Schurken in der Weltliteratur

Fieslinge sind männlich

US-Schauspieler Anthony Hopkins als Dr. Hannibal Lecter trägt im Film eine Gesichtsmaske mit Beißschutz (undatiertes Szenenfoto). Der Kannibale Hannibal Lecter führt die Liste der Film-Bösewichte an. Insgesamt 100 «Heroes» (Helden) und «Villains» (Bösewichte) Hollywoods sind am 3.6.2003 im US-Fernsehen vorgestellt worden. Das American Film Institute präsentierte das Ergebnis einer Umfrage unter 1500 Schauspielern, Regisseuren und Kritikern, die aus einer Liste von 400 Filmcharakteren ihre Wahl treffen konnten.
Inbegriff des psychopathischen Schurken: Hannibal Lecter, dargestellt von Anthony Hopkins. © picture alliance/dpa/dpa-film Uip
Martin Thomas Pesl im Gespräch mit Andrea Gerk · 06.04.2016
Er hat rund 100 Bösewichter der Weltliteratur zwischen zwei Buchdeckel gesperrt. In seinem "Buch der Schurken" beschreibt der österreichische Autor Martin Thomas Pesl Psychopathen, Despoten oder Mörder. Es sei ihm schwer gefallen, genug Frauenfiguren zu finden, meint er.
Man darf annehmen, dass Martin Thomas Pesl die Recherche und anschließende Niederschrift seines Buches "Das Buch der Schurken - Die 100 genialsten Bösewichter der Weltliteratur" großen Spaß gemacht hat. Denn er entdeckte dabei seinen neuen, ihm bislang unbekannten Lieblings-Schurken: Colonel Cathcart aus der Kriegssatire "Catch 22".
Schon in der Antike und in den nordischen Mythen werden Schurken erwähnt. Pesl konnte also in der Weltliteratur aus dem Vollen schöpfen. Als besonders ertragreich erwies sich dabei die Literatur – und hier vor allem die Genre-Literatur – des 19. Jahrhunderts: Alles voll von Bösewichtern, Lügnern, Betrügern, Verführern, rücksichtslosen Machtjongleuren, Mördern.

Schurken werden kategorisiert

Pesl ordnet die Schurken im Buch verschiedenen Kategorien zu: etwa "Die Gierigen", "Die Despoten", "Die Psychopathen" oder "Die Egoschweine". Auch das Überirdische darf nicht fehlen, deshalb ist selbstverständlich auch Graf Dracula vertreten. Und wir Leser sind fasziniert von all diesen Fieslingen. Warum eigentlich? Pesl:
"Ich glaube, dass wir uns insgeheim bei vielen Büchern viel mehr mit den Bösen identifizieren als mit den Guten."
Dabei könnten die Leser durch die Schurken ihre eigene renitente und "dunkle" Seite ausleben: "Die stellen oft einen Widerstand gegen die Gesellschaft dar. Und das ist etwas, wo wir uns oft wiederfinden und Trost auch darin finden - auch wenn uns bewusst ist, dass es sich nur um Fiktionen handelt."

Warum so wenig weibliche Schurken?

Es sei allerdings harte Arbeit gewesen, genug weibliche Schurken für das Buch zusammen zu bekommen, räumte Pesl ein. Besonders für die Kategorie "Egoschweine" sei es schwierig gewesen. Dafür gibt es eine eigene Kategorie "Die fatalen Frauen", wo die Marquise de Merteuil aus den "Gefährlichen Liebschaften" zu finden ist oder auch Milady de Winter aus "Die drei Musketiere". Warum war es so schwierig böse Frauen in der Literatur zu finden?
Ein naheliegender Grund sei, dass bis ins 20. Jahrhundert hinein viele Schurkenfiguren von männlichen Autoren ersonnen wurden - "und Männer schreiben sich dann Schurken als Gegenfiguren, wenn die Helden schon Männer sind." Schurkinnen kämen, wenn, dann nur in ihren angestammten Bereichen - Stiefmutter, Gouvernante, Geliebte - vor.
Pesl: "Ganz oft bei weiblichen Bösewichtern war festzustellen, dass dieses Weibliche auch Teil des Bösen ist. Es gibt Femme-Fatale-Figuren, die sexuell anziehend sind und die Männer vernichten." Wenig dagegen seien Frauen zu finden, die "qua ihrer Funktion schurkisch sind".

Martin Thomas Pesl: "Das Buch der Schurken. Die 100 genialisten Bösewichte der Weltliteratur"
Edition Atelier der Wiener Zeitung, 2016, 244 Seiten, 19,50 Euro