Sehnsucht, wildes Tier

Von Wolf Eismann · 24.01.2010
Menschen tauchen auf, feiern Wiedersehen, trennen sich erneut und kommen wieder zusammen. Sie schwärmen miteinander, sterben fast vor Langeweile, verlieben sich – oder bringen sich um. Auf diese Weise porträtierte Anton Tschechow einst den sinnentleerten russischen Alltag vor der Revolution von 1905.
Tschechow wertet nicht, er greift nicht ein. Vielleicht ist das der Grund, warum in seinen Theaterstücken jeder ständig reden will, auf den eigenen Standpunkt beharrt. Einer fällt dem anderen immerzu ins Wort, niemand hört dem Gegenüber wirklich zu. Und so kann alles nur im Widerspruch enden. Genau wie im Leben, meinte Tschechow einmal: "Die Menschen sind damit beschäftigt zu essen, zu trinken, zu flirten und Dummheiten zu sagen – und inzwischen ist ihr Glück gemacht oder ihr Leben ruiniert. Und das ist es, was auf der Bühne vor sich gehen sollte."

Doch ist das allein die Erklärung für Anton Tschechows unveränderte Aktualität auf deutschen Bühnen? Regisseure aktueller Tschechow-Inszenierungen, unter anderem Karin Henkel, Sebastian Hartmann und Michael Thalheimer, sprechen über ihr persönliches Interesse an dem russischen Dramatiker, der vielleicht wie kein anderer die Sehnsucht beschrieben hat.

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