Sehnsucht nach übernatürlicher Erlösung
Der Neuseeländer Anthony McCarten, Jahrgang 1961, ist ein Multitalent: Er schrieb 11 Theaterstücke, 4 Romane und ist auch als Regisseur in Erscheinung getreten. Im Moment arbeitet McCarten an der Verfilmung seines vorletzten Romans "Superhero", mit dem er gerade in Deutschland auf Lesereise ist. Darin findet ein krebskranker 14-jähriger Junge Trost in Superhelden-Comics.
"Aufblende ... Donald Delpe. Vierzehn. Magerer Junge, Schultern dürr wie ein Kleiderbügel. Schräger Vogel. Keine Augenbrauen, keine Haare. Gesicht wie eine Pellkartoffel. Stapft mit Schuhen Größe 46 durch Watford, in den Nord-Oster hinein, ein Regenschirmkiller direkt aus Sibirien. Strickmütze tief in die Stirn gezogen, Stöpsel in den Ohren, iPod voll aufgedreht, ist er unterwegs durch die wolkenverhangene Stadt. Wut ist seine Standard-Einstellung. Wehmut auch. Die meiste Zeit blickt er zu Boden. Eine Sonnenblume im Regen. Sein größtes Problem ? Sex im Kopf, wie immer seit ein, zwei Jahren schon. Ein Acidtrip, nur mit Testosteron, scheißeinsam, jeder zweite Gedanke nicht jugendfrei."
So beginnt Anthony McCartens Roman "Superhero". Der "Superheld" aber ist nicht jener 14-jährige Donald selbst, sondern dessen unbesiegbarer Comic-Held "MiracleMan", den Donald unentwegt zeichnet. Donald ist der tragische Held des Romans, und dass er nur an Sex denkt, ist verständlich: denn Donald hat Blutkrebs - er weiß, er wird wahrscheinlich bald sterben - und er hat noch nie mit einer Frau geschlafen.
Donalds Schöpfer Anthony McCarten, 1.90 groß, Katmandu-T-Shirt und spacige Piloten-Sonnenbrille, liebt Schrilles, Lieblingsdiner Champagner mit Pommes Frites. Wie kam er zur Idee des Jungen, der Sex will, bevor er stirbt?
"Die Idee habe ich aus einem Zeitungsartikel. Ein berühmter Psychologe hatte seinem Patienten, einem krebskranken 14-jährigen Jungen, eine Prostituierte besorgt, natürlich ohne Erlaubnis der Eltern. Das war ein Riesenskandal, der Psychologe verlor seinen Job, obwohl viele dachten: warum eigentlich nicht? Na ja, und diese Geschichte hat einfach meine Phantasie beflügelt."
Und auch in Anthonys McCartens Roman "Superhero" gibt es einen Therapeuten, Adrian King, der den Leukämie-kranken Donald betreut und ihm gegen alle Krankenhaus-Vorschriften eine Nacht mit einer Prostituierten ermöglicht. In einer der Therapie-Sitzungen sagt King: "Das Leben ist kein Comic-Strip." Anthony McCarten:
"Die Welt ein Comic-Strip? Na ja, sie benimmt sich oft so. Und sehnen wir uns nicht alle nach Superhelden, die uns retten, nach übernatürlichen Kräften wie Kirche und Religionen ? Dieses Grundbedürfnis nach Erlösung ist jedenfalls das Zentralthema meines Buches. Und ich denke, dass Comic-Strips ebenfalls Antworten darauf zu geben versuchen."
"Superhero" ist ein Buch, dass gnadenlos Klischees benutzt, um sie dann ebenso gnadenlos zu brechen: da erscheinen die Gedanken und Handlungen eines vermeintlich "durchgeknallten" 14-Jährigen plötzlich nachvollziehbar; und tatsächlich findet überraschenderweise jener oft für unmöglich gehaltene Dialog zwischen den Generationen doch statt: Donalds erfahrener Therapeut wie auch Donalds Vater lassen sich auf den 14-Jährigen ein, Donald wird praktisch zum Eheberater des Therapeuten, und Donalds Vater, ein Rechtsanwalt, erinnert sich seiner Hippie-Zeiten und beginnt, mit seinem Sohn Donald Joints zu rauchen. Was ihn dazu bringt, ist:
"Die Not, nur Not macht erfinderisch. Alle in diesem Buch begreifen: unser Leben ist zu kurz für billige Moralvorstellungen. Donalds Vater weiß, dass Marihuana Krebskranken psychisch die Qualen erleichtert, -also besorgt er Gras und kifft mit seinem Sohn. Und das ist die Zentralstelle des Romans: Sie zeigt, was für eine Schande es ist, dass wir nur in Notfällen bereit sind, Dinge zu ändern."
Fest gefügte Vorurteile aufzubrechen, das bestimmt Anthony McCartens literarische Arbeit, die 1986 mit dem Theaterstück "Ladies Night", deutsch "Ganz oder gar nicht", begann, jener Geschichte um sechs Arbeitslose, die eine Männerstrip-Gruppe gründen.
In seinem zweiten, ebenfalls tragikkomischen Bestseller-Roman "Der englische Harem", der 2008 auf Deutsch erscheinen wird, hat McCarten sich auch mit dem Islam auseinandergesetzt. Tracy, eine junge Frau aus der - wie man in England bis heute sagt - Arbeiterklasse, heiratet gegen die Proteste ihrer Eltern und ihres rassistischen Ex-Freundes einen Muslim und wird zu einer seiner drei Ehefrauen. In einem empörten Leserbrief dazu hieß es, McCarten würde den Islam verherrlichen.
"Die Figuren dieses Buches sind realen Personen, Muslimen nachempfunden, die ich persönlich kenne; ich habe einfach nur die Realität beschrieben. Und wenn mir das jemand vorwirft, dann ist das dessen Problem, auch wenn er das als Bedrohung unserer traditionellen Kultur empfindet. Ich denke, wir brauchen eine Neubestimmung unserer Grundwerte, nicht nur bei uns zu Hause, sondern auch in unserem Blick auf den Islam und den Okzident."
Nicht den Islam, sondern unsere eigene Unfähigkeit zu kommunizieren betrachtet McCarten als die Hauptgefahr für das Abendland. Er selbst ist Vater von drei Söhnen im Alter von 20, 10 und 7 Jahren.
"Die Welt leidet komplett unter Realitätsflucht, besonders die jüngere Generation versucht sich vollkommen abzuschotten. Ich habe gerade eine iPod-Werbung gelesen, da hieß es: dreh der Welt den Ton ab! Die Kids haben die Nase voll von der Realität, also laufen sie den ganzen Tag mit Stöpseln in den Ohren rum, und wenn sie aus der Schule kommen, ziehen sie sich in ihre virtuelle Computer-Welt zurück, statt rauszugehen und sich mit realen Freunden zu treffen. Na ja, sie haben eben das Gefühl, dass die ganze Welt einfach zu heftig ist, als dass
man da noch etwas machen könnte."
Wer wirklich verstehen möchte, wie pubertierende Jugendliche denken, der sollte "Superhero" lesen. Wer allerdings einen episch erzählenden Roman erwartet, der wird überrascht sein: "Superhero" ist bewusst und strikt in Form eines Filmdrehbuches gehalten, im Präsens, syntaktisch frei, mit Regie- und Kameraanweisungen, was dem Text eine enorme Geschwindigkeit und Direktheit verleiht; Anthony McCartens Stil ist eine meisterliche, typisch angelsächsische Gratwanderung des Tragischkomischen. Anthony McCartens Botschaft an die Menschen der Welt ist einfach: verwirklicht eure Träume und wacht bloß nicht auf!
"My message to the world: live the dream and never wake up !"
So beginnt Anthony McCartens Roman "Superhero". Der "Superheld" aber ist nicht jener 14-jährige Donald selbst, sondern dessen unbesiegbarer Comic-Held "MiracleMan", den Donald unentwegt zeichnet. Donald ist der tragische Held des Romans, und dass er nur an Sex denkt, ist verständlich: denn Donald hat Blutkrebs - er weiß, er wird wahrscheinlich bald sterben - und er hat noch nie mit einer Frau geschlafen.
Donalds Schöpfer Anthony McCarten, 1.90 groß, Katmandu-T-Shirt und spacige Piloten-Sonnenbrille, liebt Schrilles, Lieblingsdiner Champagner mit Pommes Frites. Wie kam er zur Idee des Jungen, der Sex will, bevor er stirbt?
"Die Idee habe ich aus einem Zeitungsartikel. Ein berühmter Psychologe hatte seinem Patienten, einem krebskranken 14-jährigen Jungen, eine Prostituierte besorgt, natürlich ohne Erlaubnis der Eltern. Das war ein Riesenskandal, der Psychologe verlor seinen Job, obwohl viele dachten: warum eigentlich nicht? Na ja, und diese Geschichte hat einfach meine Phantasie beflügelt."
Und auch in Anthonys McCartens Roman "Superhero" gibt es einen Therapeuten, Adrian King, der den Leukämie-kranken Donald betreut und ihm gegen alle Krankenhaus-Vorschriften eine Nacht mit einer Prostituierten ermöglicht. In einer der Therapie-Sitzungen sagt King: "Das Leben ist kein Comic-Strip." Anthony McCarten:
"Die Welt ein Comic-Strip? Na ja, sie benimmt sich oft so. Und sehnen wir uns nicht alle nach Superhelden, die uns retten, nach übernatürlichen Kräften wie Kirche und Religionen ? Dieses Grundbedürfnis nach Erlösung ist jedenfalls das Zentralthema meines Buches. Und ich denke, dass Comic-Strips ebenfalls Antworten darauf zu geben versuchen."
"Superhero" ist ein Buch, dass gnadenlos Klischees benutzt, um sie dann ebenso gnadenlos zu brechen: da erscheinen die Gedanken und Handlungen eines vermeintlich "durchgeknallten" 14-Jährigen plötzlich nachvollziehbar; und tatsächlich findet überraschenderweise jener oft für unmöglich gehaltene Dialog zwischen den Generationen doch statt: Donalds erfahrener Therapeut wie auch Donalds Vater lassen sich auf den 14-Jährigen ein, Donald wird praktisch zum Eheberater des Therapeuten, und Donalds Vater, ein Rechtsanwalt, erinnert sich seiner Hippie-Zeiten und beginnt, mit seinem Sohn Donald Joints zu rauchen. Was ihn dazu bringt, ist:
"Die Not, nur Not macht erfinderisch. Alle in diesem Buch begreifen: unser Leben ist zu kurz für billige Moralvorstellungen. Donalds Vater weiß, dass Marihuana Krebskranken psychisch die Qualen erleichtert, -also besorgt er Gras und kifft mit seinem Sohn. Und das ist die Zentralstelle des Romans: Sie zeigt, was für eine Schande es ist, dass wir nur in Notfällen bereit sind, Dinge zu ändern."
Fest gefügte Vorurteile aufzubrechen, das bestimmt Anthony McCartens literarische Arbeit, die 1986 mit dem Theaterstück "Ladies Night", deutsch "Ganz oder gar nicht", begann, jener Geschichte um sechs Arbeitslose, die eine Männerstrip-Gruppe gründen.
In seinem zweiten, ebenfalls tragikkomischen Bestseller-Roman "Der englische Harem", der 2008 auf Deutsch erscheinen wird, hat McCarten sich auch mit dem Islam auseinandergesetzt. Tracy, eine junge Frau aus der - wie man in England bis heute sagt - Arbeiterklasse, heiratet gegen die Proteste ihrer Eltern und ihres rassistischen Ex-Freundes einen Muslim und wird zu einer seiner drei Ehefrauen. In einem empörten Leserbrief dazu hieß es, McCarten würde den Islam verherrlichen.
"Die Figuren dieses Buches sind realen Personen, Muslimen nachempfunden, die ich persönlich kenne; ich habe einfach nur die Realität beschrieben. Und wenn mir das jemand vorwirft, dann ist das dessen Problem, auch wenn er das als Bedrohung unserer traditionellen Kultur empfindet. Ich denke, wir brauchen eine Neubestimmung unserer Grundwerte, nicht nur bei uns zu Hause, sondern auch in unserem Blick auf den Islam und den Okzident."
Nicht den Islam, sondern unsere eigene Unfähigkeit zu kommunizieren betrachtet McCarten als die Hauptgefahr für das Abendland. Er selbst ist Vater von drei Söhnen im Alter von 20, 10 und 7 Jahren.
"Die Welt leidet komplett unter Realitätsflucht, besonders die jüngere Generation versucht sich vollkommen abzuschotten. Ich habe gerade eine iPod-Werbung gelesen, da hieß es: dreh der Welt den Ton ab! Die Kids haben die Nase voll von der Realität, also laufen sie den ganzen Tag mit Stöpseln in den Ohren rum, und wenn sie aus der Schule kommen, ziehen sie sich in ihre virtuelle Computer-Welt zurück, statt rauszugehen und sich mit realen Freunden zu treffen. Na ja, sie haben eben das Gefühl, dass die ganze Welt einfach zu heftig ist, als dass
man da noch etwas machen könnte."
Wer wirklich verstehen möchte, wie pubertierende Jugendliche denken, der sollte "Superhero" lesen. Wer allerdings einen episch erzählenden Roman erwartet, der wird überrascht sein: "Superhero" ist bewusst und strikt in Form eines Filmdrehbuches gehalten, im Präsens, syntaktisch frei, mit Regie- und Kameraanweisungen, was dem Text eine enorme Geschwindigkeit und Direktheit verleiht; Anthony McCartens Stil ist eine meisterliche, typisch angelsächsische Gratwanderung des Tragischkomischen. Anthony McCartens Botschaft an die Menschen der Welt ist einfach: verwirklicht eure Träume und wacht bloß nicht auf!
"My message to the world: live the dream and never wake up !"