Sergio Leone

Der Western-Meister

Der italienische Filmregisseur Sergio Leone (aufgenommen im Mai 1984)
Sergio Leone (aufgenommen im Mai 1984) © picture-alliance / dpa - Morvan Remy Le
Von Katja Nicodemus  · 30.04.2014
Nur sieben Filme drehte der italienische Regisseur Sergio Leone. Doch darunter befinden sich gleich einige, die ihn in die Filmgeschichte katapultierten - als Erneuerer des Westerns und des Gangsterfilms.
Dieser Auftritt lässt sich alle Zeit der Welt. Bis in die endlose Weite der amerikanischen Wüste hinein dehnt sich der Moment, in dem Clint Eastwood in "Für eine Handvoll Dollar" den Film und ein kleines Dorf in New Mexico betritt. Zehn Minuten und eine gefühlte Ewigkeit dauert es, bis er die Situation erkannt, drei Männer erschossen und einen Freund gefunden hat. Zehn Minuten, in denen die Zeit still zu stehen scheint, die Sonne brennt, der Wind zu hören ist und das Gesicht von Clint Eastwood zur zweiten Landschaft des Films wird.
Es ist nicht die Geschichte dieses 1964 entstandenen Westerns und ersten Films der sogenannten "Dollar-Trilogie", die im Gedächtnis bleibt. Es sind die Gesten und Motive, es ist die ritualisierte Inszenierung. "Mein Hauptdarsteller ist die Zeit", hat Leone einmal gesagt. Die kultisch zelebrierte Zeit macht seine Western zu Kultfilmen im wahrsten Sinne des Wortes. Mit Helden, die immer schon wissen, wem wann die Stunde geschlagen hat.
Selbst das Schießen macht Leone zum liturgischen Akt
Immer wieder werden Sergio Leones Italo- oder "Spaghetti-Western" mit Opern verglichen. Er bläht die Elemente des Genres, die Kämpfe um Land, Gold, Wasser, die Schlachten der brutalen Prärieherren zum gigantischen Crescendo auf. Und genau wie in der Oper geht es ihm nicht um psychologische Tiefe, sondern um die Wahrhaftigkeit in der Überhöhung. Die Überhöhung, die Präzision der großen Geste hatte Leone, der am 30. April 1989 im Alter von 60 Jahren in Rom starb, als junger Assistent bei Sandalenfilmen in den Studios von Cinecittà gelernt. Als Regisseur seiner Western macht er selbst das Schießen zum liturgischen Akt.
Der Moment des Tötens und des Sterbens - in "Spiel mir das Lied vom Tod" wird er zur Rache eines Lebens, zerlegt in Augen, Hände, Schweißtropfen. Ein Straucheln, der fallende Körper, ein Augenaufschlag. In dem Komponisten Ennio Morricone hatte Leone einen Komplizen gefunden, der die quasi mikroskopische Beobachtung seiner Filme mit ihrem opernhaften Gestus verband, und der den Wechsel von extremen Nahaufnahmen und erhöhten Perspektiven zu orchestrieren verstand.
Sergio Leone: "Wir haben uns auf eine besondere Methode geeinigt. Ich lasse ihn die Musik schreiben, bevor ich zu drehen anfange. Ich weiß genau, was ich will. So erzähle ich ihm sehr viel über meinen Film. Als wäre es eine selbst erlebte Geschichte. Ich schildere ihm alle Einzelheiten, beschreibe ihm genau die Charaktere der Personen. Erst dann komponiert er verschiedene Themen."
Das große Thema von Leones mythisch aufgeladenen Filmen ist nicht die Liebe oder der Tod. Es ist die Freundschaft. Manchmal merken Leones Figuren gar nicht, dass sie befreundet sind. Oder zu spät. Etwa, wenn die Figuren von Jason Robards und Charles Bronson, der gesetzlose Cheyenne und der Mundharmonika-Spieler, in "Spiel mir das Lied vom Tod" erst ganz am Ende, als einer von beiden angeschossen darnieder liegt, einander in die Augen blicken und sich wirklich erkennen. In seinem Gangsterepos "Es war einmal in Amerika", das sich über fast 50 Jahre erstreckt, erzählt Leone 1984 von zwei Kindheitsfreunden, "Noodles" und Max, gespielt von Robert de Niro und James Woods. Es geht um unbedingte Treue, Liebe und Verrat. Und um das Verstreichen der Zeit, die hier - und bei Leone überhaupt - eben nicht alle Wunden heilt.
Film-O-Ton "Es war einmal in Amerika":
"Vor vielen Jahren hatte ich einen Freund. Einen guten Freund. Ich rief die Bullen, weil ich ihn retten wollte. Er wurde getötet. Aber er hat es so gewollt. Es war eine wunderbare Freundschaft."
Im Innern von Sergio Leones Filmen gibt es einen unzerstörbaren Kern: sein Mitgefühl mit der Einsamkeit der Helden, mit der Einsamkeit des Menschen. Es ist auch eine Einsamkeit im Angesicht der Geschichte. Und während sich Amerika in seinen Filmen konstruiert, aus Gewalt und Korruption, aus dem Schweiß von Eisenbahnarbeitern, bleiben seine Figuren unerlöst zurück. Selbst Claudia Cardinale, die in "Spiel mir das Lied vom Tod" am Ende von dem namenlosen Helden verlassen wird. Warum sollte man sich auch in die Arme fallen? Wenn die verstreichende Zeit auch diesen Moment vergänglich erscheinen lässt und die größten Kinogefühle ohnehin die unerfüllten sind.
Film-O-Ton "Spiel mir das Lied vom Tod:
Bronson: "Das wird mal eine schöne Stadt. Sweatwater."
Cardinale: "Sweatwater wartet auf dich."
Bronson: "Irgendeiner wartet immer."