Schulschwänzer in Brandenburg

Auswege aus der Sackgasse

Ein Junge sitzt mit seinem Schulranzen auf einer Tischtennisplatte auf einem Spielplatz in Berlin und spielt auf einem Smartphone
Mehr als 80 Prozent der 10-13-Jährigen nutzen ein Smartphone © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Vanja Budde · 15.07.2015
Eine Grund- und Oberschule in Brandenburg hat ein Projekt entwickelt, dass sich notorischen Schwänzern widmet. Die meisten Schüler finden sich in der "Schule des Lebens" besser zurecht als im regulären Unterricht. Junge Menschen, die einfach keinen Bock auf Schule haben, werden aber nicht genommen.
In der Küche der "Schule des Lebens" in Rüdersdorf braten mehrere Jugendliche Hackfleischfladen für Hamburger. Bruno, David, Bastian, Kim und ihre neun Mitschüler können sich zu Beginn des Halbjahres aussuchen, was sie nachmittgas machen wollen: Sport, Astronomie, Werken oder eben Kochen und Backen. David ist in diesem Schulprojekt gelandet, weil er früher dauernd geschwänzt hat.
"Ich fühle mich so, ja, gelangweilt bei 30 Leuten und wenn ich mal was weiß, ich melde mich, dann komme ich eh nie ran, keine Ahnung, warum. Und dann meinte die damalige Direktorin zu mir: Guck dir mal die Schule des Lebens an."
"Hier haben sie alle irgendwo ihre Probleme"
Dieses Projekt ist der Grund- und Oberschule Rüdersorf angegliedert und wird vom Jugendamt finanziert. Das Schulamt steuert stundenweise zwei Lehrerstellen bei. Wer einfach nur "Null Bock" auf Schule hat wird nicht aufgenommen: Zielgruppe sind Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren, die dauerhaft und nachhaltig schwänzen und von der Regelschule nicht mehr erreicht werden können. David kam in der Schule des Lebens besser klar, er ließ das Schwänzen sein.
"Wir sind nur fünf Leute in der Klasse. Das ist viel entspannter, als mit 30 Leuten in einem Raum zu sitzen. Weil, wenn man da jetzt der Klassenschlechteste ist - auf einer normalen Schule stehst du als Looser da. Hier haben sie alle irgendwo ihre Probleme. Hier ist keiner der Looser."
Fünf Lehrer und Sozialpädagogen für nur 13 Schüler - das klingt nach Luxus. Doch es sei oft die letzte Chance, damit Schulverweigerer noch die Kurve kriegen. Sagt Sozialpädagoge Ulrich Seemann beim Rundgang durch das Einfamilienhaus am Stadtrand:
"Das Hauptproblem ist: Ihnen ist an den alten Schulen der Spaß am Lernen und an Schule abhandengekommen."
Die Jugendlichen müssten erst einmal aufgebaut werden und wieder Vertrauen fassen, sagt Seemann, das koste die Betreuer viel Zeit und Kraft.
"Sie kommen ja zu uns, sind eigentlich runtergemacht als der Schwänzeradel, die so und so nichts können und überall aus den Schulen rausfliegen oder nicht gewollt sind. Unser Anliegen ist, ihnen irgendwie zu vermitteln, dass sie eben doch was können."
In der Werkstatt üben die Schüler die Arbeit als Handwerker
In der Schule des Lebens können sie den Abschluss der 9. Klasse machen, den Hauptschulabschluss, der in Brandenburg Berufsbildungsreife heißt. Alle Türen stehen ihnen damit nicht offen, weiß Bastian. Seinen Traum vom Piloten-Beruf muss er wohl begraben. Aber immerhin hat man einen Abschluss und steht nicht auf der Straße.
"Man kann zum Beispiel im Supermarkt arbeiten, als Kassierer. Oder Maurer kann man auch werden. Es gibt viele Berufe, aber die, für die man höhere Ansprüche braucht, die kann man glaub ich nicht machen."
Maurer oder Fliesenleger kann man in der Werkstatt üben, eine Schülerfirma übernimmt Entrümpelungen und Umzüge. So werden die Schüler auf Praktika vorbereitet – die dann hoffentlich zu einer Lehrstelle führen. David hat es geschafft: In einem Altenheim ausgeholfen, dabei seinen Traumjob gefunden und einen Ausbildungsplatz zum Altenpfleger ergattert.
"Die wissen auch, dass ich nur den Hauptschulabschluss hab und ja, stört sie halt nicht. Die brauchen Leute und es ist Mitarbeitermangel oder wie man sagt. Und so was brauchen die halt: Mit viel Engagement, und ich zeige ja Interesse, sehr."
Projektleiterin Susann Zschieschang legt nach dem gemeinsamen Kochen die gestreifte Schürze ab und setzt sich mit einem von Brunos Hamburgern an den Tisch. Jedes Jahr muss sie um die zwei Lehrerstellen bangen, mit denen das Schulamt die Einrichtung unterstützt
Mehr zum Thema