Serie: Frauen im Bauhaus – Margarete Schütte-Lihotzky

Architektin und "Mutter der Einbauküche"

Bildmontage: Links ist ein SW-Foto von Margerete Schütte-Lihotzky zu sehen. Rechts die sogenannte "Frankfurter Küche", die sie entworfen hat.
Margarete Schütte-Lihotzky hat die "Frankfurter Küche" entworfen. © Deutschlandradio-Montage / imago / stock & people
Von Susanne Burkhardt · 06.01.2019
Margarete Schütte-Lihotzky wird oft mit dem Bauhaus in Verbindung gebracht, hat aber nur indirekt damit zu tun. Ihr Entwurf für eine moderne Küche – die "Frankfurter Küche" – wird bis heute gern als "Bauhaus-Küche" bezeichnet.
Es gibt nicht viele Inneneinrichtungen und Architektinnen, die in Popsongs gefeiert werden. Aber da ist Margarete Schütte-Lihotzky und ihre "Frankfurter Küche". Und diese Hommage des Londoner Musikers Robert Rotifer: "This is my tribute to the Frankfurter Kitchen…"
Der ideale Arbeitsplatz für eine Person, genauer gesagt: für die berufstätige Frau, so Kunsthistorikerin Adriana Kapsreiter: "Also was die 'Frankfurter Küche' mit dem Bauhaus gemeinsam hat, ist sicher der Wunsch nach Effizienz – nach einem neuen praktischen Leben, das es so vorher nicht gab."

Geprägt vom Neuen Bauen

Margarete Schütte-Lihotzky war zwar nie am Bauhaus, aber geprägt vom "Neuen Bauen", einer deutschen Architektur- und Städtebaubewegung, entstanden vor dem ersten Weltkrieg, die in der Zeit der Weimarer Republik endet. Als eine der ersten Frauen studiert die Österreicherin an der Kunstgewerbeschule in Wien Architektur. Als erste Architektin geht sie ins Hochbauamt - eine Männerdomäne:
"Sie hat wohl selbst gesagt - noch kurz vor dem Krieg: Sie glaubt nicht, dass Frauen jemals Häuser bauen dürfen. Dass sie es trotzdem gemacht hat, zeigt, wie hungrig diese Frauen waren auf Wissen, auf Fähigkeiten, auf was Neues und sich neu zu erfinden in dieser Zeit", sagt Adriana Kapsreiter.

Einbauküche für Sozialwohnungen in Frankfurt

Nach Frankfurt holt die junge Architektin 1926 der Leiter des Hochbauamtes Ernst May. Er initiiert im Rahmen des Projektes "Neues Frankfurt" den Bau von mehr als 10.000 Sozialwohnungen. Schütte-Lihotzky entwickelt dafür eine Einbauküche, die zum Standard und zum Beispiel für die Bewegung "Neues Bauen" wird. Die experimentelle Lehrstätte dieser Bewegung, das Bauhaus, geht noch einen Schritt weiter.
"Ich denke, dass wir heute auch oft vergessen, weil wir das Bauhaus als so rationalistisch empfinden: In Wahrheit war das Bauhaus unheimlich idealistisch. Natürlich ging‘s um moderne Technik, aber man wollte in fast romantischem Geist die Menschen beeinflussen", berichtet Adriana Kapsreiter.
Die Idee der "Frankfurter Küche" ist dagegen vor allem pragmatisch – 1926, so kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges: "Es gibt kaum Wohnraum, wenig Geld. Wir haben prekarisierte Wohnverhältnisse. Das war fast schon ein sozialistischer Ansatz, mehr als so‘n künstlerischer Gesamtkunstwerkansatz", sagt Adriana Kapsreiter.


Dass die "Frankfurter Küche" bis heute auch Bauhaus-Küche genannt wird, könnte an den Bauhaus-Männern liegen:
Salini, Lino, Bildnis im Sitzen nach links der Grete Schütte-Lihotzky, erste Architektin am Hochbauamt der Stadt Frankfurt, Frankfurt am Main, 1927, Buntstift.
Diese Zeichnung (1927) zeigt Margarete Schütte-Lihotzky. Sie war eine der ersten Frauen, die in Österreich Architektur studierten.© Historisches Museum Frankfurt
"Es ist spannend, dass die 'Frankfurter Küche' fast im gleichen Jahr wie die von Ise Gropius am Bauhaus entworfene Küche in die Welt kam. Man muss sagen, Bauhaus war im großen Sinn ein Männerverein. Man hat dann gewisse Dinge als Weiberkram abgetan. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass Gropius die Küche spannend fand, weil sie modern war – aber das Vermarkten hätte abgelenkt von dem eigentlich größeren Gedanken: Das progressive Gesamtkunstwerk des 20. Jahrhunderts - und nicht so triviale Fragen wie: ‚Wie sieht die Küche aus?‘"

Lebensaufgabe: Sozialer Wohnungsbau

Auch Margarete Schütte-Lihotzky, die im Jahr 2000 im hohen Alter von 103 in Österreich starb, verstand sich nicht als Küchenarchitektin. Ihre Lebensaufgabe war der soziale Wohnungsbau. Sie entwarf Siedlungstypen für Kleingartenhäuschen, Kindergärten und Modelle für Sozialwohnungen. Mit Ernst May ging sie 1930 in die Sowjetunion, um Industriestädte zu planen, sympathisierte mit dem Stalin-Kommunismus.
1940 zurück in Wien kämpfte sie im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, wurde verraten und kam bis Kriegsende ins Zuchthaus. Im Wien des Kalten Krieges wurde sie, die Kommunistin, als Architektin boykottiert und erst spät – mit 90 - rehabilitiert und ausgezeichnet. Ihre "Frankfurter Küche" – einst als radikal und modern gefeiert - wurde später kritisch gesehen: Denn Frauen lassen sich ungern zur Küchenarbeiterin degradieren – eingesperrt in eine kleine Funktionszelle. In Robert Rotifers Song wird Schütte-Lihotzky so zitiert:
"Hätte ich gewusst, dass alle nur über diese verdammte Küche reden, ich hätte sie nie erfunden." Das wäre allerdings schade.
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