Science Fiction und Dystopien

Katastrophenfilme befeuern die Protestkultur

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Ein Standbild aus Roland Emerichs Kinofilm "The Day after Tomorrow" zeigt die vom angestiegenen Meeresspiegel untergehende Freiheitsstatue. Im Hintergrund die Skyline von Manhattan unter dramatischem von Blitzen durchzuckten Himmel.
Land unter in "Big Apple": Roland Emmerichs "The Day after Tomorrow" beschwört die Umweltkatastrophe. © imago / EntertainmentPictures
Lars Schmeink im Gespräch mit Max Oppel · 08.04.2019
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Science Fiction entwirft oft düstere Zukunftsszenarien: Aliens, Asteroiden, Umweltkatastrophen. Der Medienforscher Lars Schmeink schreibt solchen Dystopien auch positive Effekte zu. Sie mobilisierten zum Protest - wie bei "Fridays for Future".
Seit Jahren wird über das Fehlen positiver Zukunftsvisionen geklagt – eine ganze Generation ist mit Weltuntergangsszenarien und Dystopien auf dem Bildschirm groß geworden. Der Hamburger Medienwissenschaftler und Zukunftsforscher Lars Schmeink findet gerade das gar nicht so schlecht. Denn egal ob "Women’s March" als Antwort auf Sexismus und Diskriminierung oder die Bewegung "Fridays for Future" als Drängen junger Menschen, mehr gegen Umweltzerstörung und Klimawandel zu unternehmen: Es gebe genügend Gründe gegen den Status Quo zu protestieren.

Dystopien sind eine Warnung

Vermutlich hätte es den Protest in diesem Ausmaß nicht gegeben, wenn die Popkultur nicht so viele ausdifferenzierte Weltuntergänge parat hielte, lautet Schmeinks These. Als Beispiele nennt er Science Fiction-Filme wie "I am Legend" mit Will Smith, der in einer Welt spielt, die nach einer Infektionswelle von Zombies bevölkert ist.
Oder "Interstellar", der von Forschern erzählt, die sich aufmachen, um im All einen neuen Lebensraum als Alternative zur zerstörten Erde zu finden, und "The Day after Tomorrow", das eine wahlweise vereisende oder überflutete Erde nach der Klimakatastrophe zeigt.
"Deshalb finde ich es so spannend, sich Weltuntergänge anzuschauen: Weil das sehr extreme Positionen sind, wo wir eben die Gedankenexperimente zulassen, die wir ansonsten vielleicht eher ein bisschen unter den Teppich kehren würden", sagt Schmeink.
Interessant sei auch, dass die Dystopien sich den aktuellen Gegebenheiten anpassten: So seien Zombiefilme in den 60er- und 70er-Jahren noch eine Antwort auf die alltägliche Gewalt im Fernsehen und auf den Straßen gewesen – Paradebeispiel: "The Night of the Living Dead". Und neuere Filme wie "I am Legend" zeigten, dass der Mensch selbst Schuld an der unheilvollen Entwicklung sei, etwa durch medizinische oder genetische Experimente.

Tödliche Viren statt Aliens

"Der Trend, den ich dabei sehe, ist, dass sich die Bedrohung von außen nach innen kehrt", sagt Schmeink. Statt um Asteroiden und Alien, die von außen gewaltsam eindringen, gehe es seit den 2000er-Jahren stärker um unsere eigene Gedankenlosigkeit, die für die Katastrophen indirekt oder auch direkt verantwortlich sei.
Dass sich Dystopien nicht nur auf Klimakatastrophen beschränken, zeigen Serien wie "The Handmaid’s Tale" nach dem Roman von Margaret Atwood, der ein düsteres Bild vom Leben und Sterben in einem totalitären Staat malt: Die Unterdrückung der Frauen, die Beschneidung ihrer Freiheit, die darin beschrieben wird, ist in den Zeiten von #MeToo weltweit Anlass zu Protesten.
(mkn)
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