Serbische Medien unter Druck

Der Gegner steht im eigenen Land

Serbische Tageszeitungen
Journalisten in Sorge: Serbische Tageszeitungen geraten zunehmend unter Druck. © Deutschlandradio/ Sabine Adler
Von Sabine Adler · 16.07.2018
"Selbst zu Zeiten des Regimes von Milosevic, der zweifellos ein Autokrat war, gab es so etwas nicht", sagt Biljana Stepanonic, Chefredakteurin einer Wirtschaftszeitung, über den Druck auf die Medien in Serbien. Und die EU verschärft das Problem.
Dragan Janjic ist ein erfahrener Fuchs, Jahrzehnte im Nachrichtengeschäft, heute Chefredakteur der unabhängigen Nachrichtenagentur BETA, die 50 Mitarbeiter beschäftigt. Der Markt ist klein, weil kaum jemand mehr für Inhalte zahlt, der Druck, nicht nur wirtschaftlich, groß.
"Alle Medien, die nicht tun, was die Regierung erwartet, bekommen über kurz oder lang Druck zu spüren. Sie versuchen, uns die Richtung vorzugeben: Berichtet nicht über dieses Thema, sondern über jenes. Und sie wollen keine Analysen."
Genau dies, die Analysen, sind die Nische, die BETA, der Nachrichtenagentur in Belgrad, das Überleben sichert. Manche ihrer Kunden beliefern sie exklusiv. Schwer waren die Zeiten immer, zu Zeiten der Jugoslawienkriege Anfang der 1990er Jahre hatten sie ihren eigenen Korrespondenten in Sarajewo, damals Feindesland. Doch heute steht der Gegner im eigenen Land, er hat es abgesehen auf die freie Presse und die großen staatlich gelenkten Abonnenten, die Nachrichten von BETA bezogen, haben der Agentur bereits gekündigt.

Eine Opposition braucht unabhängige Medien

"Der staatliche Sender RTS, Radio und Fernsehen Serbiens, hat unser Abonnement gekündigt. Nach 23 Jahren Zusammenarbeit. Wir haben drei Abonnenten verloren. Das klingt nicht nach viel, aber es waren sehr große Kunden. Wie auch 'Wetschernij nowosti', Abendnachrichten, eine der wichtigsten Tageszeitungen. Auch sie haben unseren Dienst gekündigt."
Borko Stepanovic bekommt den Druck auf die serbischen Medien ebenfalls ganz direkt zu spüren, denn er ist Oppositionspolitiker und Chef der Serbischen Linken und versucht jetzt, die Opposition zu einen, damit sie wieder eine Chance hat. Doch ohne Medien schaffen es die kleinen zersplitterten Parteien kaum der Anonymität heraus.
"Wir haben fünf nationale Fernsehsender, in keinem der fünf kommt die Opposition zu Wort. Es gibt andererseits einen Kabelkanal, bei dem tritt aber niemand von der Regierung auf. Die unabhängige 'Danas', eine Tageszeitung, hat leider auch nur eine Auflage von 5000 Exemplaren. Und die drei unabhängigen Wochenmagazine haben zusammen nicht mehr als 15.000 Stück Auflage."

Der Präsident kapert die Staatsmedien

Biljana Stepanonic, Chefredakteurin einer Internet-Wirtschaftszeitung, sieht auf der anderen Seite, wie Präsident Vucic die Staatsmedien geradezu kapert. Die wichtigste Nachrichtensendung abends um halb acht zum Beispiel.
"Er spricht worüber auch immer, 25 Minuten lang, dann bleibt nur noch Zeit für das Wetter, aber nicht für eine Frage. Selbst zu Zeiten des Regimes von Milosevic, der zweifellos ein Autokrat war, gab es so etwas nicht."
Die Strategie der Europäischen Union, die Beitrittsperspektive an die Lösung der zwischenstaatlichen Konflikte in der Region zu koppeln, missfällt der unabhängigen Journalistin wie auch dem Oppositionspolitiker.
"Die EU erwartet von Präsident Vucic die Lösung des Kosovo-Problems, deswegen tolerieren sie die Zerstörung der freien Presse, der Wirtschaft, des Rechtssystems, der Nachbarschaftsbeziehungen zu Kroatien, alles wegen Kosovo."
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