Schulz wirft Putin "Beihilfe zum Mord" in Syrien vor

04.06.2012
Der grüne Europa-Politiker Werner Schulz attackiert Russland wegen seiner Haltung im Syrien-Konflikt. Der russische Präsident Wladimir Putin zeige sich "unglaublich hart", sagte Schulz. Bisher habe Russland jede Lösung abgelehnt und blockiert.
André Hatting: Seit März 2011 bekämpft der syrische Präsident Assad die Opposition im Land mit Gewalt. 13.000 Menschen soll das bislang das Leben gekostet haben und trauriger Tiefpunkt war das Massaker an Zivilisten in Hula mit über 100 Toten. Der Ruf nach einer Intervention wird lauter und vielstimmiger, aber das lässt einen bislang kalt: den ehemaligen russischen Premier und neualten Präsidenten Wladimir Putin. Zum ersten Mal in seiner wiedergewonnenen Rolle als Staatsoberhaupt hat er Vertreter der EU nach Sankt Petersburg eingeladen, offiziell spielt das Thema Syrien keine Rolle bei diesem Gipfel. Aber es beherrscht natürlich trotzdem das Treffen. Und es bekümmert Politiker der EU wie zum Beispiel Werner Schulz: Er ist grüner EU-Parlamentarier und Vizevorsitzender des EU-Russland-Ausschusses. Guten Morgen, Herr Schulz!

Werner Schulz: Schönen guten Morgen!

Hatting: Am Wochenende hatte Putin mit Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande gesprochen, beide haben sich an ihm die Zähne ausgebissen. Putin hält weiter zu Assad und blockiert damit die Vereinten Nationen. Glauben Sie, Herr Schulz, dass dieser EU-Russland-Gipfel daran was ändert?

Schulz: Nein, ich glaube, daran wird nichts sich ändern, obwohl Lady Ashton und Barroso, Van Rompuy alles versuchen werden, um Putin zu bewegen, dass man hier eine politische Lösung erreicht. Das ist ja im Moment die Formel, die gebraucht wird, dass man eine politische Lösung herbeiführen möchte. Aber Putin zeigt sich unglaublich hart, er hat eine Position, die er bislang überhaupt nicht verändert hat. Wenn man so will, leistet Russland eigentlich Beihilfe zum Mord, was da momentan geschieht.

Hatting: Gibt es denn so gar keine goldene Brücke, über die Putin gehen könnte? Ich denke da an den Vorschlag der USA, dass er Assad zum Exil überredet?

Schulz: Bisher hat Russland alles abgelehnt, alles blockiert. Sie haben ein Waffenembargo im UN-Sicherheitsrat abgelehnt, sie haben die Entmachtung von Assad, das ist eine Resolution der Vollversammlung sogar gewesen im Februar, abgelehnt. Russland tut alles, um diese Diktatur zu stützen, überhaupt tut Russland alles, um Diktaturen weltweit zu stützen. Das betrifft ja auch den Diktator Lukaschenko in Weißrussland. Also, Putin versucht, das, was er im eigenen Land tut, auch international durchzusetzen, Diktaturen.

Hatting: Herr Schulz, liegt der Schlüssel zur Lösung der Syrien-Frage allein in Moskau? Ich meine, auch China blockiert ja den Sicherheitsrat.

Schulz: Ja, China verhält sich eher passiv oder hält sich an Russland. China hat nicht ganz so starke Interessen wie Russland in Syrien. Das Assad-System ist ja einer der letzten Verbündeten im arabischen Raum für Russland, und Russland ist der größte Waffenexporteur. Man liefert ja auch jetzt in diesem Konflikt Waffen. Der russische Rüstungskonzern Rosoboronexport ist mit einer Niederlassung in Syrien technischer Berater dort, also, und man hat einen Marinestützpunkt in Tartan. Also, Russland hat großes strategisches Interesse an Syrien, das ist bei China nicht so ausgeprägt.

Hatting: Sie haben damals als Grünen-Politiker für den Kosovo-Einsatz gestimmt, obwohl die NATO damals kein Mandat der UN hatte. Wäre das ein Modell auch für Syrien, dass man eingreift durch die NATO ohne Mandat der UN?

Schulz: Es könnte passieren, wenn sich dieser Konflikt verschärft. Man muss ja sehen, was passiert, wenn man nichts tut: Es gibt ja Menschen, die glauben, dass dann so ein Bürgerkrieg sich irgendwann ausblutet und dass dann irgendwann eine Seite verliert, aber die Situation in Syrien ist, glaube ich, viel gefährlicher, weil, es sind ja nicht nur alevitische Schiiten, die gegen Sunniten mittlerweile vorgehen, also, dass es innerhalb des Landes einen wirklichen Bürgerkrieg gibt, sondern auch der Einfluss von Al Kaida auf die syrische Opposition wächst. Und das, was man eigentlich weltweit als Terrorismus bekämpfen will, das baut sich in Syrien gerade in einer extremen Form auf. Insofern rächt sich ein Nichtstun, sondern man erreicht das glatte Gegenteil von dem, was man eigentlich möchte.

Hatting: Wie hoch wäre denn ein Risiko, das Risiko eines solchen Einsatzes? Ich denke da an die Stärke der syrischen Armee, die überhaupt nicht vergleichbar ist mit der jugoslawischen damals!

Schulz: Also, ich kann das selbst nicht genau beurteilen. Es ist sicherlich sehr schwierig militärisch, deswegen halten sich alle zurück. Unlängst hat ein doch sehr bekannter amerikanischer Luftwaffengeneral gesagt, dass eine Flugverbotszone jedenfalls durchsetzbar wäre, genau so wie in Libyen. Man könnte praktisch zumindest den Einsatz schwerer Waffen ausschalten. Denn das Assad-System geht ja mit schweren Waffen gegen die Zivilbevölkerung los, also mit Panzern und Granaten und Artillerie. Also, das könnte man offensichtlich unterbinden. Im Moment traut sich die Weltgemeinschaft noch nicht, das zu tun. Man versucht immer noch, eine politische Lösung zu erreichen. Putin spricht ja auch von der politischen Lösung, also, er redet davon, dass man die Kontrahenten an einen Tisch bringen müsse. Nun ist er wirklich der Allerletzte, der das zustande bringt, er schafft es ja noch nicht mal im eigenen Land, die Kontrahenten an einen runden Tisch zu bringen.

Hatting: Sie haben gerade eine mögliche Flugverbotszone angesprochen. Glauben sie denn, dass einer solchen Flugverbotszone Russland zustimmen könnte?

Schulz: Nein. Ich glaube, Russland wird überhaupt keiner Maßnahme zustimmen. Russland ist daran interessiert, dass sich dieses Assad-System hält, und Russland verhält sich total destruktiv, wie gesagt, leistet Beihilfe zum Mord. Und insofern wird es darauf ankommen, ob die Weltgemeinschaft, die Wertegemeinschaft in der Lage ist, ohne Russland zu handeln. Ich glaube, Russland isoliert sich immer mehr und die Konstruktion innerhalb der UNO stimmt natürlich heutzutage auch nicht mehr. Eine Veto-Macht wie Russland ist nicht mehr von dem Gewicht, was es mal hatte. Ich glaube, was nach wie vor fehlt, ist eben eine Weltpolizei im Rahmen der UNO, die eingreifen könnte.

Hatting: Wenn man jetzt zum Beispiel eine Flugverbotszone in Syrien durchsetzen würde gegen den Willen Russlands, was für Folgen könnte das haben, was glauben Sie, wie Russland darauf reagieren würde?

Schulz: Das ist natürlich alles sehr schwierig, alles kompliziert. Natürlich wird Russland da sehr straff drauf reagieren, aber im Moment haben wir ohnehin so einen kalten Frieden mit Russland. Russland ist ohnehin auf Konfrontation gebürstet, Sie erleben das beim NATO-Raketenabwehrschirm, bei der Frage, inwieweit man die atomare Aufrüstung im Iran stoppen sollte und so. Russland verhält sich im Moment überhaupt nicht als strategischer Partner. Also, jeder, der von strategischer Partnerschaft redet, weiß nicht, was er da sagt. Wir haben im Moment keine strategische Partnerschaft mit Russland, wir haben weder Übereinstimmung bei den Interessen, geschweige denn bei den Werten. Also, wir müssen auf Russland viel intensiver einwirken. Vielleicht hilft der Gipfel in Sankt Petersburg, um Putin die Augen zu öffnen, aber ich glaube, ein ehemaliger KGB-Offizier ist in dieser Frage sehr hartgesotten.

Hatting: Das sind harte Worte gegenüber Putin. Was denken Sie denn, wie könnte man intensiver auf Russland einwirken, welche Strategie könnte verfangen?

Schulz: Ja gut, ich meine, Russland hat entsprechendes ökonomisches Interesse, mit der EU zusammenzuarbeiten. Man erlebt da ja jetzt, dass Russland merkt, wenn es dem Euro schlecht geht, hat das auch Auswirkungen auf Russland. Wir können über diese ökonomische Kooperation deutlich machen, das wir an Russland auch entsprechende Forderungen haben und Vorstellungen haben, dass sich Russland an der Entwicklung eines Friedens in Syrien mit beteiligen muss, dass wir mit dafür sorgen müssen, dass zum Beispiel der Annan-Plan umgesetzt wird. Aber ich habe da schon jegliche Hoffnung aufgegeben. Es ist schlimm, was wir momentan erleben, und man muss Russland in die Verantwortung nehmen, man muss deutlich machen, dass Russland die Verantwortung dafür trägt, was hier in Syrien läuft.

Hatting: Zum EU-Russland-Gipfel war das ein Gespräch mit Werner Schulz. Er sitzt für die Grünen im Europaparlament und ist Vizevorsitzender des EU-Russland-Ausschusses. Ich bedanke mich, Herr Schulz!

Schulz: Auf Wiederhören!

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