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Bundeswehr-Aufklärungsflüge in Incirlik
"Keine Anhaltspunkte, dass diese Fotos missbraucht werden"

Der CDU-Politiker Henning Otte hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Türkei benutze Luftaufnahmen der Bundeswehr für ihren Kampf gegen die syrischen Kurden. Es gebe einen klaren, abgegrenzten Auftrag - nämlich gemeinsam gegen den IS vorzugehen, sagte Otte im Deutschlandfunk. Kontrolliert werde das aber nicht.

Henning Otte im Gespräch mit Bettina Klein | 07.09.2016
    Verteidigungsausschussmitglied Otte (Mitte) mit Verteidigungsministerin von der Leyen, hier in einem Camp der Bundeswehr in Mali
    Verteidigungsausschussmitglied Otte (Mitte) mit Verteidigungsministerin von der Leyen, hier in einem Camp der Bundeswehr in Mali (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Otte bezog sich auf Äußerungen des Linken-Politikers Jan van Aken. Er hatte gestern im Deutschlandfunk gesagt, mit ihren Aufklärungsflügen leiste die Bundeswehr der Türkei im Kampf gegen die Kurden "aktive militärische Unterstützung". Dem widersprach Otte im DLF. Van Aken wolle bewusst Unsicherheiten erzeugen und Unfrieden stiften. Otte betonte, es sei klar umschrieben, dass die Aufnahmen nicht eingesetzt werden dürften, um gegen die Kurden vorzugehen. Auf Nachfrage räumte Otte allerdings ein, dass keine Kontrolle stattfindet: "In der Tat vertrauen wir hier der Türkei".
    Im Streit um den Truppen-Besuch deutscher Bundestagsabgeordneter im türkischen Incirlik sagte Otte, er gehe fest davon aus, dass sich die Situation nun normalisiere werde und die Reise wie geplant Anfang Oktober stattfinden könne.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Am Telefon ist der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte. Guten Morgen!
    Henning Otte: Guten Morgen, Frau Klein!
    Klein: Herr Otte, beginnen wir mit den Investitionen in Incirlik, die jetzt auf den Weg gebracht wurden. Das ist keine Vorentscheidung zu einer Verlängerung des Mandates? Das verstehen wir richtig?
    Otte: Das ist richtig. Das ist eine Investition, die jetzt notwendig ist, wie in Ihrem Bericht richtigerweise gesagt: in einen mobilen Gefechtsstand und in eine, nennen wir es mal, Betonplatte, um besser dort zu arbeiten, und auch, um für die Fluggeräte gute Voraussetzungen zu schaffen.
    Klein: Wovon hängt denn Ihrer Meinung nach ab, ob dieses Mandat dann am Ende verlängert wird oder nicht?
    "Incirlik bietet gute Voraussetzungen, um gegen den IS zu agieren"
    Otte: Das hängt davon ab, wie der Deutsche Bundestag entscheidet, und Voraussetzungen für uns sind, dass der Auftrag von dort aus sinnvoll weitergeführt werden kann. Incirlik bietet gute Voraussetzungen von der Infrastruktur und von der Sicherheit her, um von hieraus gemeinsam mit anderen Partnern gegen den IS zu agieren.
    Klein: Können Sie das bestätigen, Herr Otte, dass offensichtlich von Seiten der NATO da auch ein gewisser Druck auf die Türkei ausgeübt wurde, sich jetzt auch kooperativ zu zeigen, auch mit Blick auf das Verhältnis mit Deutschland? Ist die NATO im Augenblick also doch noch der einzige Player in diesem Zusammenhang, der Einfluss auf die Türkei hat?
    Otte: Ich denke schon, dass der Türkei bewusst geworden ist, dass sie als Teil der NATO ihre Voraussetzungen so gestalten muss, dass die Bedingungen gut sind, und dass die Türkei auch die Verpflichtungen einhalten muss. Die NATO agiert von dort aus gegen den IS, von einem Stützpunkt des türkischen Partners, und deswegen sind Bedingungen zu erfüllen, und hier hat die Türkei gemerkt, sie kommt sonst in eine, sagen wir mal, Rückwärtsposition.
    Klein: Ich würde gerne noch mal auf Kritikpunkte an dem Einsatz schauen, gerade weil wir darüber auch gestern hier an dieser Stelle in unserem Programm berichtet haben. Vom Linken-Politiker Jan van Aken kam noch mal massive Kritik dergestalt, dass die Bundeswehr dort Luftaufnahmen vornimmt von der ganzen Situation, um gegen den Islamischen Staat zu kämpfen, und ganz praktisch landen die Fotos in Minutenschnelle auch bei der Türkei, und die benutzt sie, so sagt van Aken, natürlich nicht, um den IS, sondern um die Kurden zu bekämpfen. Das heißt, hier gibt es im Prinzip eine indirekte militärische Unterstützung für den Kampf gegen die Kurden. Das ist ja eigentlich nicht hinnehmbar?
    "Das, was Herr van Aken sagt, das stimmt nicht"
    Otte: Nein, das gibt es auch nicht. Herr van Aken versucht, hier bewusst Unsicherheiten zu erzeugen, und versucht, auch ein Stück weit Unfrieden zu stiften. Es gibt einen klaren Auftrag, nämlich gemeinsam im Kampf gegen den furchtbaren IS-Terror vorzugehen, der erfolgreich ist, weil wir den IS zurückdrängen. Er ist notwendig, weil der IS-Terror dort menschverachtend vorgeht. Und hier ist der Auftrag klar umschrieben, klar abgegrenzt, und das, was Herr van Aken sagt, das stimmt nicht.
    Klein: Sie sprechen davon, dass der Politiker Verunsicherung auslösen möchte. Aber ausschließen kann ja auch die Bundesregierung offensichtlich nicht, für welche Zwecke die Türkei diese Aufnahmen am Ende verwendet.
    Otte: Es ist hier klar umschrieben, dass die Aufnahmen auch unserer RECCE Tornados dazu dienen, den IS zu bekämpfen, nicht gegen die Kurden vorzugehen, und das wird eingehalten.
    Klein: Das heißt, das können Sie überprüfen, dass das eingehalten wird? Weil bisher heißt es ja, wir vertrauen da der Türkei und mehr können wir eigentlich nicht tun.
    "Keine Anhaltspunkte, dass Fotos deutscher Tornados missbraucht werden"
    Otte: Ja. In der Tat vertrauen wir hier der Türkei, weil es einen gemeinsamen Auftrag gibt. Hier hat die NATO eine feste Vorgehensweise. Und ich persönlich habe keine Anhaltspunkte, dass diese Fotos deutscher Tornados missbraucht werden.
    Klein: Aber wir halten noch mal fest: Es ist eine Vertrauensfrage an der Stelle. Überprüfen lässt es sich nicht, wofür die Fotos am Ende verwendet werden? Das ist richtig?
    Otte: Herr van Aken kann nicht einfach hier eine Behauptung in den Raum stellen. Dann soll er das bitte im Verteidigungsausschuss beweisen.
    Klein: Er hat keine Beweise, aber Sie oder die Bundesregierung im Grunde genommen auch nicht, weil man nicht weiß, was mit diesen Fotos gemacht wird.
    Otte: Ich erwehre mich hier nicht einer einfachen Behauptung von Herrn van Aken.
    Klein: Okay. Dann belassen wir es dabei. - Herr Otte, schauen wir noch mal auf den Besuch der Abgeordneten dort in Incirlik, der geplant ist für den 8. Oktober inzwischen. Gehen Sie davon aus, dass das alles reibungslos jetzt doch über die Bühne geht?
    Otte: Ich gehe davon aus, dass sich die Situation jetzt normalisieren wird, dass die Parlamentarier, insbesondere wir als verteidigungspolitische Sprecher dort auch unsere Bundeswehr besuchen können, uns einen eigenen Eindruck verschaffen können. Und in der Tat ist Anfang Oktober eine Reise hier geplant.
    Klein: Wovon genau wollen sich die Abgeordneten denn dort überzeugen?
    Otte: Wir wollen uns davon überzeugen, wie es unseren Soldatinnen und Soldaten geht, wie die Sicherheitslage ist, wie die Versorgung ist, die Kommunikation zu den Familien nach Hause, also ein Bild vor Ort machen, wie wir das üblicherweise an allen Auslandsstandorten machen.
    Klein: Das heißt, es geht um die Befindlichkeiten der Soldaten dort, aber nicht um politische Implikationen, wie wir das hier gerade angesprochen haben, zum Beispiel mit der Verwendung der Fotos? Das ist gar nicht vorgesehen, dass Sie das überprüfen dort?
    Otte: Natürlich sprechen wir dort mit den Soldaten. Wir verschaffen uns einen Blick vor Ort. Wir sehen den übergeordneten Auftrag, den lassen wir uns erläutern. Aber das ist ein ganz normales Prozedere, wie wir das in allen Einsatzgebieten auch durchführen.
    "Ich gehe fest davon aus, dass wir unsere Bundeswehr besuchen können"
    Klein: Jetzt hören wir auch versöhnliche Töne heute Morgen vom türkischen Außenminister. Der hat sich gegenüber der Zeitung "Die Welt" geäußert und hat signalisiert: Wenn Deutschland sich so verhalte wie jetzt, wobei nicht näher ausgeführt ist, was er damit meint, dann werden wir erwägen, da die deutschen Abgeordneten dort auch zugelassen werden nach Incirlik. Das heißt, so ganz sicher scheint das ja nicht zu sein, denn er fügt dann hinzu:
    Wenn Deutschland weiter versucht, die Türkei schlecht zu behandeln, dann sei das nicht der Fall. Das heißt, es ist eigentlich noch nicht so sicher, ob die Bedingungen da erfüllt sind, dass deutsche Abgeordnete dort hinreisen können, oder wie verstehen Sie das?
    Otte: Frau Klein, ich gehe fest davon aus, dass wir unsere Bundeswehr dort besuchen können, Anfang Oktober. Das wird sich diese Woche voraussichtlich schon regeln, wenn auch die türkische Botschaft hier wieder vollständig besetzt ist und wir hier auch ein klares Verständnis dann gemeinsam haben zu sagen, innerhalb einer NATO, insbesondere dann, wenn es eine Parlamentsarmee ist, ist es selbstverständlich, dass die Parlamentarier ihre Soldatinnen und Soldaten besuchen.
    Klein: Das klingt so ein bisschen, dass es jetzt doch wiederum vom Wohlverhalten, sage ich mal, der deutschen Seite abhängig gemacht wird?
    Otte: Hier hat der Regierungssprecher Seibert alles in der Pressekonferenz am letzten Freitag gesagt. Diese Diskussion ist ausgestanden. Wir gucken jetzt nach vorne. Wir halten an unserer politischen Meinung fest und insbesondere am Besuchsrecht.
    Klein: Herr Otte, ich würde gerne noch mal abschließend kurz auf eine Meldung schauen, die seit gestern Abend im Raum steht. Es geht darum, dass angeblich ein Interview beschlagnahmt wurde, das die Deutsche Welle mit dem Sportminister der Türkei vor Ort geführt hat.
    "Wir halten an unserer politischen Meinung fest"
    Es ist noch nicht so ganz hundertprozentig klar, wir konnten das heute Morgen auch noch nicht verifizieren, wie das abgelaufen ist. Aber was wäre denn Ihre Reaktion? Ist das für Sie nach dem, wie Sie das beurteilen können, ein weiterer Beleg für Angriffe auf Pressefreiheit in der Türkei, oder wie verstehen Sie das?
    Otte: Man muss sich diesen Vorgang noch einmal ganz genau schildern. Ich habe auch nur davon gehört. Aber grundsätzlich bleibt es dabei, Frau Klein: Die NATO ist nicht nur eine Verteidigungsgemeinschaft; sie ist auch eine Wertegemeinschaft. Dazu gehören auch Menschenrechte, dazu gehört auch die Pressefreiheit. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit und daran sollte sich auch der NATO-Partner Türkei halten.
    Klein: Sollte sich das bestätigen, muss es dann Konsequenzen geben, auch vonseiten der Bundesregierung?
    Otte: Hier gilt es, den Einzelfall noch einmal genau zu beleuchten. Ich halte an der grundsätzlichen Linie fest, das wird ja auch immer von der deutschen Regierung auch gegenüber der Türkei deutlich gemacht.
    Klein: Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Otte.
    Otte: Danke, Frau Klein!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.