Seidenproduktion in Tadschikistan

Teure Kleidung muss kein Luxus sein

Arbeiterinnen in der Stadt Khujand, Tadschikistan in der Fabrik "VT Silk"
Arbeiterinnen in der Stadt Khujand, Tadschikistan in der Fabrik "VT Silk" © Deutschlandradio Kultur / Gesine Dornblüth
Von Gesine Dornblüth · 24.12.2015
Die einst exquisite Seide ist heute fast schon eine Massenware - eine sehr teure. Tadschikistan gehört zu den Hauptproduzenten. Das Land ist eines der ärmsten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Aber zur Kleidung aus Seide gibt es manchmal keine gute Alternative.
Ibrahim Mamadschan rückt seinen Sitz zurecht: Ein einfaches Holzbrett. Dann legt er los: Mit der rechten Hand zieht er an einer Kordel und schickt so das Schiffchen quer über den Webstuhl. Mit der linken schiebt er den Kamm zu sich und drückt so den Faden fest an den bereits gewebten Stoff. Mit den Füßen tritt er ein Pedal und hebt so Ober- und Unterfäden. Blitzschnell, immer im Takt."Das ist ganz einfach. Man muss nur Kopf, Hände und Beine koordinieren", erklärt er. "Ich werde 82. Ich habe neun Kinder, 29 Enkel und 45 Urenkel. Da wir alle besser leben wollen, muss ich eben noch arbeiten."
Ibrahim Mamadschan arbeitet in einer Handweberei in Khujand, der zweitgrößten Stadt Tadschikistans. Sie stellen vor allem Seidenstoffe her, bunte, traditionelle Muster meist in grellen Farben. Der wertvollste Stoff aber ist schlicht grün."Der Stoff wäre etwas für den Morgenmantel eines Kolchosvorsitzenden. Darin sind 5.600 Fäden verwoben", erklärt er."Bei uns trägt man Seide zu bestimmten Anlässen. Unbedingt, wenn man heiratet, oder auch als Hochzeitsgast."
Seide hat in Tadschikistan Tradition. Sie wird direkt in Khujand gewonnen, in der Fabrik "VT Silk". Die gab es schon zu Sowjetzeiten, unter einem anderen Namen. Mittlerweile ist es ein vietnamesisch-tadschikischer Gemeinschaftsbetrieb und einer der größeren Arbeitgeber in der Region. 400 Leute arbeiten dort.

In Dreierreihen sitzen Frauen an Tischen und sortieren helle eiförmige Hohlkörper, etwas kleiner als Kastanien. Es sind die Kokons des Seidenspinners. Werksleiter Abduscharif Khadschibajew greift einen heraus: "Das hier ist ein idealer Kokon: Kein Fleck. Weiß wie Seide. Hören Sie mal, drinnen klötert es, das ist die tote Puppe darin."
Bei 50 Grad Hitze in Seide gehüllt - und nichts drunter
Der Betrieb kauft im Frühjahr Gelege der Seidenspinner in China ein und verteilt sie an tadschikische Bauern. Die füttern die Larven mit den Blättern des Maulbeerbaumes. Nach 25 bis 30 Tagen verpuppen sich die Larven. In der Fabrik werden die Kokons zunächst bei 100 Grad getrocknet, die Puppen sterben. Danach werden die Kokons gekocht. Im heißen Wasser löst sich der Klebstoff auf, Maschinen mit winzigen Armen greifen die Seidenfäden auf, spulen sie wieder ab. Sie sind dünn wie Spinnweben. "Ein Faden in einem Kokon ist etwa tausend Meter lang, zwölf solche Fäden werden jeweils zusammengeführt", Werksleiter Khadschibajew.
Diese schon etwas stärkeren Fäden werden auf Spulen gewickelt, getrocknet, viele weitere Male umgewickelt. Gut drei Kilo Kokons ergeben am Ende ein Kilo leuchtend weiße Rohseide.

In Khujand gibt es auch eine industrielle Seidenweberei. Sie heißt "Atlas Khujand". Hier wird die Rohseide zunächst gefärbt. Designer entwerfen Muster für die Stoffe. Der Betrieb stammt aus den 1930er, die Maschinen aus den 1970er Jahren. Je eine Arbeiterin bedient vier Webstühle.
"Zu Sowjetzeiten haben wir zwei Millionen Meter im Jahr produziert. Damals haben hier 1.500 Leute gearbeitet. Jetzt sind wir nur noch zwanzig, und wir produzieren etwa 100.000 Meter im Jahr", erklärt Muattar Latipova, Buchhalterin der Fabrik.
"Seide ist teuer. Sie verkauft sich nicht." Am besten laufe der Absatz im Frühjahr, wenn es warm wird, erzählt Latipova. Im Sommer erreichen die Temperaturen in Tadschikistan bis zu 50 Grad. Da sei Kleidung aus Seide optimal. "Seide ist nicht durchsichtig. Da muss man nichts drunter ziehen."
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