohren zu verschönern, mit einer gespaltenen Zunge oder stimulierenden Perlen unter der Haut. Und der australische Künstler Stelarc experimentiert mit künstlichen Organen. Jörg Scheller dazu:
"Der hat sich ein Ohr auf den Unterarm operieren lassen und hat in dieses Ohr ein Mikrofon eingepflanzt, hat das mit irgendeinem Bluetooth System verbunden, so dass nun, wenn er spricht, seine Sätze von diesem Ohr am Unterarm gehört werden und in alle Welt übertragen werden können."

Vom Non-Konformismus zum Neo-Konformismus

Werden Experimente der Körper-Kunst und Fortschritte der kosmetischen Chirurgie auf lange Sicht für alle neue Standards setzen? Wird der Design-Körper in Zukunft zum Maßstab für immer mehr Bereiche der Gesellschaft? Für Jörg Scheller scheiden sich an solchen Fragen jedenfalls die Geister.
"So lange das einen künstlerisch-avantgardistischen, spielerischen Charakter hat, ist immer noch genug Nonkonformismus enthalten, sobald es in eine allgemeine konformistische Praxis übersetzt werden soll, also zum Beispiel im Bereich der Krankenversicherung, dass ich höhere Beiträge zahle, wenn ich bestimmte Enhancements nicht mitmache, wenn ich bestimmte Überwachungstechniken nicht akzeptiere, da ist für mich eine Grenze gezogen, dann müssen alle Alarmglocken schrillen."

Weitere Beiträge aus der Reihe "Zukunft designen" finden Sie hier.

Mehr zum Thema