Schwäb'sche Eisenbahn

Hochspannung statt Dieselmotor

Eine Diesellokomotive der "Südbahn" fährt mit mehreren Waggons Richtung Friedrichshafen.
Eine Diesellokomotive der "Südbahn" fährt mit mehreren Waggons Richtung Friedrichshafen. © dpa / picture alliance / Felix Kästle
Von Thomas Wagner · 12.09.2018
Moderne E-Loks, ICE-Verkehr: Was andernorts bereits Standard ist, sucht man auf den Schienen der Schwäb'schen Eisenbahn vergeblich. Doch nun soll das Projekt Südbahn-Modernisierung ins Rollen kommen – zum Leidwesen der Fahrgäste.
Stadtbahnhof Friedrichshafen: Pünktlich um 8:50 Uhr nimmt die Regionalbahn 3041 Fahrt auf nach Norden, Richtung Ravensburg, Laupheim und Ulm. Zwei aneinandergekoppelte Triebwagen setzen sich in Bewegung, mit lautstark dröhnenden Dieselmotoren.
Viele der Fahrgäste auf der Südbahn, so nennt sich diese Strecke, sind Pendler – und kennen die Tücken auf dieser Strecke: "Volle Züge, kleine Züge. Sonntagabend, wo alles irgendwohin zurück fährt, zwei Waggon, voll bis hintenhin, das geht eigentlich überhaupt nicht. Von der Bahn fand ich es unverschämt, so einen kleinen Zug einzusetzen."
"Ich fahre öfters diese Strecke. Das ist ein 20 Jahre alter Zug, den man aufgefrischt hat", so ein weiterer Fahrgast.

Bauarbeiten an den Gleisen

Die Fahrt führt vorbei an den grünen Wiesen und Obstplantagen; manchmal aber auch an maroden Bahnhofsgebäuden, bei denen der Verputz abbröckelt. An diesem Vormittag herrscht allerdings kein Mangel an Sitzplätzen: "Ich glaube nicht, dass heute jemand Zug fährt, weil man in Laupheim umsteigen muss auf den Schienenersatzverkehr und somit viele überhaupt nicht den Zug nutzen. Ich weiß nur, dass Bauarbeiten an den Gleisen sind und Züge deshalb konkret ausfallen."
Wohl wahr: Bauarbeiten an den Gleisen – das heißt: Die heiße Phase der "Südbahn-Modernisierung" hat begonnen. "Die Südbahn ist ja eine der ältesten Fernverkehrsstrecken in Baden-Württemberg, 1850 in Betrieb genommen und soll jetzt halt zum einen elektrifiziert werden, zum anderen aber auch noch ausgebaut werden für eine Streckengeschwindigkeit von bis zu 160 Stundenkilometern", erläutert Michael Greschniok, Sprecher der Deutschen Bahn AG für Baden-Württemberg.
"Für den Einbau der Oberleitungen müssen die Gleise erst mal abgesenkt werden, damit man insgesamt auf diesen 120 Kilometern 4000 Oberleitungsmasten setzen kann und insgesamt 250 Kilometer Oberleitung verlegen kann. Darüber hinaus müssen wir noch 35 Straßenüberführungen und 38 Bahnunterführungen anpacken, im Rahmen dieses Umbaus."

Schienenersatzverkehr – keine optimale Lösung

Das alles geht nicht ohne Einschränkungen für die Fahrgäste: Seit Anfang der Woche ist auf dem Weg vom Bodensee Richtung Norden am Bahnhof Laupheim-West erst einmal Endstation. Mit sogenannten 'Schienenersatzverkehrs-Bussen' geht es weiter.
Hektik auf dem Bahnsteig:
"Das geht mit dem Bus bis nach Neu-Ulm. Wahrscheinlich noch eine ganze Stunde. Das muss man schon rennen, das ist fünf Minuten Zeit zum Bus. Und da müssen wir auf die andere Seite."
"Wir müssen umsteigen in den Bus, dann nochmals in den Bus, ein richtiges Theater. Wenn man einen schweren Koffer hat, muss dann rum und num. Und dann die vielen Treppen, ach nee", stöhnt ein anderer Reisender.
Bis Ende 2021 wird die Südbahn nicht mehr durchgängig befahrbar sein. Vor allem für die vielen Pendler, die die Strecke regelmäßig nutzen, bedeutet das: mehr Zeitaufwand, mehr Unannehmlichkeiten. Doch knapp vier Jahre Bauzeit bedeuten noch gar nichts im Vergleich zur Planungszeit der Südbahn.
"Seit ich im Landtag bin, das sind jetzt fast 40 Jahre, wird über die Elektrifizierung der Südbahn geredet. Jetzt wird sie gemacht", so Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Und geklappt hat es mit dem Baubeginn auch nur, "weil das Land die Hälfte zahlt, obwohl wir das nicht müssen und auch nicht auf Dauer können."

Einmaliges Finanzierungsmodell

Denn genau das Finanzierungsmodell der Südbahn-Modernisierung ist bundesweit einmalig: Das Land Baden-Württemberg und der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn AG teilen sich Kosten von 222 Millionen Euro. Dabei gilt doch eigentlich der Grundsatz: "Für die Schienenwege der Deutschen Eisenbahn ist laut Grundgesetz eigentlich der Eigentümer und damit der Bund zuständig", so Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann.
Allerdings: Berlin ist weit weg vom Bodensee. Und so richtig Feuer und Flamme für die Südbahn-Modernisierung war in der Hauptstadt niemand so recht, schon wegen eines weiteren – und teuren – Großprojektes in Baden-Württemberg: "Stuttgart 21", der Bau eines riesigen Tiefbahnhofes, kostet nach derzeitiger Schätzung um die 8 Milliarden Euro.

Druck auf die Südbahn-Modernisierung

Doch gerade das Großprojekt in der Landeshauptstadt erhöhte auch den Druck auf die Südbahn-Modernisierung, so Landesverkehrsminister Winfried Hermann: "Wenn man den Knoten in Stuttgart neu gebaut haben wird, wenn man in den Bahnhof von Stuttgart nur noch elektrisch einfahren kann, können die Anschlüsse dahin nicht mehr mit Diesel betrieben werden. Und deshalb haben alle Parteien parteiübergreifend dafür gekämpft, dass diese Strecke elektrifiziert wird. Deshalb haben wir jetzt die Hälfte der Strecke bezahlt."
Nicht zuletzt auch deshalb, weil in den vergangenen Jahren der politische Druck von Seiten der Städte, Gemeinden und Landkreise entlang der Südbahn, stetig wuchs. Die nämlich haben sich 1996 zu einem in dieser Form einzigartigen Verband zusammengeschlossen – zum 'Interessensverband Südbahn'.
"Letztendlich war entscheidend, dass dieser Interessensverband 1,4 Millionen Euro auf den Tisch gelegt hat und die Planungsphasen eins und zwei beauftragt hat. Wir sind nicht zuständig gewesen. Wir hatten keinerlei Kompetenz. Und wir haben sozusagen ins Blaue hinein auf im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Schienenstrecken eine Planung beauftragt. Das ist völlig ungewöhnlich. Steht überhaupt nicht im Lehrbuch", so Wilfried Franke vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben. Er ist gleichzeitig Geschäftsführer des Interessensverbandes Südbahn.

Plötzlich bewegte sich was

Mit ihrer eigenmächtigen Planung einer Modernisierung brachten die Kommunen alle anderen Akteure mächtig in Zugzwang: Plötzlich bewegte sich was. "Aber ich bin felsenfest überzeugt: Hätten wir das nicht gemacht, wären noch gar nichts passiert wie 150 Jahre davor auch."
Doch nun immerhin, nach Jahrzehnten des Diskutierens, Planens, Appellierens, passiert etwas. Und das stimmt auch diejenigen versöhnlich, die im Moment hauptsächlich betroffen sind – die Fahrgäste der Bahn:
"Ich denke, dass dann die Züge pünktlicher sind, schneller sind – ich halte das für prima."
"Das ist gut, dass renoviert wird. Das muss ja irgendwann mal sein."
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