"Schwulenparagraf"

    Vor 20 Jahren wurde schwule Liebe gestattet

    10.06.2014
    Vor 20 Jahren endete mit der Abschaffung des "Schwulenparagraf" ein weiteres dunkles Kapitel der deutschen Geschichte. Der Paragraf 175 im deutschen Strafgesetzbuch stellte sexuelle Kontakte zwischen Männern generell unter Strafe.
    Der Paragraf hatte schwule Kontakte unter Strafe gestellt. Nach Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurde das Gesetz eingeführt, seinen Vorläufer hatte er im preußischen Staat. Homosexuelle Männer liefen Gefahr, bis zu sechs Monate ins Gefängnis zu kommen.
    Nationalsozialisten verbieten auch "begehrlichen Blick"
    Schon 1934, kurz nach ihrer Machtübernahme, wollten die Nazis alle Menschen dokumentarisch erfassen, "die sich irgendwie homosexuell betätigt haben". 1935 verschärften die Nazis den Paragrafen noch weiter: Sie strichen "widernatürlich" und definierten den Paragrafen so um, dass schon ein "begehrlicher Blick" reichte, um Schwule ins Gefängnis zu sperren. Über 100.000 Männer wurden polizeilich erfasst und etwa 50.000 nach Paragraf 175 verurteilt, bis zu 15.000 Homosexuelle wurden in Konzentrationslagern ermordet.
    Regenbogenfahne
    Regenbogenfahne© dpa / picture alliance / Markus Heine
    BRD behielt die Fassung der Nazis weitgehend
    Nach 1945 behielt die Bundesrepublik die NS-Fassung des Paragrafen weitgehend unverändert bei. In der DDR wurde die alte Fassung wieder aus der Schublade geholt. In der BRD wurden Schwule weiterhin strafrechtlich verfolgt. Bis 1969 wurden etwa 50.000 Urteile gefällt. In der DDR konnten Schwule meistens unbehelligter leben.
    1969 - im Zuge des 68er-Reformaufbruchs - wurde Homosexualität unter Erwachsenen in der Bundesrepublik straffrei, aber mit einer doppelten Schutzaltersgrenze: Täter konnte nur ein Mann über 18, Opfer nur ein Mann unter 21 Jahren sein. Erst 1973 die Straflosigkeit ab 18 Jahren eingeführt. Die Formulierung "Unzucht zwischen Männern" wurde ersetzt durch "Homosexuelle Handlungen".
    Paragraf wegen Ungleichmäßigkeiten zwischen DDR und BRD aufgehoben
    Der Bundestag hatte nach der Wiedervereinigung 1990 im Zuge der Rechtsangleichung zu entscheiden, ob Paragraf 175 auf die "neuen Bundesländer" ausgeweitet werden sollte - in der DDR gab es keine Sondervorschriften für Schwule mehr. So ließ der Bundestag den Paragrafen wegfallen.
    In den vergangenen Jahren hat sich viel getan: Seit 2001 ist zum Beispiel das "Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft" in Kraft. Gerichtsurteile glichen die Lebenspartnerschaft in den vergangenen Jahren immer mehr der Ehe an. Ungleichbehandlung gibt es noch im Adoptionsrecht.
    Jürgen Liebing und Peter Liebers haben sich 1992 kennen gelernt und sind inzwischen verheiratet, Liebing ist aus Westdeutschland, Liebers ist in der DDR aufgewachsen. Sie berichten in Deutschlandradio Kultur über ihre Erfahrungen mit dem Gesetz, mit Recht und Gerechtigkeit. In der Debatte konnten Sie mitdiskutieren über das Thema.
    oma
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