Sendungsüberblick

Vom Ende der Sehnsucht

53:46 Minuten
07.02.2015
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Ein Katalog mit Menschen als Ware, ihre Gesichter deren einziges Verkaufsargument: Bei der Dating-App Tinder entscheiden die Nutzer fast ausschließlich auf Grundlage des Profilbildes, ob sie eine Person kennenlernen möchten oder nicht.
Ein Katalog mit Menschen als Ware, ihre Gesichter deren einziges Verkaufsargument: Bei der Dating-App Tinder entscheiden die Nutzer fast ausschließlich auf Grundlage des Profilbildes, ob sie eine Person kennenlernen möchten oder nicht. Ein Wischen nach links: Schon verschwindet der potentielle Flirt vom Bildschirm. Ein Wischen nach rechts entspricht dem Wunsch nach Kontaktaufnahme. Entscheiden sich beide Seiten für rechts, wird ein Match angezeigt. Und der Weg steht beiden frei, miteinander zu chatten, sich zu treffen. Sex zu haben.
Ein kurzer Blick, ein Urteil. Und schon taucht das Gesicht wieder ab, ein neues auf. War früher die Tanzstunde oder das Kino der perfekte Ort zum Kennenlernen und für erste Berührungen, werden heute die Ansprüche und Wünsche unverblümt per Chat mitgeteilt. Sucht man nicht dasselbe, versucht man es mit dem nächsten. Wie im Katalog blättern die Nutzer durch die Apps wie Tinder, Lovoo, Grindr oder Happen.
Was macht diese Vielzahl an Möglichkeiten mit uns? Haben wir mehr Sex? Und warum erscheint uns das Prompte an dieser Art der Kontaktaufnahme als verroht? Ist es nicht einfach eine ökonomische Methode, um Menschen kennenzulernen? Unser Autor Twitter-Profil von Johannes NichelmannJohannes Nichelmann hat sich die Frage gestellt, wie das Smartphone unser Liebesleben verändert.
Dafür hat er Menschen getroffen, für die Anwendungen wie Tinder zum Alltag gehören. Während die Turbo-Dating-Apps erst in den letzten Monaten in der breiten Öffentlichkeit populär wurden, sind sie in der Homosexuellen-Szene bereits seit langer Zeit bekannt. Dort nutzt man sie inzwischen schon nicht mehr nur als Plattform des schnellen Kennenlernens. Und auch die Entwickler der App passen sich den teilweise erzwungenen Bedürfnissen der in vielen Ländern diskriminierten und kriminalisierten Szene an.
Singles sind nicht die einzigen, deren Liebesleben das Smartphone beeinflusst. Die Revolution macht auch vor Paaren nicht halt - verkündet die Erotikbranche. Und hinter allem steht die Frage: Was passiert eigentlich mit den Daten über unsere intimsten Gedanken?
Manuskript zum Feature "App und Sex - Wie das Smartphone unser Liebesleben verändert" (PDF 335 KB)
Autor: Johannes Nichelmann
Web: Nora Gohlke
Bild: Berlin, Jugendstunde, Tanzstunde von Zühlsdorf, Erich Bundesarchiv, Bild 183-53276-0001 auf Wikimedia, >CC BY-SA