Schulpolitik in Sachsen

Es ist Zeit für einen modernen Sexualunterricht

Buchstabensteine mit dem Wort "Sex"
Die Linken-Politikerin Sarah Buddeberg möchte, dass auch Homosexualität und Intergeschlechtlichkeit in der Schule thematisiert werden. © picture alliance / Romain Fellens
Von Sarah Buddeberg · 15.06.2015
Sexualkunde heute: Frau und Mann haben Sex und zeugen ein Baby. Die Realität ist vielfältiger, meint Sarah Buddeberg von der Linkspartei im Sächsischen Landtag. Ihr Reform-Anstoß sieht unter anderem externe Referenten vor, die mit den Schülern über Homosexualität und Intergeschlechtlichkeit diskutieren.
Ich stelle mir einen Unterricht vor, in dem Kinder und Jugendliche Vielfalt kennenlernen, sich frei entfalten können und Vorurteile abgebaut werden. Im Moment ist laut Studien zum Beispiel der homophobste Ort nach den Fußballstadien der Schulhof. Der Ausdruck "schwule Sau" gehört zu den häufigsten Schimpfworten.
Das darf aus meiner Sicht nicht so bleiben. Die Kinder sollten verstehen, was Schwul-sein bedeutet. Bisher ist der Sexualunterricht hier an sächsischen Schulen nahezu ausschließlich auf heterosexuelle und funktionale Aspekte reduziert. Das bedeutet in Abbildungen wird ganz nüchtern erklärt, wie aus biologischer Sicht Sex zwischen Mann und Frau abläuft.
Das greift jedoch zu kurz und bildet die Realität nicht ab. Auch Homosexualität, Bisexualität, Transgender und Intergeschlechtlichkeit sollten Teil des Unterrichts werden. So stellen wir uns vor, dass externe Referentinnen und Referenten in die Klasse kommen und mit den Jugendlichen über Liebe zwischen Männern oder zwischen Frauen diskutieren. Oder ein Mensch, der sich selbst nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnet, berichtet über sein Leben. Wichtig ist es, diese Begegnungen in eine Lehreinheit einzubetten, damit sie keinen Eventcharakter haben.
Liebe nicht nur auf die biologisch-funktionale Perspektive beschränken
Ziel des Sexualunterrichts sollte es sein, dass die Kinder ihre Persönlichkeit frei entfalten können und um die Vielfalt wissen, bevor sich Vorurteile festsetzen. Es geht darum, mehrere Lebensweisen schon früh aufzuzeigen und Liebe nicht nur auf die biologisch-funktionale Perspektive zu beschränken. Deswegen gehört es für uns auch dazu, dass im modernen Sexualunterricht Aspekte wie Beziehung, Verantwortung füreinander und verschiedene Familienmodelle thematisiert werden. Das sollte nicht auf das Fach Biologie beschränkt bleiben, sondern fächerübergreifend in den unterschiedlichen Altersstufen stattfinden.
Je älter die Schülerinnen und Schüler werden, desto mehr Kontakt haben sie mit den neuen Medien. Im Internet finden sie sehr schnell entsprechende Fotos und Videos - und werden so mit teils extremen Formen der Sexualität konfrontiert – ungefiltert – immer verfügbar auf dem Smartphone.
Daraus entstehen Unsicherheiten und Fragen, die in der Schule beantwortet werden müssen. Dafür ist auch eine deutlich stärkere Sensibilisierung der Lehrkräfte notwendig und eben eine Ausweitung des Themas.
Es geht also um vieles bei einem modernen Sexualunterricht. Der jetzige Zustand erzeugt den Eindruck, dass es eigentlich nur Mann-Frau-Beziehungen gibt. Abbildungen, Aufgabenstellungen, Literatur und Texte sind fast durchweg heteronormativ, handeln also nur von heterosexuellen Paaren und Familien.
Dadurch entsteht der Eindruck, dass Mann-Frau-Beziehungen normal sind, alles andere sind Absonderlichkeiten. Das verunsichert Jugendliche und Lehrkräfte, die nicht heterosexuell sind und diskriminiert sie schlichtweg strukturell: Es macht sie unsichtbar.
Junge Menschen trauen sich daher in den seltensten Fällen sich zu outen, verstecken diesen Teil ihrer Persönlichkeit und leben oft in ständiger Angst, "enttarnt" zu werden. Diese Angst sollte durch unsere Schule nicht gefördert werden. Unser Sexualunterricht muss sich weiterentwickeln – es ist höchste Zeit.
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