Serie - Frauen im Bauhaus: Michiko Yamawaki

Eine Japanerin in Dessau

Das Bauhaus-Gebäude in Dessau
Das Bauhaus in Dessau - Anfang der 30er Jahre war es der Sehnsuchts- und Freiheitsort für die junge japanische Studentin Michiko Yamawaki. © © Tillmann Franzen
Von Vladimir Balzer · 09.01.2019
Dessau war 1930 eine 40-tägige Schiffsreise von Japan entfernt. Michiko Yamawaki reiste dennoch mit ihrem Ehemann nach Deutschland, um bei den Bauhaus-Ikonen zu studieren - und wurde später zum Star der japanischen Modeszene.
1930 von Japan nach Deutschland zum Studieren. Das hieß 40 Tage auf dem Schiff. 9000 Kilometer.
Man musste es also wirklich wollen. Michiko Yamawaki wollte. Sie war 19, ihr Ehemann war dabei. Ein japanisches Studenten-Paar im Dessau der späten Weimarer Republik.

Was ihr schwerfiel? Die deutsche Sprache. Ein bisschen hatte sie gelernt, sie musste. Deutsch war die einzige Sprache am doch eigentlich international orientierten Bauhaus. Doch Wassily Kandinsky half ihr. Er fasste schwierige Themen extra für sie noch mal auf Englisch zusammen.

Was sie nicht mochte? Das schwere Essen! Sie wohnte bei einer Dessauer Familie und das Essen dort war, naja... Deutschland 1930, gute Stube, viel Fettiges auf dem Tisch.
Was sie sich aber nicht nehmen ließ? Die neue Freiheit. Die Designerin Mariko Takagi aus Kyoto hat über sie geforscht.

"Sie ließ sich die Haare abschneiden, obwohl ihre Mutter gesagt hatte: Nein! Sie war eine junge Frau, eigentlich noch ein Teenager. Es war eine aufregende Neuentdeckung, wie man leben könnte. Es war ein sehr spannender Zeitpunkt für sie."

Sie spielte vieles durch. Als Studentin trug sie natürlich Hosen. Aber auf den legendären Bauhaus-Festen trat sie im selbst gestalteten Kimono auf, spielte mit japanischen Traditionen und Schriftzeichen, performte traditionelle Tänze.

Josef Albers war der Tee-Zeremonienmeister

Ihr Vater war erfolgreicher Unternehmer, Kunstsammler und Tee-Zeremonienmeister. Das hieß nicht nur: gesellschaftlich privilegiert und äußerst wohlhabend. Das hieß auch: mit Sinn für die einfachen, aber schönen Dinge. Mit Sinn für das verwendete Material. Das fand sie in Dessau wieder, sie sprach sogar von "Seelenverwandschaft", etwa mit ihrem Lehrer Josef Albers, den sie als streng aber gutmütig beschrieb - wie ein Tee-Zeremonienmeister.
Die einfachen Formen, die Abwesenheit von Ornamenten und Effekten - das hatte sie aus Japan mitgebracht und fand es wieder in Deutschland. Was sie auch wiederfand: Spannung. Die Spannung, die sich aus den Formen ergibt. Michiko Yamawaki erinnert sich, wie Wassily Kandinsky eine improvisierte Skulptur schuf. Er verkeilte Stühle mit den verschmutzten Fahrrädern der Studentinnen ineinander. Seht her - da ist Spannung!

Ihr Hauptfach war die Weberei

Ihr Hauptfach aber war die Weberei, angeleitet von Anni Albers und Gunta Stölzel. Zwei Jahre blieb sie, Geld spielte keine Rolle, ihr Vater kümmerte sich. 1932 ging es zurück nach Japan. Dessau hatte den Bauhaus-Campus geschlossen, sie und ihr Mann konnten ihren Abschluss nicht mehr machen.

Als die beiden zurückkamen, lehrte sie an einer dem Bauhaus vergleichbaren Schule in Tokio. Dort gab sie weiter, was sie in Dessau gelernt hatte: ein universelles Studium, in dem Farben, Formen, aber auch Musik und Bewegung eine Rolle spielten. Aus Japan kannte sie bisher eher die hochspezialisierten Studiengänge.

Michiko wurde ein Star in der japanischen Modeszene, eine Influencerin mit Bauhaus-Erfahrung.
Das moderne Textil-Design, das sie vertrat, war eine wundervolle Mischung aus Ost und West, aus Japan und Europa. Sie schuf etwa Kimonos, deren Muster auf den ersten Blick traditionell anmuteten, sich aber bei näherem Hinsehen in geometrische Formen auflösten: Kreise, Halbkreise, Rechtecke. Das Bauhaus war durch sie in der japanischen Textilkunst angekommen.
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