Schweizer Spracharbeiter

Von Christoph Richter · 10.09.2009
Der Schweizer Jürg Halter ist Dichter und Rapper. Und während seine Lyrik eigentümlich melancholisch und antiquiert erscheint, kritisiert er als Kutti MC die Oberflächlichkeit des modernen Lebens.
Sunne heißt Sonne und - klar - ist Schwyzerdütsch. Die Texte des 29-jährigen Schweizer Rappers Kutti MC haben einen intellektuellen Anspruch. Sie kritisieren die Oberflächlichkeit des modernen Lebens und parodieren den urbanen Zeitgeist. Kritiker nennen diese Musik verächtlich Mundart-Rap.

"Aber durch das, was ich mache, und ursprünglich aus dieser Szene komme, ist es erstaunlich, wie man sich immer wieder rechtfertigen muss. Das ist eine extrem beschränkte und intolerante Szene."

Erzählt Jürg Halter alias Kutti MC, der mit seinem Rap polarisiert und in der traditionellen Hip-Hop-Szene belächelt wird. Wer einen tätowierten, muskelbepackten und provokanten Gangsta-Rapper erwartet, wird gründlich enttäuscht. Mit Brille, gegeltem Haar, einer Stirn, die sich ständig sorgenreich in Falten legt, sieht er eher aus wie ein braver Oberstudienrat.

"Ich bin jetzt viel authentischer als so ein reiches Muttersöhnchen aus der Schweiz, das auf Ghetto macht, und diese Themen aus dem amerikanischen Rap ins Schweizerdeutsche zu übersetzen versucht und sich dann auch noch so entsprechend kleidet. Also das ist für mich lächerlich."

Viele seiner Fans kennen aber gar nicht die Musik des Künstlers und Rap-Poeten Kutti MC, sondern eher die lyrischen Texte des Dichters Jürg Halter. Das ist gewissermaßen sein zweites Ich. Und das schreibt Lyrik, die so eigentümlich antiquiert ist, dass man meinen könnte, der Schweizer käme aus einem anderen Jahrhundert.

Ähnlich den Texten in der Musik, spielt und jongliert Jürg Halter in seinen Gedichten mit den Worten. Er mixt und mischt sie fast willkürlich, wie in einem DJ-Set, um sie anschließend neu zusammen zu setzen.

1980 wurde Jürg Halter alias Kutti MC im beschaulichen Bern geboren. Die kleine mittelalterliche Schweizer Bundeshauptstadt ist sein Kosmos, den er nur selten verlässt. Das hat viel mit der Liebe zur 82-jährigen Großmutter zu tun. Von ihr hat er den sensiblen Blick auf die Welt geerbt. Ein Grund auch, dass er sich mit ihr, mehrmals in der Woche, zum gemeinsamen Mittagessen in einem asiatischen Restaurant am Berner Kornhausplatz, trifft. "Mittagessenritual" nennt es Jürg Halter.

"Ich komme schon aus einer Künstlerfamilie, aber eigentlich nicht von der Sprache her. Mein Vater ist Glasmaler und Kunstglaser. Meine Großmutter war eine der ersten Grafikerinnen der Schweiz, als es diesen Beruf für Frauen noch wirklich gar nicht gab."

"Ein Gedicht, das gelesen wird, das sehe ich wie ein Songtext, der gesungen wird. Das war eigentlich schon immer so. Am Anfang der Lyrik wurde sie gesungen, und nicht einfach nur still für sich gelesen."

Der Schweizer ist immer auf der Suche, nach dem was die Welt im Innersten zusammenhält. Und auf der Suche nach sich selbst. So kam es, dass er 1998, da war Jürg Halter gerade mal 18 Jahre alt, mit zwei Freunden zusammen, die Literatur- und Kunstzeitschrift "art 21 zeitdruck" gegründet hat. Der Name bezieht sich auf den Artikel 21 der Schweizer Bundesverfassung, indem die Freiheit der Kunst gewährleistet wird.

"Wir hatten keine Connections und keine Ahnung und haben uns so eine eigene Plattform geschaffen. Das ist dann ziemlich gut angekommen. Und dann haben wir eben auch wieder andere Leute eingeladen. Und so hat es sich dann ergeben, dass ich bei einer Lesung von einer Schriftstellerin an einen Verleger empfohlen wurde."

Seit einiger Zeit schreibt Jürg Halter zusammen mit dem japanischen Lyriker Tanikawa Shuntaro ein Renshi, ein sogenanntes Langgedicht.

"Und das läuft so: Also er schreibt vier bis fünf Zeilen und dann reagiere ich auf diese Strophe. Man darf sich immer nur auf die vorangehende Strophe beziehen. Nicht weiter zurück und das ist wirklich eine sehr schöne und anregende Geschichte."