Segelschiff "Peking" zurück nach Hamburg

Teure Nostalgie

09:47 Minuten
Segelschiff Peking
Seetauglichkeit bewiesen: Das Segelschiff "Peking" hat das Kap Horn 34 Mal umrundet. © Deutschlandradio/Johannes Kulms
Von Johannes Kulms · 04.11.2019
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Das mehr als 100 Jahre alte Segelschiff "Peking" wird restauriert, um in Hamburg als Museum zu dienen. Die Kosten sind auf über 35 Millionen Euro gestiegen. Aber einige sehen darin eine Investition in ein Kulturgut.
Ziemlich platt scheint das Land rund um Wewelsfleth. Und ruhig. Wobei es hier, nur wenige Kilometer von der Elbe entfernt, durchaus was zu sehen und zu hören gibt. Da ist einerseits die Kuhherde, die sich gerade ihren Weg zum Wasser bahnt. Jetzt nicht in die Elbe hinein, sondern in die Stör, einen anderen norddeutschen Fluss.
Direkt gegenüber von der Kuhwässerung liegt die Peters-Werft. Dort hat vor Monaten ein schwarz-weißer Riese am Kai festgemacht mit vier dunkelgelben Masten, die in den trüben Himmel hin aufragen. Mehr als 100 Jahre ist das Segelschiff "Peking" alt. In einem halben Jahr soll es fertig restauriert sein und nach vielen Jahrzehnten in der Ferne in ihren alten Heimathafen Hamburg zurückkehren. Finanziert mit Steuergeldern. Die Kosten sind inzwischen auf 35 Millionen Euro gestiegen und werden vom Bund getragen.

Erhaltenswertes Kulturgut

"Einige sagen, lohnt ja nicht, oder das Geld könnte man woanders investieren. Andere sagen, natürlich muss so ein Schiff mit Hamburger Charakter oder in Hamburg gebaut wieder zurück nach Hamburg. Die Meinung teile ich auch", sagt Lars Spieckermann. Kein Hamburger, sondern Mecklenburger.
"Also, ich denke nicht, dass es rausgeschmissenes Geld ist. Ist einfach ein großes Kulturgut, was erhaltenswert ist und in der Struktur und in der Substanz auch noch so weit erhalten ist, in Originalbauteilen, dass es keineswegs als Neubau bezeichnet werden kann. Also, ganz weit entfernt davon."

Symbol für Globalisierung und Wohlstand

Spieckermann ist Schiffsbauingenieur und beaufsichtigt das gigantische Restaurierungsprojekt. Er hat schon viele alte Schiffe gesehen. Doch die "Peking" ist auch für ihn eine besondere Herausforderung. Mit 115 Metern Gesamtlänge gehört der Viermaster einerseits zu den größten Segelschiffen. Gleichzeitig ist er durch den jahrelangen Einsatz als Frachtschiff zwischen Chile und Hamburg ein Symbol für die Globalisierung und den Wohlstand der Hansestadt.
1911 in Hamburg gebaut ist die "Peking" auch so etwas wie ein letztes Ausrufezeichen. Für ein Verkehrsmittel, das nur wenige Jahre auf den Handelswegen von den Dampf und später mit Öl angetriebenen Schiffen verdrängt wurde. Womit eine Ära endete.
Lars Spieckermann mit Helm an Deck der "Peking".
Lars Spieckermann an Bord der "Peking".© Deutschlandradio/Johannes Kulms
"Zu Zeiten, wo das Schiff noch aktiv war oder wo es gebaut wurde, war es der höchste Entwicklungsgrad der Frachtsegelschiffe. Ohne Maschine darauf ausgelegt, Kap Horn zu umrunden – also eine spezielle Route zu bedienen – das war dann damals High Tech sozusagen."

34 Mal Kap Horn umrundet

Die "Peking" gehört zu den sogenannten Flying P-Linern. Das sind die Schiffe der Hamburger Laisz-Reederei, die lange Zeit ihren Segelschiffen ausschließlich P beginnende Namen gab. Und von der die meisten besonders schnelle Frachtsegler waren. Dazu gehört beispielsweise die heute in Travemünde liegende "Passat". Genauso wie die heute als russisches Segelschulschiff dienende und umbenannte "Kruzenshtern" und die 1957 bei einem Hurrikan gesunkene "Pamir".
34 Mal hat die "Peking" im Salpeterhandel mit Chile Kap Horn umrundet. Anfang der 30er-Jahre war die Zeit als Frachtsegler vorbei. Das Schiff wurde nach England verkauft, wo es unter anderem als Internat genutzt wurde. Später ging es in die USA.
Jahrzehntelang lag die "Peking" in New York als Museumsschiff. Doch das Geld zur Instandhaltung war knapp. Am Ende war das früher so stolze Segelschiff ziemlich runtergekommen. Deprimierend habe es damals ausgesehen, sagt Spieckermann, wenn er an seinen Inspektionsbesuch in New York 2016 zurückdenkt.

"Peking" soll wieder Museumsschiff werden

"Wir haben schon in der Branche, in der unser Büro arbeitet, öfter mal Schiffe in einem schlechten Zustand gesehen, nicht ganz in einem so schlechten Zustand wie die 'Peking'. Aber man hat schon damals ahnen können, dass noch viel Originalsubstanz vorhanden ist und noch erhalten werden kann."
Nach vielen Jahren der Verhandlung kauft die Stiftung Hamburg Maritim das Schiff. Kurz darauf geht es für die "Peking" wieder auf Reise. Huckepack in einem Dockschiff schippert der alte Riese über den Atlantik. Seit knapp zwei Jahren wird die "Peking" nun wieder im Auftrag der Stadt Hamburg in Wewelsfleth fit gemacht und hergerichtet für seine künftige Aufgabe als Museumsschiff.
Überall auf dem Schiff werden verrostete Stahlplatten ausgetauscht, das verrottete Holzdeck abgezogen, am Rumpf wird asbesthaltiges Material entfernt. Und natürlich fließen tausende Liter Farbe.

Anstrengende Arbeit

Rund zwei Jahre lang haben auch die Arbeiten an der Takelage gedauert - dem Ensemble aus Masten und Tauen. An diesem Vormittag sind gleich mehrere Frauen mit Klettergeschirr und Helmen unterwegs. Mehrere Meter über dem Hauptdeck sind sie damit beschäftigt, die letzten Sprossen mit Drähten anzubringen, über die die Seeleute hinauf zu den Mastern klettern können.
Heute würden die Drähte gepresst, sagt Laura Lünenschloss. Doch früher habe man Kneifbändsel benutzt. Und genau diese Methode komme hier auch zum Einsatz.
Nur gesichert geht es ab in die Takelage.
Nur gesichert geht es ab in die Takelage.© Deutschlandradio/Johannes Kulms
"Das bedeutet, dass man mit einem langen Draht sehr viele Wicklungen um zwei Drähte macht, um diese einfach zu bekneifen. So was, was eine Pressung machen würde, das ist ein Kneifbändsel. Das ist ziemlich viel Arbeit, muss zu zweit gemacht werden, kann anstrengend sein. Da sind wir gerade froh, dass wir in den Endzügen sind."
Lünenschloss ist eine von mehreren Frauen, die sich bei der "Peking"-Restaurierung um die Takelage kümmern. Sie allesamt haben andere Berufe gelernt wie Bootsbauerinnen oder Tischlerinnen und haben Zusatzausbildungen absolviert, um auch das Tauwerk und die Masten bearbeiten zu können. So wie Carolin Groß.
"Wir waren alle schon auf vielen Schiffen - und das ist schon was Besonderes, weil ein so großes Schiff gibt es nicht so häufig und die 'Peking' hat auch eine Geschichte. Aber ich find eher besonders, dass es besonders schwer ist. Und ich bin froh, dass es keine größeren Schiffe gibt. Weil es einfach schon ein Knochenjob ist. Für Männer wie Frauen, das ist egal, welches Geschlecht man da hat. Das ist einfach anstrengend. Das sind einfach 40 Millimeter dicke Drähte oder 41 Millimeter dicke Drähte und die sind 40 Meter lang und wiegen entsprechend; die müssen entsprechend bewegt werden. Das geht nicht alleine, sondern das geht nur mit technischer Hilfe und mit mehreren Leuten."

Alles andere als Seefahrtsromantik

Ein hartes Abenteuer war schon früher der Einsatz auf der "Peking". Das zeigt ein rund dreiviertelstündiger Film, der auch bei YouTube zu sehen ist. Es sind Aufnahmen, die Irving Johnson 1929 gemacht und viele Jahrzehnte später kommentiert hat. Sie zeigen ein Schiff, mit dem die Besatzung durch die Hölle von Kap Horn geht. Riesige Wellen brechen auf das Deck nieder.
Dass die Arbeit und das Leben auf dem Frachtsegler eben alles andere als Seefahrtsromantik waren, soll auch im Brückenhaus gezeigt werden. In dem jetzt noch weiten leeren Raum auf dem Hauptdeck war früher die Besatzung untergebracht.
Immerhin: Der Kapitän hatte eine eigene Kabine und Badezimmer, sagt Spieckermann. Auch die Offiziere und der Koch haben es nicht so schlecht gehabt. Doch für die 24 Matrosen an Bord war die Unterkunft sehr schlicht.
"War tendenziell eher nass und kalt. Es war auch nicht isoliert oder beheizt, der Kapitän hatte, glaube ich, einen kleinen Ofen. Aber ja, es war kein Luxusleben."

Barrierefreiheit im Museumsschiff

Hier, im früheren Brückenhaus, soll auch der Fahrstuhlschacht ankommen. Durch den Lift kann das bald in Hamburg liegende Museumsschiff barrierefrei erkundet werden. Bis hinunter in den riesigen Laderaum. 6,50 Meter ist der hoch, genug Platz für rund 5.000 Tonnen Fracht, die hier pyramidenförmig gestapelt wurde, sagt Spieckermann.
Wer mit ihm im untersten Bauch des Schiffes hinabsteigt und die zahlreichen Stahlträger und Nieten sieht, fühlt sich ein wenig an die Architektur der Berliner U-Bahn zur Jahrhundertwende erinnert. Ein paar dutzend historische Segelschiffe seien weltweit noch erhalten, schätzt Spieckermann. Doch glaubt er, dass sich das bald ändert könnte. Es gebe bereits heute moderne Konzepte für Segelschiffe, die mit kleineren Besatzungen als damals auf der "Peking" auskämen.
"Das ist meines Erachtens nur eine Frage der Zeit, bis die Ölpreise so hoch sind, dass es sich dann rentiert. Es gibt auch jetzt schon einige Projekte, die Segelfrachtschiffe betreiben. Kaffee, Rum oder ähnliches. Also, höherwertige Produkte, die nicht auf Kühlung oder so angewiesen sind und die auch nicht auf ein bestimmtes Lieferdatum angewiesen sind, da wo die Transportzeit eben auch etwas länger sein kann."

Schade, dass das Schiff nicht auf See geht

Auch sein Büro arbeitet an der Entwicklung von größeren Segelschiffen für die Zukunft. 150 Meter lang könnten die werden. "Es wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht so groß werden, wie die größten Ölfrachter- oder Tanker. Aber das ist schon in einem Bereich von ein paar tausend Containern möglich."
Theoretisch sei es natürlich denkbar, die "Peking" auch wieder seetüchtig zu machen. Doch vorgesehen ist es nicht, denn das Schiff soll bald einer der Hauptattraktionen des neuen Hafenmuseums in Hamburg werden und dort vor Anker gehen. Lünenschloss, die seit Monaten mit der Takelagerestaurierung beschäftigt ist, bedauert das.
"Persönlich finde ich es ein bisschen schade, dass man das Schiff eigentlich so gut und so stark baut und dann liegt es einfach nur im Museum. Ich fänd es toll, wenn es wieder segeln würde, weil ich auch selbst segele. Ich mag große Segelschiffe und das ist eigentlich auch ein bisschen schade."
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