Seltener Beethoven aus Stuttgart

Trauer um den Normierungs-Kaiser

Hans-Christoph Rademann
Hans-Christoph Rademann dirigierte selten zu hörende Werke Beethovens © Matthias Heyde
24.03.2015
Auch der kritische Beethoven hat Auftragswerke geschrieben: Seine Kantate auf den Tod Kaiser Josephs II. - ein Jugendwerk - und seine C-Dur Messe sang jetzt die Gächinger Kantorei. Hans-Christoph Rademann leitete das Konzert mit namhaften Solisten und der Deutschen Kammerphilharmonie.
Als Kaiser Joseph II. am 20. Februar 1790 starb, hielt sich die Trauer in großen Teilen der Bevölkerung innerhalb und außerhalb des Habsburger Reiches und des Heiligen Römischen Reiches durchaus in Grenzen. Zwar hatte er viele Reformprozesse angestoßen, z.B. die Aufhebung der bäuerlichen Leibeigenschaft, das Verbot von Verstümmelungsstrafen, die Gründung eines Allgemeinen Krankenhauses, aber er hatte auch die Eigenart gehabt, alles Mögliche bis in Detail vorzuschreiben.
Zum Beispiel mischte er sich als Kaiser in Fragen ein wie die, wie viele Trauerkerzen jemand bei einer Bestattungszeremonie anzünden durfte. Joseph II. führte den Leinenzwang für Hunde ein, erfand den „Totensarg für alle"; er verbot den Genuss von Pfeffernüssen, baute den Geheimdienst auf, erklärte das „Schuldeutsch" zur Verkehrssprache. Er bemühte sich, eine einheitliche Sprache durchzusetzen, deshalb widmete er auch das Wiener Burgtheater in ein deutsches Nationaltheater um. Nicht zuletzt durch ihn und seine Bestrebungen fühlte sich Wolfgang Amadeus Mozart angeregt, sein Singspiel „Die Entführung aus dem Serail" in deutscher Sprache zu komponieren.
Im Gegensatz zu den Historikern unserer Epoche sahen seine Zeitgenossen in ihm also weniger den Reform- als den Normierungs-Kaiser. Kaiser Josephs II. älterer Bruder Maximilian Franz lebte in Köln in herausragender Position als Fürstbischof. Darüber hinaus war er ein aufrichtiger Förderer der Künste. Und so wollte die Bonner „Lese-und Erholungsgesellschaft" mit Blick auf den Kölner Fürstbischof eine würdige Trauerfeier auf den Tod von Joseph II. gestalten.
Den Auftrag für die Komposition einer Trauerkantate erhielt der noch nicht einmal zwanzigjährige Beethoven. Seine Kantate kam dann zwar nicht zur Aufführung, aber geschaffen hat er ein sehr emotional angelegtes Werk, das auch heute seine Wirkung nicht verfehlt. Leider erklingt es auch heutzutage nur selten in Konzerten.
Nur graduell bekannter ist seine C-Dur Messe op. 86. Beethoven hatte die "Mitte Dreißig" überschritten und war von Fürst Esterhazy auserwählt worden, eine Messe auf den Namenstag der Fürstin zu komponieren.
Doch das Werk, eine regelrechte katholische Messe, stand unter keinem guten Stern. Die Proben liefen schlecht, und die Aufführung 1807 missriet. Am Hofe von Esterhazy, wo man jahrzehntelang mit dem auserwählten Geschmack und Können eines Joseph Haydn verwöhnt worden war, kam Beethovens sehr eigenwilliges Werk nicht an. Auch eine spätere Aufführung in Wien trug nicht zu größerem Erfolg bei.
Beethoven selbst hielt große Stücke auf diese C-Dur Messe. Und wirklich ist der lateinische Mess-Text ganz individuell von Beethoven in Musik umgesetzt worden. Heutige Interpreten brauchen sehr viel Fingerspitzengefühl, um zu verhindern, dass dieses Opus als Lärmlawine auf das Publikum zurollt. Die Ausführenden müssen sensibel auf die zahlreichen Dynamik-Angaben Beethovens eingehen und dem Werk dadurch zu einem spannungsreichen und langen Atem verhelfen.
Liederhalle Stuttgart, Beethoven-Saal
Aufzeichnung vom 28. Februar 2015
Ludwig van Beethoven
Trauerkantate auf den Tod Kaiser Josephs II. WoO 87
Messe C-Dur op. 86
Sarah Wegener, Sopran
Gerhild Romberger, Alt
Jussi Myllys, Tenor
Jochen Kupfer, Bass
Gächinger Kantorei Stuttgart
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Leitung: Hans-Christoph Rademann