Self-Care-Pop von Lizzo und Bunny Michael

Songs für mehr Selbstliebe

06:00 Minuten
Künstlerin Lizzo während eines Konzerts in Milwaukee im Juni 2019.
Lizzo während eines Konzerts in Milwaukee im Juni 2019. Ihre feministische "Body Positivity"-Botschaft überfordert manche Männer. © imago/ZUMA Press/Dan Deslover/Rmv
Von Christoph Möller · 20.08.2019
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Sei gut zu dir und liebe deinen Körper - das ist die Botschaft von Self-Care-Pop: Künstlerinnen wie Lizzo und Bunny Michael nutzen die Musik für ein feministisches Anliegen. Das klingt nicht immer aufregend, macht aber gerade Männer wütend.
Die genderqueere Bunny Michael nennt sich selbst "Instagram-Therapeut": Michael rappt und postet Videos auf Instagram. In einem davon hat es mit dem "Tinder"-Date nicht geklappt. Da taucht das "Higher Self" auf, ein Höheres Selbst, das aussieht wie Michael und einfache Lebenstipps gibt: Du musst niemanden daten, die nicht die Richtige ist. Die wahre Liebe wird schon noch kommen.
"Ich nehme das religiöse Konzept eines Höheren Selbst, um einen Perspektivwechsel zu mehr Selbstliebe zu ermöglichen", erklärt Bunny Michael. "Ich will zeigen: Hinter unseren Gedanken und Gefühlen stecken immer wir selbst. Wir haben immer eine Wahl, wie wir die Welt wahrnehmen und wie wir uns selbst in dieser Welt verorten."

Memes und Musik für mehr Selbstliebe

Fast 100.000 Menschen folgen Bunny Michael auf Instagram. Zu den Videos gibt es kurze Selbsthilfe-Memes: Du fühlst dich einsam? Lerne deine Einsamkeit zu lieben! Du bist eifersüchtig? Du suchst nur etwas, das dir vermeintlich fehlt, dabei bist du selbst liebenswert. Das ist manchmal sehr verkürzt und banal. Zu den Memes kommt Musik: Self-Care-Pop.
"Die Musik kommt noch mal aus einer anderen Dimension", sagt Michael. "Ich versuche, mit Sprache und Bildern einen höheren Bewusstseinszustand zu erreichen, um diese Matrix zu beschreiben, in der wir leben. Die Musik hat die gleiche Message wie die ‚Higher Self‘-Memes: Beobachte ganz genau dein inneres Leben, aber auch, was um dich herum passiert."
Selbstliebe ist im Pop angekommen. Genderqueere Künstler wie Christine And The Queens fordern eine neue Akzeptanz für nicht-heteronormative Geschlechtsidentitäten. Und in "Soulmate" singt die US-Amerikanerin Lizzo, dass sie ihre eigene Seelenverwandte sei und niemanden brauche, außer sich selbst.

Hasserfüllte Reaktionen

Das Musikmagazin "Pitchfork" meint: Lizzo zeige ein Körperbild, das nicht den Schönheitsnormen entspreche, was gut sei. Leider wirke die Musik dazu ziemlich langweilig. Das stimmt: Lizzos Sound ist nicht provokativ. Ihre feministische "Body Positivity"-Message aber schon: Besonders Männer in sozialen Medien sind überfordert mit so viel Selbstliebe und posten Hasskommentare. Bunny Michael glaubt: Ob Self-Care-Pop nicht eigentlich ziemlich langweilig sei, ist eine sehr privilegierte Frage.
"Für Menschen, die in New York oder Berlin leben, ist es leicht, die Kommerzialisierung von Selbstliebe zu hinterfragen. Aber wenn Teenager in Ohio oder Florida, wo es keine queeren Menschen gibt, niemanden, der so aussieht wie sie, eine Werbung sehen mit einer Künstlerin, die so aussieht wie sie, dann ist das sehr kraftvoll."
Self-Care-Pop kann, wie bei Bunny Michael und Lizzo, gesellschaftskritisch sein. Er kann aber auch einfach nur plakativ rüberkommen. Etwa bei der US-Pop-Sängerin Hailee Steinfeld. In "Love Myself" singt sie "I’m Gonna Put My Body First" – meinen Körper zuerst. Das klingt schon fast wie ein konservativer Ausspruch von Donald Trump.

Selten: Self-Care-Pop von Männern

Auffällig beim Self-Care-Pop: Er wird fast nur von Frauen oder genderqueeren Künstlerinnen gemacht. "Self Care", ein Stück vom verstorbenen Rapper Mac Miller, ist eine Ausnahme.
Der Trend zur Selbstliebe im Pop scheint ein feministisches Werkzeug zu sein, um nicht-heteronormative Körperperformances sichtbar zu machen. Das ist politisch. Es ist auf den ersten Blick ein Rückzug ins Innere. Auf den zweiten Blick sieht man aber die emanzipatorische Kraft von Self-Care-Pop nach außen: Er macht politische Missstände sichtbar.
Bunny Michael glaubt, es gibt nicht zu viel Popmusik über Liebe und Selbstliebe, sondern noch zu wenig. Michael will Liebe wieder auf die politische Agenda setzen:
"Liebe fehlt total in der politischen Debatte. Liebe und Einigkeit. Niemand in der Politik spricht über Liebe oder Frieden – und das ist ein großes Problem."
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