Sendungsüberblick

Public Shaming und Public Spying

55:11 Minuten
11.06.2016
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Es sind schwere Vorwürfe die gegen den bekannten Hacker, Netzaktivisten und Journalisten Jacob Applebaum erhoben werden: Belästigung, geistiger Diebstahl und Vergewaltigung.
Es sind schwere Vorwürfe die gegen den bekannten Hacker, Netzaktivisten und Journalisten Jacob Applebaum erhoben werden: Belästigung, geistiger Diebstahl und Vergewaltigung. Der ebenfalls in der Hacker-Szene sehr angesehene Nick Farr, sieht sich selbst als ein Opfer, nannte Applebaum dementsprechend den "charismatischsten Plagiator, Opportunisten, Vergewaltiger und Soziopathen" den er je getroffen habe - und das öffentlich, auf seinem Blog. Damit er sprang Farr auf den Zug auf, wie die Vorwürfe gegenüber Applebaum ans Licht gebracht wurden. Auf der Seite www.jacobapplebaum.net veröffentlichten mutmaßliche Opfer anonym teils grausame Geschichten über beispielsweise Vergewaltigungen während sie schliefen oder ohne Bewusstsein waren. Weitere Veröffentlichungen folgten daraufhin.
Technologische Tyrannen?

Ohne den mutmaßlichen Täter Applebaum vorzuverurteilen, zeigen sich an diesem aufziehenden Skandal zwei Dinge: Einmal, dass es offensichtlich immer noch - oder gerade eben hier, in der Tech-Szene - eine Gruppe von Männern gibt, die ihre (technologische) Macht gegenüber anderen Menschen, vor allem Frauen, ausspielen. Passend dazu auch die Veröffentlichungen der Tageszeitung, die in ihrem internen Bericht über die Keylogger-Affäre deutlich macht, dass vor allem Frauen und Praktikantinnen von Sebastian Heiser ausgespäht wurden.
Zweitens stellt sich aber auch die Frage, ob die Veröffentlichungsstrategie des Public Shaming, welche hier mit eigens aufgesetzter Seite gegen eine Privatperson schon fast kampagnenartige Züge hat, seine Berechtigung hat? Warum wird nicht der Weg gewählt, den das Strafrecht vorsieht, nämlich Anzeige erstatten und ein Gericht urteilen lassen? Ein mutmaßlicher Bully und Vergewaltigter wird hier eben ganz bewusst öffentlich an den Cyber-Pranger gestellt - erste Konsequenzen gab es schon, so arbeitet Applebaum ab sofort nicht mehr für das TOR-Project.
Meike Laaf fasst die Ereignisse zusammen und beschreibt die verschiedenen Meinungen über die Art der Veröffentlichungen. Danach diskutieren wir mit Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Uni Tübingen und Herausgeber des Buches "Der entfesselte Skandal - Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter", über "gutes" und "schlechtes" public shaming.

Gefahr: Ausland kann auch Inland sein kann

Diese Woche wurden zwei Reformen des Auslandsgheimdienstes BND diskutiert. Die zwei Gesetzes-Entwürfe mit den schönen Titeln "Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus" und "Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes" wurden teils von der Regierung, teils von netzpolitik.org veröffentlicht.
Kritiker sehen vor allem die Gefahr, dass der BND durch neue Kompetenzen und Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit anderen, ausländischen Geheimdienste seine eigenen Bürger im Inland ausspionieren könnte. Höchst umstrittene Deals, die vorher stattfanden und völlig vorbei an der parlamentarischen Kontrolle nur zwischen Geheimdienstlern ausgehandelt wurden, sollen weiterhin stattfinden und sogar eine gesetzliche Grundlage bekommen. Außerdem soll der BND wohl auch Zugriff auf inländische Netzknoten bekommen. Die NSA-Praktiken lassen grüßen. Über die Entwürfe und die Kritik sprechen wir mit Thorsten Wetzling von der Stiftung Neue Verantwortung.
Die weiteren Nachrichten aus den Weiten des Netzes trägt Vera Linß diese Woche ins Studio und Marcus Richter, der diese Woche Kapitän auf der Sendung-Brücke ist, teilt außerdem seine Erfahrungen auf dem gefährlichen Schrottplatz- und Plünderer-Universum von Duskers, in dem er mit allerlei Gefahren, Kreaturen und einem ganz speziellen Spielkonzept (glücklich) zu kämpfen hatte. Die Netzmusik hat Christian Conradi aus dem Webuversum geplündert - und dabei übrigens keinen Schrott gefunden. Jochen Dreier schreibt das Logbuch.
Bild: trip in trap von piotr mamnaimie auf flickr CC BYCC BY